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DBV: Durch Wettbewerb – also die Vergabe
von Schienenverkehrsleistungen per
Ausschreibung – entstehen Einsparungen
bei den Aufgabenträgern zwischen
10 und 30 Prozent. Nach der Ausschreibung
„Stadtbahnnetz“ ist nun auch die
Ausschreibung „Elbe-Elster-Netz“ ohne
bindende Vereinbarungen zu den Fragen
der Übernahme von Eisenbahnern geregelt
worden, deren Verkehrsunternehmen
bei einer Ausschreibung unterliegt.
Droht ein Austragen von Wettbewerb
auf dem Rücken der Eisenbahner? Denn
laut Aussage des Brandenburger Verkehrsministeriums
ist das Festschreiben
solcher Standards in der nun laufenden
„Elbe-Elster-Netz“-Ausschreibung an
der Weigerung des Freistaates Sachsen
gescheitert. Wie machen sich die derzeit
noch fehlenden Standards bei Ausschreibungen
im SPNV bemerkbar?
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Jörg Podzuweit ist DGB-Mitarbeiter für die Region Mark Brandenburg und Vorsitzender des Transnet-Verkehrsausschusses für die Region Nord-Ost. Foto: privat |
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Jörg Podzuweit: Für die Bahnmitarbeiterinnen
und -mitarbeiter auf den derzeit ausgeschriebenen
Linien ist der Arbeitsplatz nicht
mehr sicher und damit stehen sie unter
einem massiven psychischen Druck. Sicher
gibt es Übernahmeversprechen durch Nachfolgefirmen.
Die beruhen jedoch zumeist
auf einem nochmaligen Auswahlverfahren,
dessen Ausgang natürlich für die Betroffenen
ebenfalls nicht sicher ist. Und selbstverständlich
sind Einkommenseinbußen mit
dem Übergang verbunden, die zwar erst
nach einem Jahr (§ 613 a BGB) wirksam werden,
aber immerhin. Für Beschäftigte von Veolia
würde das zum Beispiel bei einem Übergang
von Märkischer Regiobahn zu ODEG
einen Verlust von monatlich ca. 300 Euro
bedeuten. Ganz abgesehen davon, dass die
ODEG auf der Linie Cottbus—Görlitz—Zittau
Kundenbetreuer im Zug beschäftigt, die
bei einem Subunternehmen (TEREG Gebäudedienste
GmbH) beschäftigt sind und zu
einem nicht mit den Sozialpartnern verhandelten
Tarif als ungelernte Gebäudereiniger
Ost bezahlt werden – 7,44 Euro pro Stunde
ohne Schichtzulage. Das ist Lohndumping
vom Feinsten und ein Ausschreibungsgewinn
auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer.
Warum ist es „fair“, wenn überall das gleiche
verdient wird? Wie würden konkret
solche Standards aussehen?
Wir wollen, dass der sogenannte Wettbewerb
im SPNV nicht auf dem Rücken der Beschäftigten
ausgetragen wird. Das bedeutet,
dass die Beschäftigten, egal bei welchem
Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU), zu
gleichen tariflichen Konditionen beschäftigt
werden und bei Ausschreibungen das benötigte
Personal auch zu diesen Bedingungen
übernommen wird. Es bedeutet nicht, dass
alle Beschäftigten das gleiche Entgelt erhalten.
Das ist sicher, wie bisher auch, nach
bestimmten Gruppen und entsprechenden
Anforderungen gestaffelt und enthält auch
leistungsabhängige Bestandteile. Eine entsprechende
Regelung wäre einfach fair gegenüber
den Beschäftigten, aber auch fair
gegenüber den Anbietern, den EVU. Wenn
diese nämlich wissen, welche Personalkosten
auf sie zukommen, können sie im Falle
einer Ausschreibung fest damit kalkulieren
und müssen sich nicht auf ein Vabanque-
Spiel einlassen im Unwissen darüber, wie andere
Anbieter kalkulieren. Im ungünstigsten
Fall für die betroffenen Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer wird, um unbedingt eine
Ausschreibung zu gewinnen, mit Dumpinglöhnen
angeboten – siehe wie gesagt die
ODEG. Das gefährdet massiv den sozialen
Frieden. Und noch ein weiteres Argument:
Die EVU müssen im Falle gültiger Sozialstandards
Unterschiede untereinander eindeutig
über die Qualität des Angebotes definieren
– was letztlich wieder dem Fahrgast
zugutekommen würde.
Welche Gefahren sehen sie, wenn weitere
Ausschreibungen ohne diese Standards
erfolgen?
Es würde einerseits zu einer Abwärtsspirale
bei den Entgelten der Beschäftigten kommen,
ohne dass sich heute schon sagen ließe,
wo diese endet. Im Falle von niedrigster
Entlohnung tragen neben den Betroffenen,
die sich um sogenannte Aufstockungen
kümmern müssten, auch alle Steuerzahler
die Folgen. Denn die Aufstockungen kommen
aus dem Steueraufkommen, für das wir
alle sorgen, und dienen letztendlich dem
vermehrten Gewinn des Unternehmens, das
diese niedrigen Löhne bezahlt.
Und selbstverständlich ist bei relativ niedriger
Entlohnung nicht mit einer Spitzenmotivation
der Kolleginnen und Kollegen zu
rechnen, die die unterbezahlten Tätigkeiten
ausführen. Das schlägt natürlich auch
beim Kundenkontakt durch. Ein weiterer
Aspekt ist die Ausbildung: Wir fordern, dass
nur ausgebildete Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer, also Facharbeiterinnen und
Facharbeiter mit entsprechender bahn- bzw.
verkehrsspezifischer Ausbildung, Tätigkeiten
im und am Zug ausüben dürfen. Auch
das gehört in eine Ausschreibung. Nehmen
wir nur einmal einen – hoffentlich nicht vorkommenden
– Störungsfall: Eine notwendige
Zugevakuierung in einem Abschnitt mit
unter Spannung stehender Fahrleitung, die
ebenfalls gestört ist und auf die Erde herunterhängt.
Ein ungenügend ausgebildeter
Kundenbetreuer weiß sicherlich nichts mit
dem Wort „Schrittspannung“ anzufangen
und gefährdet dadurch viele Fahrgäste.
Deeskalationstraining, kaufmännische
Kenntnisse und Kenntnisse des Eisenbahnregelwerkes
gehören zur Facharbeiterausbildung
in den entsprechenden, von der
Industrie- und Handelskammer zugelassenen,
Berufen. Das lernt man nicht in einem
einwöchigen Lehrgang zur „Fachkraft im
Verkehrsservice“ vom Verkehrsverbund
Berlin-Brandenburg (VBB). Eigentlich sollte
sich jedes EVU glücklich schätzen, erfahrene
und gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter einsetzen zu können. Das sorgt
für guten Kundenservice, gute Qualität und
damit ein gutes Image.
Werden bei anderen Ausschreibungen –
national und international – solche
Vorgaben gemacht? Gibt es Erfahrungen
damit?
In den Benelux-Ländern gibt es eine gesetzliche
Regelung, die es allen Unternehmen
vorschreibt, bei Ausschreibungen im SPNV
das benötigte Personal zu den Tarifstandards
zu übernehmen, die die Kolleginnen
und Kollegen bei dem Unternehmen innehatten,
bei dem sie vorher beschäftigt waren.
Nach Aussagen der Europa-Geschäftsführung
von Arriva erleichtert dies, wie
bereits oben dargestellt, die Abfassung von
Angeboten auf Ausschreibungen sehr. Und
es sichert die Beschäftigungsbedingungen
für die in den Bereichen tätigen Beschäftigten.
Zumal die seit dem 3. Dezember 2009
in ganz Europa gültige ÖPNV-Verordnung
der EU, die EG VO 1370/2007, ausdrücklich
solche Möglichkeiten vorsieht. Ausschreibungen
wie die des Elbe-Elster-Netzes von
Brandenburg und Sachsen vom Januar 2010,
die auch nach Inkrafttreten dieser Verordnung
keinerlei soziale Standards vorgeben,
sind für mich wissentliches, von den zuständigen
Politikern verursachtes Lohndumping.
Und diese sollten sich letztlich dafür verantworten
müssen, Menschen in die soziale
Unsicherheit zu treiben ohne die Folgen zu
bedenken, auch für die Fahrgäste im SPNV
und alle Bürgerinnen und Bürger.
Ein Wettbewerb ohne Regularien, im technischen
wie im menschlichen Bereich, ist
wie ein Fußballspiel ohne Regeln. Letzteres
kann sich niemand vorstellen, bei Ausschreibungen
im SPNV in Deutschland hingegen
werden die Beschäftigten zu Freiwild für jedwedes
Lohndumping ohne alle Regeln. DBV Berlin-Brandenburg
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