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Foto: M. Heller |
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Die Tannenberg wurde von Erich Meyer entworfen (Schriftgießerei D. Stempel in
Frankurt am Main) und nach der Schlacht im ersten
Weltkrieg in Ostpreußen - Hindenburgs größtem militärischen Erfolg - benannt. Nach der
Machtübernahme der Nazis wurden die fremdländischen und „nichtarischen“
Antiquaschriften durch die „arteigenen“ gebrochenen Schriften verdrängt, die Frakturschriften sind dabei
eine Unterart. In den 30er Jahren entstanden
dann Schrift-Neuschöpfungen mit vielsagenden Namen: Gotenburg, Standarte, Deutschmeister,
Großdeutsch oder National.
Der Streit um Antiqua und gebrochene
Schriften geht auf das 18. Jahrhundert zurück,
als immer mehr aufklärerische Literatur aus
Frankreich nach Deutschland kam; doch die
Fraktur hielt sich hartnäckig. Fraktur-Verfechter
behaupten, daß diese Schrift - im
Gegensatz zur Antiqua - ein organisches
Schriftbild hat und das Wort als „geschlossenes gedankliches Gebilde" erkennen ließe.
Goethe äußerte zur Fraktur, daß sie „eine
Offenbarung des deutschen Gemüts" sei. Der
Schriftenentwerfer Robert Koch sah zwischen
der deutschen Sprache und der Schrift „einen
seltsamen Zusammenhang, der mehr erfühlt
werden muß, als in Worten auszudrücken ist.
Es lebt und webt etwas Wildes, Kühnes, Kämpferisches, hartes, Knorriges und auch wieder
Zartes, Feines in ihren Zeichen: eine Rosenhecke, deutscher Wald“.
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Alt und neu - richtig und falsch (Vordergrund). Foto: M. Hiller |
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So plötzlich, wie die Frakturschrift nach
der „Machtergreifung" 1933 protegiert wurde, so plötzlich war auch ihr verschwinden:
Die Nazis selbst verbannten die Fraktur 1941
aus den Setzkästen. Per Führerbefehl wurde
nun plötzlich ausschließlich die Antiqua als
Normalschrift benutzt.
ln einem nicht zur Veröffentlichung bestimmten Schreiben Martin Bormanns („Der
Stellvertreter des Führers, Stabsleiter“) vom
3. Januar 1941 steht: „Die sogenannte gotische Schrift als eine deutsche Schrift
anzusehen oder zu bezeichnen ist falsch. In Wirklichkeit besteht die sogenannte gotische Schrift
aus Schwabacher Judenlettern. ... Am heutigen Tage hat der Führer in einer Besprechung
mit Herrn Reichsleiter Amann und Herrn Buchdruckereibesitzer Adolf Müller entschieden,
dass die Antiqua-Schrift künftig als Normalschrift zu bezeichnen sei.“ Zunächst wurden
die Druckerzeugnisse mit Auslandsverbreitung umgestellt, später folgten die anderen.
Der Grund für den plötzlichen Wechsel
dürfte aber eher gewesen sein, daß man den
neuen Untertanen im sich explosionsartig ausdehnenden Reich diese schwer lesbare Schrift
nicht zumuten mochte, sollten sie doch auf
einem möglichst geringen Bildungsniveau
gehalten werden. Also schwenkte man selbst
um 180 Grad.
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Richtig und falsch: ein vorbildlich restaurierter Pylon am Anhalter Bahnhof mit erhabener Tannenberg-Schrift. Foto: M. Hiller |
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Eine mißlungene Restaurierung am Bahnhof Oranienburger Straße - die Schrift ist eine Old English. Foto: M. Hiller |
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Bei der Deutschen Reichsbahn kam bis zu
diesem Zeitpunkt vor allem die Tannenberg in verschiedenen Schriftschnitten zum
Einsatz. Ob Nord-Süd-Bahn, Babelsberg, oder
bis vor wenigen Jahren auf dem Südring überall bei der Bahn springt diese kantige
Schrift sofort in Auge, Ab und zu wird sie bei
Renovierungsarbeiten neu angebracht - oftmals leider im falschen Schriftschnitt gesetzt
(Zehlendorf) oder, in Unkenntnis der Satzregeln (die in jedem Duden zu finden sindl),
einfach falsch geschrieben („Fernsprecher" im Bahnhof Bornholmer Straße).
Sieht sich der aufmerksame Bahnbenutzer
einmal auf der Nord-Süd-Bahn um, so stellt er
fest, daß die denkmalgerechte Sanierung oft
versucht - aber nicht konsequent durchgeführt wurde. Ein paar Beispiele:
Bahnhof Bornholmer Straße: Auf dem Wort
Café - in Tannenberg gesetzt - fehlt der Akzent. Wie bei Croissanterie assoziiert man bei
einem Wort in dieser Schrift eher einen Kellner mit Stahlhelm als eine freundliche
Bedienung. Aber keine Sorge - es hat ohnehin
geschlossen ...
Desweiteren findet sich hier ein Hinweis
auf nicht vorhandene Fernsprecher - oder
vielmehr auf Ferns-precher: Das Wort wurde
mit einem „runden s“ versehen; statt dessen
hätte hier ein „langes s" hergehört. Dieses
„Schluß-s" zeigt das Silbenende und somit
die Trennung an.
Nordbahnhof: Der ehemalige Stettiner Bahnhof wurde 1950 umbenannt - die pommersche
Stadt lag in Polen und alles, was auf etwaige
Besitzansprüche deuten könnte, wurde aus
dem Stadtbild getilgt, So wurde die Bahnhofsschilder mit „Nordbahnhof" übermalt natürlich
in Tannenberg-Fraktur. Im Rahmen
der derzeit stattfindenden Sanierung wurden
jetzt erhabene Lettern im gleichen Stil angebracht - die es dort aber nie so gab! Wenn
schon denkmalgerecht, dann richtig. Nur so
„auf alt machen" ist nicht in diesem Sinne.
Die Wegweiser in den Eingängen wurden
zu gegeben Anlässen mit neuen Hinweisen
überrnalt (in Tannenberg), die alten Richtungen lassen sich trotzdem noch erkennen. Im
Schild „Garten- und Bernauerstraße" hat sich
bis heute ein Rechtschreibfehler erhalten - Straßennamen werden bei Städten getrennt
geschrieben.
Oranienburger Straße: Beschädigte Schilder an den Wänden wurden bei der Sanierung
originalgetreu ersetzt. Leider wurden die beiden langen Blechschilder unter den Treppen
entfernt - oder hat sie etwa ein „Liebhaber"
geklaut?
Die nördliche Einfassung des Eingangs ist
erhalten. Der Pylon mit dem „S"-Bahn-Logo
ist ebenfalls aufgestellt. Die Beschriftung ist
allerdings hier völlig daneben gegangen -
Hauptsache es sieht alt aus ... Diese Schrift
(Old English) paßt überhaupt nicht hierher.
Außerdem hatten die Pylonen der Nord-Süd-
Bahnhöfe auch keine beschrifteten und durchleuchteten Glasplatten, sondern erhabene
Tannenberg-Lettern wurden auf Metall aufgebracht.
Der südliche Bahnhofseingang entspricht
noch weniger dem Original: Die Eingangsumfassung ist modem und schlicht, der Pylon
steht frei und die Schrift (wieder auf einer
durchleuchteten Glasplatte) ist eine Groteskschrift - paßt also auch nicht hierher (das
gleiche gilt auch für den Bahnhof Unter den
Linden).
Anhalter Bahnhof: Er wurde in den 80er
Jahren umfassend saniert und anschließend
wurden auch etliche Schilder in der für diesen
Bahnhof typischen Tannenberg-Fraktur angebracht. Die Eingangsbereiche sind
vorbildlich wiederhergestellt worden - einschließlich der korrekten Beschriftung der Pylonen
am Eingang. Geht man die Treppe in den
Bahnhof hinunter, so fällt das Schild „Anhalter Bhf." ins Auge. Diese Abkürzung läßt
sofort auf den zwischenzeitlichen Betreiber
BVG schließen - bei der Eisenbahn ist sie
nicht üblich, hier wird mit „Bf." abgekürzt.
Leider wurde bei der Sanierung ein grundsätzlicher Fehler begangen: Die
Bahnhofswände sind mit emailliertem Blech statt weißen Opak-Glasplatten (Schlesische
Spiegelglas—Manufaktur) verkleidet worden. Somit
ist zwar auf den ersten Blick ein alter Zustand
wiederhergestellt worden, aber die gesamten
Reflexionen des Lichts sind nicht mehr möglich. Die nicht verfüllten Fugen zwischen den
Platten geben den Wänden außerdem ein sehr
hartes Raster. Bleibt zu hoffen, daß so etwas
beim Bahnhof Potsdamer Platz nichtgeschieht.
Hier wäre es wünschenswert, wenn einige der
Wegweiser wieder in farbigen, aufgeklebten
Glasbuchstaben in Tannenberg-Fraktur gestaltet werden; ein hamronisches Miteinander
von Historie und Gegenwart versucht wir. Mathias Hiller, GVE
Berliner S-Bahn-Museum
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