Brandenburg

Zukunft der Cottbuser Tram bleibt ungewiss

Die Stadtverordneten erklären das Bürgerbegehren für unzulässig

Am 15. Dezember 2009 wurden dem Wahlleiter der Stadt Cottbus1461 Unterschriftenlisten mit insgesamt 13944 Einträgen übergeben. Die Prüfung dauerte bis Mitte Januar 2010. Am 20. Januar 2010 wurden die Initiatoren des Bürgerbegehrens über das Ergebnis der Prüfung informiert: 9437 gültige Stimmen! Erforderlich waren rund 8600.

Sammlung
Erfolgreiche Unterschriftensammlung für Erhalt und Ausbau der Cottbuser Tram. Anlässlich der Übergabe von 13 944 Unterschriften für das Bürgerbegehren veranstalteten die Initiatoren eine Pressekonferenz. Von links: Günter Weigel, Dieter Schuster, Jana Böttcher. Foto: Joachim Nächilla

Die Bedenken der Initiatoren hinsichtlich der hohen Fehlerquote erwiesen sich demnach als berechtigt: Etwa 32 Prozent der Eintragungen wurden als ungültig gewertet.

Gleichzeitig wurde den Initiatoren von der Stadtverwaltung mitgeteilt, dass sie den Stadtverordneten empfehlen wird, das Bürgerbegehren aus insgesamt fünf Gründen für unzulässig zu erklären. Am 27. Januar beschloss die Stadtverordnetenversammlung mit der Mehrheit des rot-rotgrünen Blocks dann auch entsprechend der Empfehlung.

Die Initiatoren können sich mit diesem Ergebnis nicht zufrieden geben; sie erwägen eine Klage vor dem Verwaltungsgericht. Derzeit haben sie einen Anwalt beauftragt, die Aussichten einer Klage zu prüfen.

Verräterische Zeitachse

Es lohnt sich, die zugehörige Zeitachse noch einmal genau anzusehen:

  • 15.12.2009: Einreichung der Unterschriftenlisten
  • 20.01.2010: Mündliche Information an die Initiatoren über das Ergebnis der Prüfung
  • 25.01.2010: Bereitstellung der endgültigen Version der zugehörigen Beschlussvorlage
  • 27.01.2010: Beschlussfassung

Die Stadtverwaltung ließ sich also mehr als einen Monat Zeit für die Auszählung der Unterschriften und für die Begründung der Unzulässigkeit, um dann den Stadtverordneten zwei Tage Zeit zu geben, sich mit dem Inhalt eines 10-seitigen Dokuments auseinanderzusetzen, dessen Lesbarkeit durch zahlreiche juristische Begriffe zusätzlich erschwert wurde. Und die Abgeordneten des rot-rotgrünen Blocks lassen sich das kritiklos gefallen und heben brav ihre Arme!

alttag
Die Straßenbahn in Cottbus gerät in eine parteipolitische Schlammschlacht. Foto: Florian Müller

Ominöses Fax aus Potsdam

Einmal mehr spielte in der Stadtverordnetenversammlung auch jenes ominöse Fax- Schreiben der Potsdamer Kommunalaufsicht vom 28. Juli 2009 eine Rolle, mit dem bereits damals versucht wurde, die Unzulässigkeit der Unterschriftenlisten mit einer fehlenden Ja/Nein-Spalte zu begründen, und das auch den Initiatoren des Bürgerbegehrens zugeleitet worden sei.

Dieses Fax wurde nun den Stadtverordneten kurz vor der Versammlung am 27. Januar übergeben und Oberbürgermeister Frank Szymanski (SPD) bezog sich in seiner Rede darauf. Sinngemäß kam darin zum Ausdruck, dass die Initiatoren sich ja nur an die vermeintlich unterstützende Empfehlung laut Fax hätten halten müssen, um eine zulässige Version der Unterschriftenliste zu erstellen. Welche Uneinsichtigkeit und Undankbarkeit der Initiatoren aber auch!

Dazu ist zu bemerken, dass dieses Fax-Schreiben erst zwei Wochen nach dem Start des Bürgerbegehrens bei den Initiatoren einging und dass die jetzigen fünf Begründungen der Unzulässigkeit den Fakt der fehlenden Ja/Nein-Spalte nicht enthalten.

Was wollte der OB mit der Übergabe des Faxes also erreichen? Wohl nichts anderes, als Verwirrung zu stiften! Und die Stadtverordneten fielen prompt darauf herein!

Vergabe der Machbarkeitsstudie ohne Beteiligung

Unterdessen führte die Stadtverwaltung ihre Aktivitäten zur Realisierung der Machbarkeitsstudie fort (siehe SIGNAL 5/2009). Die Stadtverwaltung informierte Anfang Januar darüber, dass die Firma VCDB VerkehrsConsult Dresden-Berlin GmbH mit der Machbarkeitsstudie beauftragt wurde.

Abgesehen von der Aufforderung, Änderungswünsche zum ursprünglichen Entwurf der Machbarkeitsstudie abzugeben, wurden jedoch weder ProTramCottbus noch der Fahrgastbeirat bei der Ausschreibung der Leistungen und bei der Auswahl des Büros beteiligt. Offensichtlich wird ProTramCottbus von der Stadtverwaltung immer noch eher als Gegner denn als Mitstreiter wahrgenommen.

Fahrgastbeirat

Anlässlich der Sitzung am 19. Januar 2010 wurde per Abstimmung der derzeitige Status (lose Anbindung an die Stadt, rechtlicher Status: GbR – die Vorzugsvariante der Stadtverwaltung) bestätigt. Die Beibehaltung dieses Status‘ ist insofern bedenklich, als sich dadurch ein bestimmtes Abhängigkeitsverhältnis des Beirats zur Stadtverwaltung ergibt. Dessen ungeachtet scheint sich der Fahrgastbeirat nach und nach auf seine eigentlichen Aufgaben zu besinnen. So wurden auf der Sitzung am 19. Januar immerhin Themen behandelt wie „Historie und Stand zu den geplanten Streckenstilllegungen“ sowie „Cottbuser steigen zunehmend auf das Auto und das Motorrad um“, Studie der TU Dresden zur Mobilität in Städten. Das gibt doch Hoffnung!

Kontakt: www.protramcottbus.de

Initiative ProTramCottbus

aus SIGNAL 1/2010 (März 2010), Seite 41

 

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