Regionalverkehr

Bürgerinitiativen starten Kampagne zur Rettung der Flächenbahn

Das Land Brandenburg besaß bis zum Fahrplanwechsel im Mai 1995 noch ein engmaschiges Netz von Eisenbahnstrecken, um das es von anderen deutschen Flächenstaaten beneidet wurde. Die Deutsche Bahn AG und die brandenburgische Landesregierung sind dabei, dieses wichtige Kapital Fur die Zukunft zu verschleudern.

Fahrplanwechsel 1995: 90 Bahnhöfe wurden geschlossen

Seit Ende Mai 1995 müssen die Bürger des Landes auf fünf Eisenbahnstrecken und 53 vor allem im Norden Brandenburgs gelegene Bahnhöfe an weiterhin bedienten Strecken verzichten. Zu diesen 53 Bahnhöfen kommen weitere 37 Bahnhöfe hinzu, die an denjenigen Strecken liegen, die stillgelegt wurden. Damit hält an jedem 6. der 522 Brandenburger Bahnhöfe und Haltepunkte kein Zug mehr! Dies kann der Anfang vom Ende der "Flächenbahn" sein. Schon zum letzten Fahrplanwechsel im Mai 1994 waren 26 Bahnhöfe "aus dem Verkehr gezogen" worden.

Geplant Stillegung von 35% der Strecken und 50% der Bahnhöfe

Seit Mai 1994 liegt ein Regionalbahnkonzept vor, das von den Ländern Brandenburg und Berlin sowie der Deutschen Bahn AG gemeinsam erarbeitet wurde. Es enthält ein "Zielnetz 2000" für die Eisenbahnstrecken in Brandenburg. Strecken, die in diesem Netz nicht enthalten sind, sollen in den nächsten Jahren stillgelegt werden. Das Konzept sieht vor, 35% der 1994 betriebenen Strecken und fast 200 Bahnhöfe zu schließen. Die Zahl der Ein- und Ausstiegsmöglichkeiten zu den Zügen des "Unternehmens Zukunft" wäre damit auf mehr als die gegenüber der Situation von 1994 geschrumpft.

Bereits 1996 sind 68 Bahnhöfe und zehn Strecken akut gefährdet

Weitere Streckenstillegungen und Bahnhofsschließungen sollen nicht "irgendwann" umgesetzt werden. Schon zum Fahrplanwechsel im Mai 1996, eventuell sogar schon zum 1.1.1996 (Zeitpunkt der Übergabe der Zuständigkeit für den Bahnverkehr auf das Land) sollen 24 Bahnhöfe an weiterhin betriebenen Strecken geschlossen werden. Auch die zehn Bahnstrecken Pritzwalk - Putlitz, Fürstenberg - Templin, Prenzlau - Templin, Basdorf - Liebenwalde, Frankfurt (Oder) - Kietz-Küstrin, Jüterbog - Zossen, Güsen - Ziesar, Grunow - Peitz, Falkenberg- Herzgerg-Stadt und Forst - Weißwasser mit weitern 44 Bahnhöfen sind bereits im nächsten Jahr akut stillegungsgefährdet.

Flächenbahn statt "Schrumpfbahn"

Bahnhof
Hoffnung besteht noch für die Kleinbahn von Fürstenwalde (Spree) nach Beeskow (RB 35). Zwar wird der Kleinbahnhof geschlossen werden, aber dafür sollen die Züge nach entsprechenden Gleisumbauten in den "großen" Bahnhof fahren. Damit würde das Umsteigen von RE1 und RB 17 zur RB 35 erheblich erleichtert. Um der Strecke eine Zukunft zu geben, muß außerdem schneller gefahren werden. Eine Reisegeschwindigkeit von derzeit knapp unter 37 km/h ist nicht akzeptabel. Foto: Marc Heller

Brandenburg braucht gerade auch seine kleinen Bahnhöfe, um im Wettbeweb mit dem Autoverkehr die Nase vorn zu behalten. Alle Bahnhöfe und Strecken müssen weiter bedient werden, für bereits geschlossene Bahnhöfe und Strecken muß eine schnelle Wiederaufnahme des Betriebes angestrebt werden. Notfalls sollten einzelne Bahnhöfe in Bedarfshaltestellen umgewandelt werden. Die modernisierten Schienenbusse ("Ferkel-Taxen") sind bereits mit "HIaltewunschknöpfen" ausgerüstet worden.

Der Arbeitskreis Verkehr und Umwelt (UMKEHR e.V.) und der Fußgängerschutzverein (FUSS e.V.) haben ein kleines Informations- und Aktionspaket zur Rettung der Flächenbahn im Flächenland Brandenburg zusammengestellt. Die Broschüre stellt den aktuellen Stand der Planungen von Deutscher Bahn AG und brandenburgischer Landesregierung dar. Eine Karte und eine tabellarische Übersicht zeigen, welche Bahnhöfe und Strecken in den folgenden Jahren stillgelegt werden sollen. Diese Informationen waren bisher Schwer zugänglich und stehen damit erstmals einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung. Das Informations- und Aktionspaket enthält außerdem Argumentationshilfen für den Erhalt eines flächendeckenden Bahnnetzes, einen Vergleich der Bahnversorgung Nord-Brandenburgs in den Jahren 1994 und 2000 sowie Ausfugstips auf stillegungsbedrohten Strecken. Zwei Plakate und eine Muster-Unterschriftenliste helfen Bürgern, sich aktiv für die Flächenbahn einzusetzen.

Die Broschüre mit den Aktionsmaterialien ist für 10,-- DM in Briefmarken (der Portoenteil liegt leider schon bei 3,-- DM) oder gegen Rechnung bei der Geschäftsstelle von UMKEHR e. V. und FUSS e. V. in der Exerzierstraße 20 in 13357 Berlin erhältlich.

Arbeitskreis Verkehr und Umwelt UMKEHR e. V.

aus SIGNAL 6/1995 (September 1995), Seite 7-8

 

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