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Er habe, so der vormalige Forschungsminister Riesenhuber auf einer Pressekonferenz
im Januar 1992 einmal, unter der Magnetbahn im Emsland
„glückliche Kühe weiden " sehen. Als die Journalistenschar dies mit wieherndem
Gelächter quittierte, wiederholte der Mann seine sensible Beobachtung.
Er präsentierte dabei dem Publikum ein entrücktes Lächeln und
abgedrehte Äuglein, wie diese bei einem Vater zu beobachten sind, der
seinem Sohn - aber eigentlich sich selbst - eine Modelleisenbahn schenkt
und eben die Jungfernfahrt absolviert hat - einmal durch den Tunnel, dreimal um
das Legodorf. Mit ähnlichem Gestus erklärten Kanzler Kohl, Wissenschaftsminister
Krüger und Verkehrsminister Wissmann Anfang März.
1994, der Gesellschaft endgültig ihr Spielzeug Transrapid zukommen und
eine Modellstrecke durch norddeutsche Lande errichten lassen zu wollen.
Da die Zweifel an ihrem Spielzeug von Jahr zu Jahr größer wurden und
diese mit den normalen Gesetzgebungsmethoden nicht unterdrückbar
schienen, griff die Bundesregierung im Sommer 1995 zu einem völlig neuen
gesetzgeberischen Mittel. Per Gesetz wurde der „Bedarf" an einer Magnetbahn
schlicht „festgestellt". Dieses „Magnetbahnbedarfsgesetz" dekretiert in Paragraph 1 schlicht:
„ Es besteht Bedarf für den Neubau einer Magnetschwebebahnstrecke von
Berlin nach Hamburg".
ln Paragraph 2 heißt ex cathedra weiter, diese Bedarfsfeststellung sei
sakrosankt, also „verbindlich“.
Es handelt sich also keineswegs um ein Geschenk, das auf feudale Art
gewährt wird. So sehr der Vergleich mit der Modelleisenbahn und dem
Vater, der dem Sohne eine solche schenkt, um sich selbst zu beschenken,
Parallelen aufweist, so sehr gibt es auch Unterschiede:
Erstens: Wenn der Vater dem Sohne die Bahn schenkt, so pflegt er sie
aus eigener Tasche zu bezahlen. Kohl, Krüger und Wissmann jedoch wollen
die Beschenkten zahlen lassen und versichern treuherzig, die Kosten
lohnten, weil derart der Standort Deutschland gesichert, selbiger nunmehr
Kapital gewissermaßen magnetisch anziehen würde.
Zweitens: Modelleisenbahnen sind finanziell erschwingliche Miniaturspielzeuge,
die schlimmstenfalls das Kinderzimmer oder den Hobbyraum
verstellen. Die Magnetbahn jedoch ist eine unverantwortlich teure und gigantomanische
Riesenhuberei, die sperrig in der Landschaft steht, diese
zerstört und dem Schienenverkehr erheblichen Schaden in Höhe mehrer
Milliarden Mark zufügt.
Historische Parallelen
Die Parallelen sind bemerkenswert: Da gründete die Bahn vor 60 Jahren eine
Tochtergesellschaft, welche den Fahrweg für die Konkurrenz
zu finanzieren hatte. Gleichzeitig übernahm
dieselbe Bahn die Planungen für ein neues
Schienensystem, das technisch völlig unausgereift und in erheblichem Maß Ausdruck eines
Wahns der Technikbeherrschung war.
Das war 1933 ff. Die Reichsbahn (und
deren Tochter Reichsautobahngesellschaft)
mußte die Autobahnen bauen und verfolgte
das Projekt einer 4- oder 3-Meter-Breitspurbahn, die die Weltstadt Germania alias Berlin
mit Hauptstädten nachgeordneter Rangfolge
verbinden und dazu dienen sollte, Rohstoffe
und Getreide aus der Sowjetunion in vordem
nicht bekanntem Umfang zu rauben 1).
Am 2. März 1994 faßte das Bundeskabinett
den Beschluß, auf der Strecke Hamburg-Berlin die Magnetbahn Transrapid zu bauen. Die
bis zum avisierten Betriebsbeginn im Jahr
2004 weitgehend privatisierte Bahn AG soll
sich dann in der Transrapid-Beteiligungsgesellschaft engagieren und ist gleich mehrfach
angeschmiert: durch aus der Konkurrenz erwachsende Einnahmeverluste und die
haftung für das wahrscheinlich riesige Defizit der Magnetbahn.
Nun galt der damalige Reichsbahnchef,
Julius Dorpmüller, als ein hervorragender
„Fachmann", was kaum jemand dem alten
Bundesbahn- und dem neuen Bahn AG-Chef
Heinz Dürr nachsagt. Dem NS-Regime gelang es dennoch, Dorpmüller
stromlinienförmig in die nationalsozialistischen Ziele der
Volksmotorisierung" und der Kriegsführung
einzuspannen, obgleich damit der Reichsbahn
enormer Schaden zugefügt wurde.
Der Bundesregierung gelang es, den Bahn
AG-Chef fast ohne Brüche für ihre Magnettechnologie-Politik zu gewinnen, obgleich
damit der „neuen" Bahn erheblich geschadet
wird. Ja, der Bahnvorstand unter Heinz Dürr
war sogar in vorauseilendem Gehorsam bereit, Zensur auszuüben und die
Veröffentlichung einer ausführlichen Arbeit aus dem
eigenen Haus, in der eine vernichtende Kritik
der Magnetbahntechnologie formuliert wurde, zu untersagen 2).
Daß die nunmehr formell nicht mehr als
„Beamtenbahn“ daherkommende Deutsche
Bahn AG den Bonner Kabinettsbeschluß zum
Bau der Transrapid-Strecke mit nur zaghaftem Widerspruch „zur Kenntnis nimmt",
unterstreicht den Kern unserer Kritik an der
Bahnprivatisierung, wonach sich mit dieser
der Schienenverkehr erst recht in jene Marktnische verkrümelt, die ihr die Autogesellschaft
zuweist 3). lm übrigen ist bezeichnend, daß im
Aufsichtsrat der neuen, nunmehr angeblich
ausschließlich eigenen Interessen und dem
Markt verpflichteten Deutschen Bahn AG das
Vorstandsmitglied des führenden deutschen
Energie- und Mineralölkonzerns Hermann
Krämer und der Siemens-Aufsichtsrat Hermann Franz sitzen. Dem Interesse des
erstgenannten Unternehmens entspricht es, wenn
die Bahn z. B. durch die Magnetbahn noch
weiter in Richtung Prellbock rollt, die lnteressen des zweiten Unternehmens sind direkt
mit dem Transrapid-Projekt verquickt.
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Foto: B. Schulz,1992, Karte: Kursbuch DBAG, Montage:GVE |
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Zwei Milliarden DM wurden bisher für die
Magnetbahntechnologie ausgegeben. Dennoch steht die Magnetbahn „Transrapid" mehr
als sie fährt. Nun sollen weitere 5,6 Mrd. DM
für eine "Referenzstrecke" aufgebracht werden. Sollte es dazu kommen, so sah
SPD-Verkehrsexperte Klaus Daubertshäuser bereits 1993 „rund vier Milliarden Mark
Subventionen pro Jahr" auf den Staat zukommen,
Die Magnetbahn „Transrapid" wird zu einem
Subventionsfaß ohne Boden - vergleichbar
dem Schnellen Brüter in Kalkar, der Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf oder dem
als "Eurofighter" getarnten Jäger 90.
Dabei wurde der Transrapid vielfach totgesagt. Er lebte jedoch gerade in diesem
Zustand munter weiter. Wobei die zwei Milliarden DM bereits geflossener Subventionen von
erheblichem Gewicht sind, um Sachargumente, die gegen ein solches Projekt sprechen,
beiseite zu räumen. Es ist grotesk, wenn der
Kanzler, der Wissenschaftsminister und der
Verkehrsminister betonen, das Transrapidprojekt würde „10.000 hochqualifizierte
Arbeitsplätze" bringen. In Wirklichkeit werden
hier Steuergelder in einer Höhe vergeudet,
mit denen der Erhalt und gegebenenfalls die
Konversion von mehreren großen Industriebetrieben in den neuen Bundesländem und
einige hunderttausend Arbeitsplätze dort hätten finanziert bzw. abgesichert werden können.
Eine Jahrhunderttechnologie?
„Der wohlfeile, schnelle, sichere und regelmäßige Transport von Personen und Gütern
ist einer der mächtigsten Hebel des Nationalwohlstands und der Zivilisation? 152 Jahre
später wird an diese Worte des deutschen
Nationalökonomen Friedrich List wieder angeknüpft. „Die Situation ist heute
vergleichbar mit der zu Anfang des vergangenen Jahrhunderts, als über den Bau der ersten
deutschen Eisenbahnstrecke entschieden werden
mußte." So Hans Georg Raschbichler am 15. März 1988 auf einem Symposium in Münster,
das die Magnetbahntechnologie ins rechte
Licht rücken sollte. Raschbichlers Fehlgriff
um ein Dritteljahrhundert - die ersten Überlegungen „Über ein allgemeines deutsches
Eisenbahn-System" , eine Schrift Friedrich Lists,
erschienen 1833 - muß der Hitze des Konkurrenz-Gefechtes geschuldet sein, in der sich
die bundesdeutschen Magnetbahnbetreiber wähnen.
lm übrigen verbindet die Herren Raschbichler und List eine Gemeinsamkeit: List
war, außer Nationalökonom. auch Eisenbahnindustrieller; Raschbichler ist Vertreter von
„Transrapid International", eines Unternehmens, das die weltweite Vermarktung der
Transrapid-Magnetbahn betreibt und hinter
dem deutsche Rüstungs- und Großunternehmen wie Krauss-Maffei, MBB und Thyssen
stehen. Raschbichler wurde außerdem Vorsitzender der Geschäftsführung der
Magnetschnellbahn Berlin-Hamburg GmbH mit Sitz
in München, der eigens für das Projekt dieser
„Referenzstrecke“ gebildeten „Anschubgesellschaft". PR war und ist also beider Business.
Bleibt die Frage: Handelt es sich bei der
Magnetbahn-Technologie wirklich um eine
Jahrhunderttechnologie auf dem Transportsektor, wie es die Eisenbahnen ohne Zweifel
waren?
Die Bundesregierung war schon immer dieser Meinung. Am 3. Dezember 1987 faßten
Kohl und Kabinett den Beschluß: „Die
Magnetbahn muß eine Anwendung in der
Bundesrepublik Deutschland finden." Dabei
windet sich seit Anfang der 80er Jahre eine
31,5 Kilometer lange Versuchsstrecke für die
über 400 Stundenkilometer schnelle Transrapid-Magnetschwebebahn durch das
niedersächsische Emsland. Mit dem Bau der Anlage
wurde 1978 begonnen; 1987 wurde mit der
Südschleife die - figürliche - Achterbahn vollendet.
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Titelblatt eines Werbeheftes für die Magnetbahn von Daimler Benz Industrie / AEG |
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Funktionierte die Magnetbahn so, wie in
den Hochglanzbroschüren der daran beteiligten Unternehmen beschrieben, dann lassen
sich ihr schwerlich revolutionäre Züge absprechen. Beim Transrapid erfolgen Vortrieb
und Beschleunigung des Fahrzeugs durch die
im Fahrweg verlegten dreiphasigen Elektrowicklungen. Der „Linearmotor" ist so lang
wie die gesamte Strecke. Das heißt, daß entlang der Streckenführung der „Stator" des
Motors als Kupferwicklung angebracht werden muß, während der „Rotor", die Bahn
selbst, über diesen Stator und von diesem
angetrieben läuft. Ein sich aufbauendes elektromagnetisches Wanderfeld „schleppt“
gleichsam das Fahrzeug mit sich, beschleunigt es. Da das Fahrzeug mit einem
Schwebegestell den Fahrweg, die Führ- und Bremsschienen, umgreift, wirkt die anziehende
Magnetkraft nach oben und hebt das Fahrzeug
an. Diese grundsätzlich andere Konzeption
verzerrt im übrigen Energieverbrauchsvergleiche zwischen Eisenbahn und Magnetbahn;
erstere führt ihren Motor mit, letztere verlegt
diesen gewissermaßen in den Fahrweg.
„Nach 150 Jahren Eisenbahngeschichte steht
erstmals ein Fahrzeug zur Verfügung, das in
einem Abstand von 10 Millimetern über seinem Fahrweg schwebt und völlig
entgleisungssicher ist,“ So die Selbstdarstellung der
Betreibergesellsehaft. Ähnlich die Argumentation der Bundesregierung. 1993 wurde dem
Transrapid auf völlig dürftiger Grundlage die
„Einsatzreife" bescheinigt. Daß dies in Widerspruch zur bisherigen Magnetbahn-Realität,
in Widerspruch zu der Einschätzung des
Berliner Umweltbundesamtes (UBA) und in
Widerspruch zu Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des
Bundesverkehrsministeriums steht, ficht nicht an. Bezeichnend für die
ebenso ignorante wie interessengesteuerte Art,
mit der der Magnetbahnbeschluß in Bonn
gefällt wurde, ist die Tatsache, daß Verkehrsminister Wissmann den 13 Professoren des
Wissenschaftlichen Beirats seines Ministeriums einen Gesprächstermin über ihr
ablehnendes Gutachten anbot - für die Zeit nach
der Kabinettsentscheidung.
Gigantomanie auf Stelzen
Mehr als ein Jahrzehnt lang wurde die Magnetbahn hierzulande als ein umfassend
einsetzbares neues Schnellverkehrsmittel propagiert.
Wenn es nunmehr „nur" um den Bau einer
Referenzstrecke geht, dann doch dazu, um
mit dieser Vorzeigebahn anderen Ländern,
Regierungen, Investoren etc. einzureden, dieses Verkehrsmittel eigne sich als eine
umfassende Alternative zu anderen traditionellen
Hochgeschwindigkeitsverkehrsmitteln wie
dem Shinkansen, dem TGV oder dem ICE.
Die Tatsache, daß - für manche überraschend
- im Februar und März 1994 das Transrapid-Projekt derart gepuscht und gegen alle
Widerstände als „Magnetbahngesetz“ durch den
auslaufenden Bundestag gebracht und im
Herbst 1995 im neuen Bundestag mit dem
„Magnetschwebebahnbedarfsgesetz" die wissenschaftlichen Grundannahmen für einen
„Bedarf" vorweg dekretiert wurden, hat viel
damit zu tun, daß der ICE Ende 1993 auch in
Südkorea vom TGV geschlagen wurde und
alle bisherigen vollmundig propagierten Möglichkeiten für Transrapid-Projekte - so eine
Verbindung von Orlando nach Disneyland -
auf Eis liegen. Mit Erstaunen war zur Kenntnis zu nehmen, daß in dem im Sommer 1995
von der Bundesregierung vorgestellten „Lateinamerikakonzept" der Transrapid als ein
Lateinamerika einsetzbares Verkehrsmittel
propagiert wird.
Die Propagandisten einer deutschen „Referenzstrecke" schwelgten noch vor wenigen
Jahren in gigantomanischen Verkehrswelten.
Die Vorstellungen gingen dahin, mit einem
Netz von Magnetbahnen die Autobahnkreuze
zu verknüpfen. Diese Kreuze würden auf zwei
bis drei Ebenen ausgebaut - unten bewachte
Tiefgaragen, in der Mitte die Autobahn und
oben der Magnetbahnhaltepunkt. Die Anfahrt
erfolgte mit eigenem Pkw, die Weiterfahrt
fände mit Tempo 400 statt, bis zum Zielpunkt,
wo ein Mietwagen den Transfer in die City
ermöglicht.
Diese Logik zu Ende gedacht und alle Behauptungen der Betreiber für bare Münze
genommen, müßte das konsequente Ziel lauten: schrittweises Einstellen der
Bundesfernstraßenverbindungen; paralleles Zurückfahren des Bundesbahnbetriebs, vor allem der
Hochgeschwindigkeitsbahnen; Errichtung von
Magnetbahnen auf den bisherigen DB-Trassen; Einstellung der Binnenluftfahrt. Wenn es
denn tatsächlich überzeugende Systemvorteile der Magnetbahn gibt, dann können diese
nicht allein für die Strecke Hamburg-Berlin
zutreffen. Im Gegenteil: In seiner Isolation
degeneriert der Transrapid in jedem Fall zu
einem Exponat im Jurassic Park Deutschland.
Das Verkehrsministerium, aus dem lange
Zeit Widerstand gegen das Transrapid-Projekt gemeldet wurde, ahnt durchaus, daß der
Bau allein einer Referenzstrecke wenig Sinn
macht. Nachdem das Bundeskabinett im Sommer 1992 das Transrapid-Projekt als Teil des
Bundesverkehrswegeplans definierte, führte
der damalige Minister Günther Krause öffentlich aus: „Nach der Entscheidung des
Bundestags über die Verlegung des Parlaments und von Teilen der Bundesregierung
nach Berlin würde eine Verbindung Bonn -
Berlin in die Untersuchungen einbezogen.
Eine längerfristige Perspektive könnte die
Strecke Berlin-Hamburg mit Weiterführung
in Richtung Bremen-Ruhrgebiet-Köln-Bonn
bieten."4) Das wäre zwar nicht die kürzeste
Verbindung, aber darum geht es wohl auch
nicht immer in der Verkehrspolitik. So führt
die neue ICE-Verbindung Berlin-München
über Magdeburg und Hannover. Daß sie damit schneller als die Direktverbindung über
Leipzig ist, ist Resultat gezielter Fehlinvestitionen. Die Reichsbahn fuhr vor 60
Jahren die Strecke Berlin-München schneller
als der ICE heute 5).
Strukturelle Mängel
Es gibt eine Reihe struktureller Mängel, die
mit der Transporttechnologie Magnetbahn
verbunden sind:
- Die Magnetbahn stellt ein neues und teures
Massenverkehrsmittel dar, welches nicht mit
dem bestehenden Schienenverkehrssystem
kompatibel ist. Neben Schiene, Straße und
Flugverkehr soll ein viertes Personenverkehrsmittel bereitgestellt werden. Dies würde
zunächst einen enormen Zuwachs an „gebrochenem" Verkehr - des Umsteigens von einer
Transportform zur anderen - bedeuten. Sodann stellen Magnetbahnen gewaltige
Parallelinvestitionen in Verkehrswege dar. Hier soll
sich Verkehrsgeschichte auf fatale Weise wiederholen: Der Entwertung der Investitionen
in die Schienenstränge durch den Bau von
Straßennetzen und Binnenwasserstraßen würde eine Entwertung aller dieser
Verkehrswegeinvestitionen dort folgen, wo die nun favorisierte Magnetbahn parallel verliefe. Wenn
heute bereits alle Verkehrsarten - Straße,
Schiene, Wasser - subventioniert werden, so
würde diese Vergesellschaftung von Transportkosten mit der Einführung eines zusätzlichen
Transportmittels gesteigert.
- Magnetbahnen sind reine Personenverkehrsmittel. Sie eignen sich - auch wegen ihrer
unausgereiften oder zu wenig belastbaren
Technik - nicht für den Gütertransport. Letzterer macht jedoch bei der Bundesbahn
immerhin rund die Hälfte der Verkehrsleistung
und der Einnahmen aus. Damit wäre also auch
bei Existenz eines Magnetbahnnetzes in jedem Fall ein paralleles Massentransportsystem
und die Vorhaltung entsprechender Schienenwege erforderlich, was die gesellschaftlichen
Kosten im Transportsektor weiter steigert. Im
übrigen muß ein derart heruntersubventionierter Transportpreis zur weiteren Verkehrsinflation
beitragen. Dies wird an anderer Stelle am Beispiel der Strecke Hamburg-Berlin
verdeutlicht.
- Immer wieder ist es die Geschwindigkeit,
die als entscheidendes Argument für den
Transrapid angeführt wird. Mit Tempo 300
bis 500 durch deutsche Lande, z. B., so die
Idee des ehemaligen bayerischen Wirtschaftsministers Jaumann, für einen
„Sonntagsnachmittagsausflug von der Isar an die Alster",
geschossen zu werden, das potenziert Mobilität und macht Potenzen mobil. Nun haben sich
Bundesbahn und Bundesregierung für die
Entwicklung und den Betrieb des ICE entschieden, der mit bis zu 300 km/h betrieben
werden soll. Ironischerweise stellte der ICE
bereits am 1. Mai 1987 mit 406 km/h einen
neuen deutschen Geschwindigkeitsrekord für
Schienenfahrzeuge auf, gewissermaßen ein
Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung Transrapid. Ein qualitativer Unterschied zur
Magnetbahn (maximale Reisegeschwindigkeit
300 km/h, Spitzengeschwindigkeit 500 km/h)
ist nicht erkennbar.
- Tempo 300 oder 400 bei einer Magnetbahn
zahlt sich nur aus, wenn möglichst Entfernungen von 400 und mehr Kilometern realisiert
werden. In einem dichtbesiedelten Land wie
der BRD gibt es jedoch einigen verkehrspolitischen Anlaß, spätestens alle 100 Kilometer
einen Halt einzulegen. Man nehme nur die
lange Zeit von ICE und Transrapid gleichermaßen umworbene Strecke Köln-Frankfurt.
Zwischen den Anfangs- und Zielpunkten liegen mindestens drei (und bis zu fünf)
sinnvolle Haltepunkte, die bisher im IC-Verkehr bedient werden: Bonn, Koblenz, Mainz,
Wiesbaden, Frankfurt-Flughafen. Da die Kilometer bis zum Erreichen der Höchstgeschwindigkeit
und diejenigen, die für das Abbremsen
benötigt werden, insgesamt rund 25 ausmachen, löst sich der Vorteil der hohen
Geschwindigkeit in Luft auf. Weshalb bei Einsatz des ICE und des Transrapid gleichermaßen
deren Protagonisten dafür plädieren,
Stopps, die für Regionen mit hunderttausenden Menschen wichtig sind, schlicht
auszulassen. Wobei dieselben immer ausreichend
Anlaß sehen, daß die Magnetbahn Flughäfen
mit einem Stopp beehrt, womit die Hochgeschwindigkeitsbahn Zubringerdienste für den
Flugverkehr leistet. Was mit dem folgenden
Punkt zu tun hat:
- Schließlich zielen Transrapid und ICE auf
ein- und dieselbe Klientel - auf den Geschäftsverkehr. Nur dieses Marktsegment
kommt - was die Masse des angepeilten
Transportvolumens betrifft - für solch große
Entfernungen im „Normalverkehr" und für
die nicht gerade niedrigen Fahrpreise in Frage.
Doch dieses Marktsegment macht gerade
mal 12 Prozent der gesamten Verkehrsleistung
der Bundesbahn aus. Unter solchen Bedingungen müßte die parallele Entwicklung und
der gleichzeitige Betrieb von Regionalflugstrecken, Privatflugverkehr, ICE-, IC- und
Magnetbahnstrecken für alle Beteiligten in
einen ruinösen Wettbewerb münden. Die allseits entstehenden Verluste würden erneut
vergesellschaftet und insbesondere die rasante Fahrt der Bahn AG in eine neue Pleite
vorangetrieben 6).
Transrapid - ein preiswertes Transportmittel?
Die Transrapid-Manager nannten Ende der
80er Jahre noch Kosten von 20 Millionen DM
für einen Doppelkilometer Magnetbahn. Die
Strecke Hamburg-Berlin sollte im März 1994
für 5,6 Milliarden DM zu haben sein. Im
September 1992 nannte Verkehrsminister
Krause hierfür noch „ein notwendiges Investitionsvolumen von ca, 7,5 Milliarden Mark
für die Infrastruktur ... und zirka 700 Millionen Mark für die Anschaffung der
Fahrzeuge." Dies ergäbe bereits einen Kilometerpreis
von 30 Millionen DM, vergleichbar dem für
ICE-Neubaustrecken, wobei diese für Personen- und Güterverkehr gebaut sind.
Bei all diesen Preisvergleichen existiert ein
kleiner Unterschied: Die ICE-Kosten sind teuer
genug, jedoch real nachprüfbar, während für
den Transrapid nur ein erster Kostenansatz
aus den 80er Jahren zugrundegelegt wird. Der
„Tornado-„ oder „Kalkar-Koeffizient" legt
nahe, mit einer Verdoppelung der veranschlagten Kosten zu rechnen.
Energieverbrauch
Ebenfalls mit Vorsicht zu genießen sind die
Angaben zum Energieverbrauch des Transrapid. Dieser soll gemäß Eigendarstellung
sogar bei höherer Geschwindigkeit „niedriger
als beim ICE" liegen. Der Transrapid-Kritiker Karlheinz Rößler schrieb hierzu: „In der
Öffentlichkeit wird der Eindruck erweckt, die
Magnetbahn sei energiesparsamer als die
Eisenbahn. So bracht der Transrapid bei 250 km/h
nur 30 Wattstunden pro Sitzplatzkilometer,
während der ICE eine entsprechenden Verbrauch von 42 Wattstunden hat.
Dieser Unterschied kommt jedoch vor allem dadurch zustande, daß bei der Magnetbahn
auf derselben Grundfläche mehr Plätze untergebracht sind, da die Fahrgäste enger sitzen, weder einen Speisewagen
noch sonstige Service-Einrichtung vorfinden und sich dreimal so viele Passagiere wie im ICE eine
Toilette teilen müssen. Vergleicht man jedoch Gleiches mit Gleichem, dann dürfte der Energieverbrauch
beider Züge ungefähr der gleiche sein." Im übrigen ist der ICE ein Energiefresser; der Vergleich eines Gigantomanie-Projektes mit einem anderen ändert nicht am grundsätzlichen Charakter beider:
Magnetbahn und ICE verbrauchten je Personenkilometer bedeutend mehr Energie als ein IC 7).
Lärmwerte
Die Lärrnwerte des Transrapid sollen „in etwa
gleich" denen des ICE ausfallen. Selbst wenn
dies stimmen würde, ergibt sich die Frage,
welche Kosten für Lärmschutzmaßnahmen
anfallen. Bislang haben die Magnetbahnbetreiber solche Kosten nicht in Ansatz
gebracht, im Gegensatz zur Bahn und dem ICE.
Tatsächlich ist auch nach den offiziellen Angaben die Lärmentwicklung beim Transrapid
im „Normalbetrieb" so groß, daß entlang den
Magnetbahnstrecken eine breite Schneise
unbesiedelten oder eines mit gewaltigen
Schallschutzwänden gesicherten Gebietes erforderlich wäre: 93,5 dB/A in 25 Meter
Entfernung bei Tempo 400 km/h. Als „stark verlärmt“ gilt ein Wohngebiet ab 60 dB/A. Rößler:
„Ein Magnetbahn-Zug mit 450 km/h wird
in 25 Metem Entfernung rund 100 dB (A)
erzeugen und somit ebenso laut sein wie ein
Preßlufthammer in nächster Nähe".
Flächenverbrauch
Als Flächenverbrauch nennen die Magnetbahnbetreiber in aller Regel nur die Fläche,
die für die Stützpfeiler im Fall eines aufgeständerten Fahrwerks anfallen würden. Man
kann jedoch bereits fragen, ob eine aufgeständerte Bahn dieser Art keine Fläche im
umfassenden ökologischen Sinn verbraucht, Beispielsweise gibt es klimatologische
Gutachten, die auf Stelzen geführten Straßen sehr
wohl die Wirkung von Talsperren, ähnlich der
von auf Dämmen geführten Fahrwegen, attestieren. Auch Brücken können wie Dämme
und Talsperren wirken und hierdurch beispielsweise die Zahl der Inversionswettertage
in einer entsprechenden Region erhöhen. Hierzu führen Meike Spitzner und Michael Weiss
an: „Die vom Fahrweg überspannte Fläche
wird nicht eingerechnet ... außerdem ist es mit
einer einfachen Trasse auf Stelzen nicht getan. Weitere Flächen in wesentlichem
Umfang werden für die zusätzliche Infrastruktur
gebraucht, vor allem für die riesigen Parkhäuser bzw. Parkflächen und Zufahrtsstraßen zu
den Transrapidbahnhöfen." 8)
Elektromagnetische Felder
Weiterhin muß eine Magnetbahn, wenn sie in
der geplanten Höhe von etwa fünf Metern
geführt wird, Schneisen in Waldgebiete schlagen. Elektrische Leitungen, die schließlich
allgegenwärtig sind, müssen gekreuzt werden. Unten? Oben? Mit welcher Wirkung auf
die Magnetfelder? Welche Wirkung haben
solche Magnetfelder auf die Menschen? Darf
Ex-Kanzler Helmut Schmidt an der Jungfernfahrt des Transrapid teilnehmen oder nicht?
Immerhin schließen die japanischen Magnetbahnbetreiber Fahrgäste mit
Herzschrittmachern bisher von diesem Fortschritt neuer
Mobilität aus - aus Angst, die anstehenden
elektromagnetischen Felder könnten diese
lebenswichtigen Geräte beeinflussen.
Wird fortgesetzt.
1) „Aus dem Osten werden wirjährlich zehn bis zwölf Millionen Tonnen Getreide herausholen." So
Hitlers Vision zur Breitspurbahn (damals und heute in Mitteleuropa geltende Norrnalspurz 1435 mm).
Dr. Ing. Recker, der bei der Reichsbahndirektion Berlin mit der Führung der Breitspurbahn durch den neu zu bauenden
Südbahnhof beauftragt war, erinnert sich, "daß man damals im Reichsverkehrsministerium der Meinung war, auch mit
Güterwagen der Normalspur in zwei bis drei Monaten die gesamte Ernte der Ukraine abfahren zu können."
Anton Juachimsthaler, Gigantomanie auf Rädern, in: Zug der Zeit, Zeit der Züge, herausgegeben von der Eisenbahnjahr
Ausstellungsgesellschaft Nürnberg, Berlin 1985, S. 703 ff.
2) Joachim Wille, Die Transrapid-Kritik blieb ungedruckt. Wie es kam, daß ein Bundesbahner seine
Argumente für sich behalten mußte, in: „Frankfurter Rundschau" (FR), 3.11.1992.
3) Vgl. die Beiträge in dem Diskussionsforum zur Bahnreform - bessere Bahn. u. a. mitherausgegeben
von Heiner Monheim, Meike Spitzner, Tine Seebohm. Winfried Wolf, den VCD-Landesverbänden
Niedersachsen, Bayern und Hamburg, Köln 1993.
4) Rede am 4.9.1992 in Neubrandenburg auf der Fachtagung der Bildungsakademie der Kammer der
Technik e.V., "Bulletin", 9/1992, 9.9.1992.
5) Die Strecke München-Hannover-Berlin kommt auf 928 Schienenkilometer, die Direktverhindung
auf 677 Kilometer. Für München-Hannover-Berlin benötigt der ICE 6 Stunden und 51 Minuten
(Fahrplan 1995/96). Die Reichsbahn fuhr die Direktverbindung in 6 Stunden und 44 Minuten. Seit dem
Ende der DDR war ausreichend Zeit, die Direktverbindung so auszubauen, so daß lCs mit
Reisegeschwindigkeit 120 km/h fahren könnten. Damit allerdings reduzierte sich die Gesamtreisezeit auf
5 Stunden und 38 Minuten und damit auf ein Niveau, bei dem es
nicht mehr zu rechtfertigen wäre, eine lCE-Neubautrasse zu bauen. Just diese soll jedoch - mit immensen
Zerstörungen von Land- und Ortschaften - gebaut werden. Die Gründe sind vergleichbar denjenigen, die zum
Transrapid-Beschluß führten.
6) Das offizielle Modell, das der Bahn AG zugrunde liegt, sieht vor, daß selbige im Jahre 1 ihrer Existenz völlig
entschuldet ist,jedoch bereits zehn Jahre später erneut 20 Milliarden DM Schulden aufgetürmt hätte. Damit stünde
die Bahn AG erneut vor der Pleite, zumal sie dann nicht mehr über den Staat als Fallschirm verfügt. Der
Bundesrechnungshof war es. der im Herbst 1993 auf diese eingerechneten Schulden verwies und die von Dürr etc.
behaupteten „Einsparungen" durch die Bahnprivatisierung als unseriös enttarnte. Siehe „bessere bahn", Nr. 2,
Köln, Oktober 1993; „Handelsblatt", 12.6.1993, S. 8.
7) Karlheinz Rößler, Magnetbahn Transrapid - Das bessere Verkehrssystem?, in: „Bauwelt", 12/1989. In bezug auf
den Vergleich Transrapid - ICE kam die zitierte unterdrückte Kritik aus dem Bundesbahnmanagement zum
gleichen Schluß. Diese führt hier auch „das äußerst geringe Gewicht ... infolge der Verlagerung der
Antriebsmotoren in der Form des Linearmotors in die Fahrbahn" an und debattiert die Möglichkeit einer vergleichbaren
Technik im Rahmen des Rad-Schienen-Systems, eine „weiterentwickelte Eisenbahn“. Interessanter scheint hier
allerdings der Verweis zu sein, daß die Bundesbahn mit der Einführung von Doppelstockwagen auch in
Schnellzügen die Energiekosten je Platz um „30 bis 40 Prozent" reduzieren könne, was beim Transrapid-System
nur mittels einer „erheblichen Vergrößerung des Fahrzeugquerschnitts und damit des Luftwiderstands" machbar
sei. Nach: Die Transrapid-Kritik blieb ungedruckt ..., a. a. O. (Anm. 2).
8) M. Weiss, M. Spitzner. Argumente gegen die Stelzenbahn, hrsg. v. den Grünen im Bundestag, Bonn, August
1990. Winfried Wolf
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