Während die Senatsverkehrsverwaltung
seit der Vereinigung Berlins nur einen einzigen Planfeststellungsbeschluß zur
Straßenbahnverlängerung zustande gebracht
hat, überraschte sie im Sommer die
Fachöffentlichkeit mit der "Auslegung
von Plänen zum Zwecke der PlanfeststelIung" für die Verlängerung der U2-Nord.
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Statt Straßenbahn zukünftig U-Bahn? Es ist davon auszugehen, daß im Falle einer U-Bahn-Verlängerung bis zum S-Bf Pankow die Straßenbahn in der Berliner Straße und Schönhauser Allee eingestellt werden würde. Für viele Fahrgäste würden dadurch neue Umsteigezwänge entstehen. Foto: I. Schmidt |
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Vom 11. Juli bis 11. August 1995 wurde dieses
allgemein als wenig dringlich eingeschätzte Projekt ausgelegt. Zur Erläuterung hieß es in der
amtlichen Bekanntmachung: "Die Pläne betreffen die Verlängerung der U-Bahn-Linie 2 bis
Bahnhof Pankow/Schulstraße im Bezirk Pankow". Ursprünglich sollte die Verlängerung
gleich von Vinetastraße bis Pankow, Kirche - also
um zwei Stationen - erfolgen. Aus Kostengründen aber beschränkte sich der Senat zunächst auf
die Verlängerung um eine Station bis zum S-Bf
Pankow, Dieser Abschnitt erhält ohne Frage eine
gewisse Bedeutung, falls eines Tages S-Bahn-
Züge aus Bernau/Buch nach Gesundbrunnen
geführt werden und damit die Umsteigemöglichkeit zur U2 in Schönhauser Allee entfällt. Doch
derzeit gibt es in Berlin beim S-Bahn- und Straßenbahnnetz sehr viel wichtigere
Ausbauvorhaben. Deshalb hat sich der Berliner Fahrgastverband IGEB zum jetzigen Zeitpunkt gegen eine
Verlängerung der U2-Nord ausgesprochen und
zugleich die völlig unzureichenden PlanfeststelIungsunterlagen kritisiert, Das Schreiben vom 24.
August an den Verkehrssenator lautete:
"Der Berliner Fahrgastverband IGEB e.V. lehnt
die geplante Verlängerung der U-Bahn-Linie 2
ab und äußert zum o.g, Planfeststellungsverfahren folgende Einwendungen gegen den Plan:
1. Grundsätzliche Ablehnung
Im Zuge der politischen Ereignisse nach dem 2.
Weltkrieg (insbesondere deutsche Teilung) wurde das Berliner Verkehrsnetz schwer in
Mitleidenschaft gezogen. Diese Schäden sind bis heute (sechs Jahre nach Fall der Mauer) nicht
ansatzweise beseitigt. Der S-Bahn-Ring - Kernstück
des innerstädtischen Verkehrssystems - ist nach
wie vor ein Bruchstück. Wichtige Umlandverbindungen, wie z,B. die S-Bahn nach Falkensee und
nach Velten, liegen nach wie vor brach. Bevor
diese Schäden nicht in akzeptabler Form beseitigt sind, ist der völlige Neubau einer U-Bahn
(auch wenn das Projekt schon 70 Jahre alt ist)
nicht zu rechtfertigen.
Erstens werden Geldmittel, die dringend für andere, unter Kosten-Nutzen-Aspekten weitaus
günstigere Vorhaben gebraucht werden, gebunden.
Zweitens ist erst nach der Wiederherstellung des
Vorkriegszustandes im Schienenverkehrsnetz
eine seriöse Bedarfsprognose möglich. Auf "Verdacht" U-Bahn-Projekte zu realisieren ist ein
Risiko, das sich Berlin angesichts der katastrophalen Etatsituation nicht leisten kann.
Drittens besteht für das Gesamtvorhaben kein
vordringlicher Bedarf Die der U-Bahn-Verlängerung zugedachten Verkehrsleistungen werden
schon heute von einem leistungsfähigen Straßenbahnnetz (im Zuge der Berliner Straße und
darüberhinaus mit Verteilfunktion! ) erbracht. Auch
prognostizierte höhere Fahrgastzahlen können
problemlos auf absehbare Zeit durch die Straßenbahn bewältigt werden.
2. Unzureichende Begründung für den U-Bahn-Bau
Der Berliner Fahrgastverband IGEB sieht eine
Bestätigung seiner grundsätzlichen Ablehnung
dieser U-Bahn-Verlängerung in der völlig unzureichenden Begründung, die zu dem
Planfeststellungsverfahren ausgelegt wurde.
2.1 Eine standardisierte Bewertung zur Ermittlung des Gesamtnutzens dieser Strecke und
ihrer Auswirkungen fehlt und muß nachgeholt werden.
2.2 Es ist äußerst befremdlich, daß als Begründung für die Verlängerung bis S-Bf-Pankow, die
allein Gegenstand des Planfeststellungsverfahrens ist, ausschließlich Fahrgastprognosen für den
ungewissen Zeitpunkt nach einer Verlängerung
bis Pankow Kirche angegeben werden. Das gipfelt in einer Beschreibung des Nutzens des U-Bfs
Pankow Kirche, die viel ausführlicher ist, als die
für den Bahnhof der Gegenstand des Planfeststellungsverfahrens ist.
2.3 Es fehlt jegliche Beschreibung der Auswirkungen der U-Bahn-Verlängerung auf die
Einnahmen/Ausgaben des Betreibers und auf die
Gestaltung des Oberflächenverkehrs. Der Satz
"Linienführungen der Busse und Straßenbahnen
werden nach Eröffnung der U-Bahn in Anpassung an die veränderten Fahrgastströme
festgelegt" ist Ausdruck einer dilettantischen, ja fahrlässigen Verkehrsplanung. Die Realität sieht
(zum Glück) anders aus. Solche Anpassungsplanungen erfolgen in Berlin stets frühzeitig vor
einer U-Bahn-Verlängerung. Somit findet hier in
den PIanfeststellungsunterlagen eine offensichtliche Täuschung der Bürger statt, die sich z.B. um
den Fortbestand der Straßenbahn nach U-Bahn-Verlängerung sorgen. Belegbar ist der Vorwurf
der Falschinfomration auch durch die prognostizierten U-Bahn-Fahrgastzahlen und hier
besonders die Umsteigerzahlen zu Bus und Tram. Diesen Berechnungen hat mit Sicherheit ein
umstrukturiertes Bus- und Tramnetz zugrundegelegen.
3. Einzelaspekte
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Angesichts des großen Nachholbedarfs bei der Sanierung und vor allem beim Ausbau des Berliner Straßenbahnnetzes und angesichts der schwierigen Haushaltslage beim Bund ebenso wie in Berlin sind U-Bahn-Projekte wie die Verlängerung der U2 derzeit nicht zu verantworten. Foto: I. Schmidt |
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Sollte es trotz der grundsätzlichen Bedenken zu
einem Bau der U-Bahn-Verlängerung kommen,
ist die gewählte Bahnhofslage richtig. Dabei muß
das Umsteigen zur Straßenbahn am Südausgang
entwickelt werden.
3.1 Zu kritisieren sind die teuren und mit den
gravierendsten Eingriffen in den Wohnblock verbundenen Aufstell- und Kehrgleise. Es wird nicht
ausreichend begründet, warum ein Kehren am
Bahnsteig nicht möglich ist.
3.2 Abgelehnt wird das Überangebot an Fahrtreppen, womit zum wiederholten Male ohne
Rücksicht auf die Bau- und Betriebskosten eine
unverantwortliche Luxusausstattung geplant
wird. Wem das Treppensteigen durch Krankheit,
Gepäck usw, schwerfällt oder unmöglich ist, dem
ist meist nur mit einem Aufzug und nicht mit einer Fahrtreppe geholfen. Deshalb sind alle
abwärtsführenden Fahrtreppen sowie an den Bahnsteigenden auch die aufwansfuhrenden
Fahrtreppen aus der Planung zu streichen. Stattdessen
sollte am Südausgang für die Bewohner und die
Umsteiger zur Straßenbahn ein Aufzug gebaut
werden.
4. Sonstiges
Der Berliner Fahrgastverband IGEB kritisiert die
Auslegung der Pläne ausschließlich während der
Sommerferien, Damit wurde die Bürgerbeteiligung völlig unnnötig erschwert. Es ist kein Grund
erkennbar, warum die Auslegung nicht zwei
Wochen früher oder später beginnen konnte."IGEB
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