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Innerhalb eines Jahres war die RegionalExpress-Linie Berlin - Fürstenwalde - Frankfurt (Oder) zum
Inbegriff eines attraktiven und gut frequentierten Bahnangebotes geworden. Seit dem Fahrplanwechsel
am 28. Mai 1995 verfügt die Region Berlin/Brandenburg nun sogar über ein Netz von vier RE-Linien.
Doch vor allem drei Entscheidungen der DB AG haben dern positiven Image des RE erheblich
geschadet: Das Hin und Her um den Ausschluß von Fahrrädern, das Durcheinander um die
Einführung eines RE-Zuschlages im VBB-Tarifgebiet und die chaotischen Verhältnisse auf
dem Westast der RE1 .
Fahrradausschluß
Wie in SIGNAL 5/95 berichtet und in allen Kursbûchern nachzulesen wollte die Bahn zum 28. Mai
1995 Fahrräder beim Verkehr innerhalb der Verkehrsgemeinschaft Berlin/Brandenburg (VBB)
ausschließen. Erst nach Protesten vieler Fahrgäste und des ADFC wurde die Mitnahme wieder
zugelassen, allerdings nur noch bei Kauf einer Fahrradkarte für DM 4,40. Diese Verteuerung schreckt
jedoch viele potentielle Kunden ab und schadet so dem von Politikern in Sonntagsreden gern
beschworenen "Umweltverbund" (Fuß, Fahrrad, Öffentlicher Verkehr). Ärgerlich ist außerdem,
daß es kaum Informationen über die nun gültige Regelung gibt. Wahrscheinlich müssen die
Reisenden bis zum Dezember warten, für den die Bahn im Raum Berlin/Brandenburg einen
Fahrplanwechsel plant, verbunden mit der Herausgabe eines neuen Regionalkursbuches.
Zuschlag
Ebenfalls im Kursbuch dokumentiert ist die Absicht der Bahn, bei Fahrten innerhalb der VBB
einen Zuschlag von 2 DM pro Fahrt zu erheben. Die Begründung: Der im VBB-Bereich geltende,
entfernungsunabhängige Einheitstarif decke für die hochwertigen RE-Angebote nicht annähernd die Kosten.
Natürlich ist es nicht abwegig, für über einen Zuschlag nachzudenken, damit der kundenfreundliche
Einheitstarif erhalten bleibt. Doch die Einführung erfolgte viel zu früh. Zum einen ist die Qualität des
Angebotes auf einem Teil des RE-Netzes noch weit davon entfemt, um bei den Kunden Verständnis
einen Zuschlag zu finden, zum anderen sollte es stets auch zuschlagfreie Angebote zum normalen
Tarif geben. Aber in Berlin-Hohenschönhausen z.B. halten nur noch RE-Züge und keine R-Bahnen.
Besonders ärgerlich ist beim Thema Zuschläge, ähnlich wie bei der Fahrradrnitnahme, daß die DB
AG ihre Kunden nur unzureichend bzw. gar nicht informiert hat. In allen Publikationen zum
Fahrplanwechsel Ende Mai ist der Zuschlag als verbindlich angekündigt. Doch nicht nur die Reisenden
wurden (und werden) schlecht informiert. Ende Mai/Anfang Juni kam es vor, daß Zugbegleiter in RE-Zügen von der
Aussetzung der Zuschlagsregelung nichts wußten.
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Seit dem 28. Mai gibt es auch zwischen der Stadt Brandenburg und Berlin Zoologischer Garten einen RegionalExpress. Doch aufgrund der noch bis zum Dezember andauernden Bauarbeiten auf dieser Strecke kommen viele Züge verspätet in Zoo an. Da die Kehrzeit nur sechs Minuten beträgt, verzögert sich die Abfahrt entsprechend. Foto: Marc Heller |
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Deshalb hat die DB AG den Zwischenhalt in Berlin-Charlottenburg nach nur sieben Wochen gestrichen. Offiziell wurde von betrieblichen Gründen und auf Nachfrage der Medien von nicht ausreichende Zugsteigerzahlen in Charlottenburg gesprochen. Der Berliner Fahrgastverband IGEB kritisierte den überraschenden Verzich auf den Halt ebenso wie die unzureichende Information der Reisenden. Foto: Marc Heller |
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Auf den ausgehängten RE-Fahrplänen wurden keine Streichungen vorgenommen. Foto: Frank Böhnke |
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Nur denjenigen Reisenden, die einen äußerst sparsamen Informierenden Aushänge entdeckten, bieb der Anblick eines in Charlottenburg durchfahrenden RE erspart. Foto: Marc Heller |
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Inzwischen hat die Bahn bekräftigt, daß sie schnellstmöglich einen Zuschlag zum Fahrausweis
einführen will und dies nur aus formalen Gründen noch nicht möglich war. Der Berliner Fahrgastverband
IGEB hält dies weiterhin eine verkehrte Konzernpolitik, da natürlich viele Fahrgäste abspringen bzw.
wegbleiben werden und die Chance vertan wird, die spektakulären Erfolge der mit 60% Fahrgastzuwachs
auf den anderen RE-Linien zu wiederholen. Zudem muß man fürchten, daß die Einführung des
Zuschlages "über Nacht" erfolgen wird, also sehr kurzfristig und ohne ausreichende Infomation, so
daß eine zusätzliche Verärgerung der Kunden vorprogrammiert zu sein scheint.
RE-Halt Berlin-Charlottenburg aufgegeben
Daß die Bahn zu schnellen, geradezu überfallartigen Aktionen in der Lage ist, hat sie erst kürzlich mit
einem schrnerzlichen Beispiel bewiesen. "RegionalExpress-Züge von/nach Brandenburg halten
nicht in Charlottenburg" war ab 14. Juli im "Bauinfo Bahnfahrer", dem wöchentlichen Faltblatt der
DB AG, zu lesen. Auch eine Zeitangabe fehlte nicht: "ab 17. Juli bis aufweiteres", Die (nachgeschobene)
Begründung lautet: Zu wenige Ein- und Aussteiger in Charlottenburg. Dabei weiß jeder, der ein
wenig von öffentlichem Verkehr versteht, daß man nicht nach sieben Wochen, sondern erst nach
sechs bis zwölf Monaten sieht, ob ein Angebot akzeptiert wird
oder nicht.
Hinter den Kulissen erfährt man dann auch den wahren Grund. Der RE-1-Westabsehnitt Berlin
Zoologischer Garten - Potsdam - Brandenburg hätte eigentlich erst zum Abschluß der Bauarbeiten
auf dieser Strecke Mitte Dezember in Betrieb genommen werden dürfen. Weil man sich aber den
28. Mai 1995 entschied, kommt derzeit ein erheblicher Teil der Züge (baustellenbedingt)
verspätet am Bf Zoo an und fährt - wegen der sehr kurzen Wendezeit - zwangsläuñg auch wieder verspätet nach
Brandenburg zurück. Um in dieser Situation pro Richtung einen Puffer von vier Minuten zu gewinnen,
beschloß die Bahn, den Zwisehenhalt in BerlinCharl0ttenburg aufzugeben.
ln einer Presseerklärung zum 17. Juli hat der Berliner Fahrgastverband IGEB diese Reaktion der Bahn
heftig kritisiert:
- Ein gerade erst mit umfangreicher Werbung eingeführtes neues Angebot darf nicht schon nach sieben
Wochen (!) wieder zusammengestrichen werden. Charlottenburg ist einer von nur drei Zwischenhalten
zwischen Berlin Zoo und Brandenburg.
- Der Bahnhof Zoo ist überlastet. Er müßte durch Zughalte in Charlottenburg entlastet werden.
Stattdessen schickt die Bahn nun noch mehr Reisende zum Bf Zoo.
- Es ist ein grundlegender Mißstand, Fahrpläne mitten in der Fahrplanperiode zu ändern.
Deshalb sollte dies nur aus schwerwiegenden Gründen geschehen.
Wenn aber ein solcher Schritt von der Bahn nun als unvermeidbar eingeschätzt wird, dann soll man
der Öffentlichkeit wenigstens die Wahrheit sagen und die Kunden frühzeitig und umfassend
informieren. Nichts dergleichen geschah. Erst unmittelbar zum Beginn der Aufgabe des Haltes in
Charlottenburg gab es vereinzelte kleine Bahnhofsaushänge und die o.g. Mitteilung im
DB-Faltblatt - als kleine Meldung auf einer von 12 Seiten mit Fahrplanänderungen.
Folgewirkungen
Das Verhalten der Bahn in den o.g. Fällen schadet dem Image des RE, der andernorts gerade mit
"Kaffeeküch und Zeitungsverkaufbphantasievoll am Markt plaziert wird und auch in Berlin/Brandenburg 1994 mit
besonderem Service wie kostenlosem Kaffee in der 1. Klasse das Interesse der Medien weckte. Doch
nun überwiegen leider die Negativmeldungen, so daß es im zwangsläufig zum Verlust von Fahrgästen
kommen wird. Insbesondere der "Fall Charlottenburg" hat außerdem Bedeutung über den Tag hinaus.
Er beweist, daß die Bahn von heute auf morgen einen Halt streichen kann, ohne daß von den
Verantwortlichen der Stadt Berlin irgendeiner reagiert. Wie können wir nach dieser Erfahrung
Herrn Verkehrssenator Haase noch glauben,
daß das als "Pilzkonzept" verkaufte Achsenkreuzmodell kein zentralistisches Modell mit einem
Zentralbahnhof "Lehrter Bahnhof' ist, sondern daß alle Züge mehrfach in Berlin halten werden?
IGEB
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