Die Position von Pro Bahn & Bus
Die räumliche und zeitliche Verknüpfung
von Fern-, Regional- und Nahverkehr ist einzig
und allein im Darmstädter Hauptbahnhof
sinnvoll! Eine Auskopplung der zusätzlich
gewünschten ICE-Halte in Gestalt eines
„Westbahnhofes“ auf der Grünen Wiese ist
indiskutabel weil kontraproduktiv: Zubringerfahrten
aus dem Umland würden auf den
Pkw abwandern.
Zur Verbesserung der Einbindung von
Darmstadt in das künftige Fernzugnetz sind
zwei zentrale Bausteine umzusetzen: zum
einen die Aufwertung heutiger IC-Züge zu
einem stündlichen „Wissenschafts-Express“,
zum anderen eine Neukonzeption der
stündlichen ICE-Linie Hamburg—Basel.
Einbindung von Darmstadt in den „Wissenschafts-
Express“
Kern aller Überlegungen darf nicht die prestige-
orientierte Fixierung auf „irgendwelche“
ICE-Halte „irgendwo“ auf Darmstädter
Gemarkung sein. Ausgangspunkt hat vielmehr
ein überzeugendes Fahrplankonzept
zur optimierten Verbindung und Erschließung
in ganz Hessen zu sein – von Kassel im
Norden über Mittelhessen und Rhein-Main
bis hinunter zur Bergstraße.
Mit der „Drehung“ der IC-Zeitlage um
30 Minuten zum Fahrplanwechsel am
13.12.2009 wurde die bisher gewohnte
wechselseitige Ergänzung von IC und RE
auf der Main-Weser-Bahn von Kassel über
Gießen nach Frankfurt am Main aufgebrochen.
Der entstandenen 30/90-Minuten-
Stolper„takt“ ist völlig unakzeptabel. Er verschärft
den bekannten Konflikt durch unterschiedliche
Tarife nochmals und erschwert
die Anschlussbildung bei Zug und Bus.
Ein echtes Zukunftskonzept auf dieser
zentralen hessischen Fernverkehrsachse
kann nur in einem stündlichen Angebot
schneller Züge mit Fernverkehrsstandard
bestehen, die tariflich in die drei Verbünde
und fahrplantechnisch in die örtlichen Anschlussknoten
integriert sind.
Zu fordern ist ein echter „Wissenschafts-
Express“, an dessen Laufweg die Universitäts-
und (Fach-)Hochschulstädte sich perlschnurartig
reihen: Hamburg—Hannover—
Göttingen—Kassel—Marburg—Gießen—
Friedberg—Frankfurt am Main—Frankfurt
Flughafen—Darmstadt—Heidelberg und
weiter Richtung Stuttgart bzw. Karlsruhe.
Mit der anstehenden Ablösung der heutigen
lokbespannten IC-Züge durch ICETriebzüge
besteht erstmals die Möglichkeit,
über den Einsatz der Neigetechnik gezielte
Fahrzeitverkürzungen zu realisieren.
Optimierte Anschlüsse innerhalb eines
künftigen ICE-Fernverkehrsnetzes muss
es primär in Kassel und Frankfurt am Main
geben. Zugleich sind die Zeitlagen in Gießen,
Friedberg und Darmstadt weitgehend
gebunden. Auffällig ist hierbei die relativ
gedehnte ITF-Kantenfahrzeit zwischen
Frankfurt/M Hbf und Darmstadt von fast
einer halben Stunde. Ziel sollte es demnach
sein, bestimmte „Überschusszeiten“ nicht
einfach in Frankfurt/M Hbf „abzustehen“,
sondern wesentlich sinnvoller zu nutzen.
Pro Bahn & Bus schlägt daher vor, die künftige
ICE-Linie auf Main-Weser- und Main-Neckar-
Bahn zusätzlich über den Frankfurter
Flughafen zu führen! Damit würden sowohl
für Nord- und Mittelhessen als auch für die
Bergstraße und Heidelberg stündliche, umsteigefreie
und verbundbenutzbare Schnellverbindungen
zum Flughafen entstehen.
Vorteil eines solchen Konzeptes zur Flughafeneinbindung
ist, dass im Gegensatz zu
bisherigen „Shuttlezug“-Überlegungen dabei
von der Nutzung bestehender Zugleistungen
ausgegangen wird. Dies senkt ganz
wesentlich die Kosten, wertet vorhandene
Angebote auf und vermeidet lästige Umsteigevorgänge.
Voraussetzung für die Realisierung ist die
Einplanung einer solchen Nord-Süd-Linie in
die künftige Gleisinfrastruktur des Dipols
„Flughafen—Frankfurt/M Hbf“. Während im
Ostkopf des Flughafen-Fernbahnhofs bereits
heute das Gleisbild für ein notwendiges
„Kopfmachen“ vorbereitet ist, muss beim
Umbau des Frankfurter Hauptbahnhofs die
Durchbindung von der Main-Weser-Bahn
über Stadion zum Flughafen-Fernbahnhof
zusätzlich berücksichtigt werden. Voraussetzung
ist ferner, dass diese aus Mittelhessen
immer wieder geforderte ICE-Linie zwingend
in die Verbundtarife von NVV, RMV und
VRN integriert wird.
Darmstadt bildet im Zuge dieser ICE-Linie
heute und in Zukunft einen Integralen Taktknoten
zur Minute 30. So wird garantiert,
dass die verbesserte Fernverkehrsmobilität
auch tatsächlich einen Nutzen für die Region
zeitigen, statt beim nochmaligen Umsteigen
auf die „Straßenbahn am Westbahnhof“
wirkungslos zu verpuffen.
Einbindung von Darmstadt in die
stündliche ICE-Linie Hamburg—Basel
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Konzept und Grafik: Pro Bahn & Bus Hessen |
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Wegen der klaren Knotenzeitvorgabe in
Darmstadt kommt eine Einbindung in das
heutige ICE-Linienbündel des benachbarten
30er-Knotens in Mannheim nicht in Frage.
Vielmehr kann nur eine ICE-Linie des künftigen
00-Knotens Mannheim diese Funktion
übernehmen. Hierbei bietet sich die heutige
Linie Hamburg—Kassel—Basel an, die im
Abschnitt Hamburg—Frankfurt am Main
durch ihren Zeitversatz bereits heute eine
Verdichtungsfunktion gegenüber dem dortigen
ICE-Hauptbündel wahrnimmt.
Nach einem späteren Ausbau des Kinzigtalkorridors
wird es möglich, die Zeitlage
dieser ICE-Linie nördlich von Mannheim
deutlich anzupassen sowie die Fahrzeiten zu
verkürzen. Unter Auslassung der bereits anderweitig
gut bedienten Halte in Göttingen,
Fulda und Hanau entstünde so eine echte
Nord-Süd-Sprinterlinie im Stundentakt. In
Kassel gäbe es zur Minute 00 eine optimale
Verknüpfung mit dem „Wissenschafts-
Express“ der Main-Weser-Bahn, zugleich
würde damit die heutige Angebotsdichte
für Göttingen garantiert. Durch Fahrzeitkürzungen
im Kinzigtalkorridor erreicht der
ICE-„Sprinter“ Frankfurt am Main so zeitig,
dass der geringfügige Umweg über Darmstadt bis zum folgenden Systemknoten in
Mannheim wieder aufgeholt werden kann.
Das bestätigt im Übrigen die Position der
Arbeitsgemeinschaft Bahndreieck Spessart,
die die Projektkette „Erfurt—Fulda—Großknoten
Frankfurt—Mannheim“ stets als
funktionale Einheit gesehen hat.
Verkehrlicher Sinn des neuen Systemhaltes
in Darmstadt ist es, die attraktiv
kurzen ICE-Fahrzeiten im Nordabschnitt
Hamburg—Rhein-Main verlustarm an
den „Wissenschafts-Express“ in Richtung
Bergstraße—Heidelberg (Karlsruhe/
Stuttgart) sowie die Region rund um
Darmstadt weiterzugeben. Zugleich wird
der 30er-Knoten Darmstadt mit dem künftigen
00-Teilknoten Mannheim in unter 20
Minuten verbunden. Damit erhält nicht
nur Darmstadt sondern auch der Raum
Dieburg/Aschaffenburg erstmals schnelle
ICE-Direktverbindungen in Richtung
Karlsruhe—Freiburg—Basel.
Voraussetzung zur Umsetzung
dieses
zweiten Bausteins ist die südliche Anbindung
von Darmstadt an die Neubaustrecke.
Angesichts einer niedrigen Zugdichte
(ein ICE je Stunde und Richtung) sowie
geringer Geschwindigkeiten im Bereich
der Eschollbrücker Straße kann die bauliche
Umsetzung deutlich sparsamer als
bei einer „Vollanbindung“ für 250 km/h
erfolgen.
Konsequenzen für den Knoten Darmstadt
Hbf
Die Herstellung optimaler Umsteigemöglichkeiten
im Darmstädter Hauptbahnhof
um die Knotenminute 30 setzt mittelfristig
die Einbindung folgender, mindestens
stündlich verkehrender Zuglinien voraus:
- Main-Weser-ICE-T Hamburg—Gießen—
Heidelberg 2 Züge
- „Sprinter“-ICE Hamburg—Basel 2 Züge
- RB 65 Odenwaldbahn 1 Zug
- RB Pfungstadt—Darmstadt 1 Zug
- SE 60 Frankfurt am Main—Darmstadt—
Heidelberg 2 Züge
- RB 75 Wiesbaden—Darmstadt—Aschaffenburg
2 Züge
- S 6 Friedberg—Darmstadt 1 Zug
In Summe 11 Züge.
Da der Darmstädter Hauptbahnhof gegenwärtig
nur 10 „echte“ Bahnsteigkanten
aufweist, wird deutlich: Die gewünschte
Knotenfunktion ist ohne Eingriffe in das
Gleisbild und den Bau zusätzlicher Bahnsteiganlagen
kaum realisierbar.
Ziel hierbei muss es sein, die anspruchsvolle
Betriebsabwicklung kurz vor und nach
der Knotenminute 30 so reibungsarm wie
nur möglich zu gestalten. Insbesondere die
vier Fernverkehrszüge müssen möglichst
unabhängig voneinander und von den übrigen
Zügen ein- und ausfahren können, um
die Aufenthalts- und Korrespondenzzeiten
im zeitsensiblen Fernverkehr zu minimieren.
Nutzen für Darmstadt und Region
Stadt und Umland werden mit vier verschiedenen
Fernverkehrsachsen optimal im
Stundentakt vernetzt. Dieses Angebotsgerüst
beruht ausschließlich auf bereits heute
verkehrenden Zuglinien, die gezielt weiter
entwickelt werden können. Der Frankfurter
Flughafen wird hierbei voll integriert, neue
Direktverbindungen werden geschaffen.
Der Darmstädter Hauptbahnhof wird in seiner
Rolle als Verkehrsdrehscheibe nachhaltig
gestärkt. Darmstadt und Aschaffenburg
ergänzen sich gegenseitig in Bezug auf die
Vernetzung ihrer verbindenden Regionalverkehrsachse
mit den jeweiligen ICE-Angeboten
Richtung Mannheim—Basel bzw.
Nürnberg—München.
Durch die ebenso attraktiven wie kostengünstig
realisierbaren Fernzugangebote bleiben
genügend Finanzmittel zur Aufwertung
und Verdichtung des Regionalzugangebotes
übrig, statt in fragwürdigen Shuttle- oder „ICErsatz-
Verkehren“ zu versickern. (cb)
Pro Bahn & Bus Hessen im DBV
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