|
Noch ist es eine Vision: Ein Stadtbahnzug gleitet auf begrünten Gleisen durch die Hudwalckerstraße in Hamburg-Winterhude Fotos und Idee: Christian Hinkelmann / Montage: Holger Mertens |
|
Nach 40 Jahren könnte die Hochhaussiedlung Steilshoop endlich ihren versprochenen Bahnanschluss bekommen. Fotos/Montage: Christian Hinkelmann/Stefan von Mach |
|
Der U-Bahn-Knotenpunkt Kellinghusenstraße soll die vorläufige Endhaltestelle der ersten Stadtbahnstrecke werden Visualisierung: Hamburger Hochbahn AG |
|
Am 20. Juni konnten die Hamburger schon einmal in einem aus Bremen geliehenen Stadtbahnwagen Probe sitzen. Foto: Christian Hinkelmann |
|
Zielnetz Stadtbahn. Bis zum Jahr 2025 soll in Hamburg ein über 40 Kilometer langes Stadtbahnnetz entstehen. Plan: Hamburger Hochbahn AG |
|
Der 20. Juni 2010 ist ein guter Tag für Hamburgs
Stadtentwicklungssenatorin Hajduk
(GAL/Grüne). Stolz posiert sie in der Hamburger
Innenstadt vor einem aus Bremen
ausgeliehen Straßenbahnzug und lächelt
in die zahlreichen Fernsehkameras. Gleichzeitig
beschnuppern hunderte Hamburger
den Straßenbahnwaggon von innen und
außen und informieren sich an zahlreichen
Infoständen über das Bauprojekt. Für einen
kurzen Augenblick könnte man denken,
dass die Einführung der Straßenbahn kurz
bevorsteht.
Die Wirklichkeit sieht leider anders aus:
Versucht man nämlich, neben den blumigen
Sonntagsreden, die leisen Zwischentöne
der schwarz-grünen Regierung zu erfassen,
drängt sich einem schnell der Eindruck auf,
dass die Straßenbahn noch längst nicht in
trockenen Tüchern ist.
So ist es zum Beispiel beachtenswert, dass
der Hamburger Senat die Straßenbahn zwar
immer wieder als notwendig herausstreicht,
sie aber gleichzeitig permanent unter Finanzierungsvorbehalt
stellt. Somit drücken
sich GAL und CDU seit Monaten vor einer
Grundsatzentscheidung für oder gegen
die Tram. Jüngstes Beispiel: Mitte Juni legte
Bürgermeister Ole von Beust eine Streichliste
vor, die Haushalts-Einsparungen von
500 Millionen Euro pro Jahr vorsieht. Das
Straßenbahnprojekt war dort nicht aufgeführt
– allerdings stand es auch nicht auf der
Liste der Bauprojekte, die Hamburg auf jeden
Fall realisieren will. Mit anderen Worten:
Die Straßenbahn wurde bei der weiteren Finanzplanung
komplett ausgeklammert und
die finale Entscheidung über das Projekt
abermals vertagt. Kein gutes Zeichen für die
Tram!
Unterdessen laufen die Planungen für
den ersten Streckenabschnitt zwischen
Bramfeld und Winterhude zwar weiter – allerdings
im Bummeltempo. Der für diesen
Sommer geplante Beginn des Planfeststellungsverfahrens
wurde kurzerhand auf den
Herbst verschoben. Damit gewinnen GAL
und CDU weiter Zeit.
Dazu kommt, dass die Öffentlichkeitsarbeit
der zuständigen Stadtentwicklungsbehörde
zur Stadtbahn bisher sehr mangelhaft
gewesen ist. Seit 2008 veröffentlichte die
Behörde gerade einmal fünf dürre Pressemitteilungen
zum Thema. Auf Interviewanfragen
wurde nur äußerst zögerlich reagiert.
Damit hat die von der GAL geleitete Behörde
die einmalige Gelegenheit verpasst,
das Thema Straßenbahn in der breiten Öffentlichkeit
und in den Medien positiv zu besetzen
und mögliche Kritik gleich im Keim
zu ersticken. Selbst, als die – zuerst neutral
berichtende – Lokalpresse im Jahr 2009
plötzlich begann, sich geschlossen auf die
Seite der Stadtbahngegner zu stellen, blieb
die Stadtentwicklungsbehörde schweigsam.
So kam es dazu, dass die Stadtbahngegner
die öffentliche Meinung über die Bahn
inzwischen im Alleingang bestimmen und
fast täglich in ausführlichen Presseberichten
zum Kampf blasen.
Kurz: Man kann sich dem Eindruck nicht
verwehren, dass es der Hamburger Senat
mit der Stadtbahn gar nicht so ernst meint,
wie er immer wieder beteuert.
Aber warum sind CDU und GAL beim
Thema Straßenbahn so zögerlich? Ein Erklärungsansatz
wäre, dass sich der hochverschuldete
Senat mit dem Bauvorhaben
kostenmäßig übernommen hat, dieses aber
aus Rücksicht auf die Grünen nicht vor der
nächsten Bürgerschaftswahl 2012 öffentlich
machen möchte. Schließlich ist die Stadtbahn
eines der grünen Schlüsselthemen,
und ein vorzeitiges Ende des Projekts wäre
für die Partei ein herber Gesichtsverlust.
Gut möglich also, dass hinter den Türen
der Stadtentwicklungsbehörde absichtlich
mit angezogener Handbremse geplant wird
um die Kosten zeitlich zu strecken.
Allerdings wäre dies ein Trugschluss,
denn Verzögerungen bei Planung und Bau
könnten für die Stadt teuer werden.
Schließlich werden die Fördermittel
des Bundes – nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz
GVFG – immer
knapper und laufen im Jahr 2017
ganz aus. Heißt: Alles, was bis dahin
nicht gebaut wurde, wird vermutlich
nie realisiert werden.
Damit läuft die Stadt Hamburg also
ernsthaft Gefahr, aus Mutlosigkeit einen
Straßenbahnbetrieb aufzubauen,
der vermutlich dauerhaft nur aus einer
Stummel-Linie bestehen würde. Ein
wirtschaftlicher Betrieb wäre dann unmöglich.
Das kann nicht das Ziel sein. Insofern
wäre der Hamburger Senat gut beraten,
sich endlich deutlich zur Stadtbahn –
und vor allem – deutlich für einen möglichst
schnellen Bau eines kompletten
Netzes zu bekennen. Bislang ist davon
weder von der GAL noch der CDU etwas
zu hören. Selbst die öffentliche
Forderung von Hochbahnchef Günter
Elste im Januar 2010 nach einem höheren
Planungstempo verhallte ungehört.
Um die Planungen endlich zu beschleunigen,
haben engagierte Bürger im Frühjahr
2010 die Initiative „Stadtbahn JETZT!“ gegründet,
welche den möglichst schnellen Bau eines
kompletten Stadtbahnnetzes fordert. Innerhalb
eines Monats gelang es den Aktivisten,
mehr als 1000 Unterschriften zu sammeln und
der Stadtbahn somit erstmals eine deutliche
Stimme aus der Bevölkerung zu geben.
Nun bleibt abzuwarten, wie die Politik auf
diesen Druck „von unten“ reagiert. Die Ausstellung
eines Bremer Straßenbahnwagens
in der Hamburger Innenstadt war vielleicht
schon ein erster zaghafter Schritt in die richtige
Richtung.
Mehr Informationen über die geplante Stadtbahn
und die Initiative „Stadtbahn JETZT!“
erhalten Sie im Netz unter
www.stadtbahnjetzt.de
Christian Hinkelmann, Initiative „Stadtbahn JETZT!“
|