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Ein positives Ergebnis hat die Erörterungsveranstaltung zu den
Tiergartentunneln immerhin schon gebracht: Die Deutsche Bahn AG sagte zu,
die von der IGEB als zu niedrig kritisierte Bahnsteighöhe im Bahnhof Potsdamer
Platz von 55 cm auf 76 cm über SO zu erhöhen. Sonst aber bestätigte die
Mammutveranstaltung weitgehend die schlimmsten Befürchtungen.
Eine Erörterungsveranstaltung diesen Ausmaßes hat es zumindest in Berlin noch
nicht gegeben. In fünf Runden wurde an insgesamt 18 Tagen erörtert, gefragt
und debattiert, insgesamt rund 125 Stunden lang. Juristen warfen einander
die neuesten Grundsatzurteile an den Kopf, Anträge auf Aussetzung des
Verfahrens wurden gestellt und zurückgewiesen, es gab mehrere (vergebliche)
Befangenheitsanträge gegen die Versammlungsleitung, Mitglieder der
Verkehrsausschüsse des Berliner Abgeordnetenhauses und des
Deutschen Bundestages traten auf, mehrere Mitglieder der IGEB meldeten sich
zu Wort - und nicht zuletzt viele Bürgerinnen und Bürger. Trotz schikanöser
Bedingungen fanden fast 500 Einwender den Weg in das Lichtenberger
Kongreß-Zentrum. Praktischerweise fand die Erörterung der Tunnelpläne gleich
in den Räumen des Antragstellers statt und zu deren Arbeitszeiten werktags
von 10 bis 18 Uhr. Der Erörterungstermin war auch keineswegs öffentlich,
wie Senator Haase fälschlicherweise gegenüber dem Parlament behauptete.
Vielmehr gab es scharfe Personenkontrollen durch Wachschutzmannschaften,
damit nur Zutritt zur Veranstaltung bekam, wer im Sommer letzten
Jahres eine schriftliche Einwendung vorgebracht hatte und nun eine
Einlaßkarte samt Personalausweis vorzeigen konnte.
Mehrfach verging ein ganzer Tag nur mit Verfahrensfragen, die die rechtlich
äußerst fragwürdige Konstruktion dieses Planfeststellungsverfahrens
bloßlegten. Aber auch die inhaltliche Erörterung brachte Erschreckendes
zutage. Verkehrsprognosen erwiesen sich als völlig aus der Luft gegriffen. So
soll am Lehrter Bahnhof der weitaus stärkste Verkehrstrom (35.000 Personen
pro Werktag) ausgerechnet von den Umsteigern zwischen Stadtbahn und U5, also
zwei parallel laufenden Schnellbahnlinien, kommen. Bei der Berechnung des
Verkehrs auf der B96 wurden die Abbiegeströme zwischen Entlastungsstraße
und Straße des 17. Juni (fast jeder Autofahrer biegt dort heute ab) völlig
außer acht gelassen. Die Behauptung, der geplante Straßentunnel sei
nur eine Tieferlegung der heutigen Entlastungs straße, wurde Lügen gestraft.
Die Verkehrsverwaltung mußte zugeben, daß mit den zusätzlichen
Anschlußstellen an Invaliden- und Heidestraße die Attraktivität des
Straßennetzes erhöht, also zusätzlicher Autoverkehr angezogen wird.
Desgleichen mußten die Senatsplaner zugeben, daß die erwarteten 100.000
bis 200.000 täglichen Fahrgäste der U5 genausogut mit ein oder zwei
Straßenbahnstrecken befördert werden könnten - nur leider stehe der Platz
nicht zur Verfügung, da der Senat beschlossen habe, 8.000 Autos pro Stunde
und Richtung (!) durch die Ost-West-Verbindungen zu Schleusen, und dafür
brauche man eben den ganzen Straßenraum.
Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Insgesamt blieb der Eindruck,
daß der Berliner Senat und die Deutsche Bahn gute Gründe hatten, die
öffentliche Diskussion ihrer Pläne zu scheuen, denn ein Beispiel für
solide Planung sind diese nicht.
IGEB
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