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Der Hochgeschwindigkeitsverkehr auf der Schiene hat bereits heute einen wichtigen Stellenwert
eingenommen. In den nächsten Jahren wird
dieser durch neue Strecken und neue Fahrzeugentwicklungen noch steigen. Auch das große
Interesse der herstellenden Industrie belegt, daß es
sich um einen Wachstumsmarkt handelt. An Berlin wird diese Entwicklung
nicht spurlos vorübergehen. Deutlich wird dabei: durch den Ausbau des
vorhandenen Netzes ist es heute schon möglich, ein Mehr an Fahrgästen
mit einem wirtschaftlich vertretbaren Finanzeinsatz auf der Schiene zu
befördern. Bietet somit der Schienen-Hochgeschwindigkeitsverkehr eine
sinnvolle Alternative zum Transrapid?
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Internationales Treffen von Hochgeschwindigkeitszügen anläßlich der Eurorailspeed-Kongreses, Anfang Oktober 1995 in Lille - hier: Eurostar, AEV (Spanien) und ICE, ein TGV Reseau im Hindergrund; Foto: J. Paschen |
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ETR 460 aus Italien; Foto: J. Paschen |
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ETR 500 (Italien) und TGV Duplex (Frankreich). Foto: J. Paschen |
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Vergleicht man die Entwicklungen der einzelnen europäischen Länder, rangiert
Deutschland im Mittelfeld. Führend sind natürlich die
Französischen Staatsbahnen (SNCF), die einen Vorsprung durch den TGV von etwa 10
Jahren haben; seit 1983 hat sich der TGV dort
im Einsatz bewährt und wurde kontinuierlich
weiterentwickelt. Die SNCF halten dabei an
ihren „Triebkopf-Konzept" fest, das nur starre Einheiten vorsieht, die auch nicht auf
Teilstrecken zusammengekuppelt werden können.
Nach den Erfahrungen, die die DB AG mit
dem ICE 1 gesammelt hat, geht man hier
teilweise andere Wege. Das erwähnte „Triebkopf-Konzept" der SNCF wurde vom TGV
auf den ICE 1 übernommen und wird auch
noch beim ICE 2 beibehalten. Aber bereits ab
1998 wird der ICE 2.2 ausgeliefert, der Fahren im Zugverband zuläßt. Alle technischen
Einrichtungen sind unter dem Wagenfußboden
angeordnet und lassen somit das Bilden unterschiedlicher Zugeinheiten zu. Ab 1998 soll
der ICE 2.2 auch von Berlin nach Hannover
und weiter bis Amsterdam fahren. Ab ca.
1999 dann folgt eine weitere Entwicklungsstufe.
Für die Verbindung Berlin-Prag-Wien soll
mit einer Höchstgeschwindigkeit von 230 km/h der ICT zum Einsatz kommen. Der ICT
entspricht dem ICE 2,2, die Wagenkästen
lassen sich aber in Kurven zur Seite neigen. In
engen Kurven kann dann eine höhere Geschwindigkeit gefahren werden. Berlin steht
also eine sprunghafte Qualitätsverbesserung
bevor.
Um den Vorteil des Flugzeugs wettzumachen. ist ein europäisches Hochgeschwindigkeitsnetz
geplant, in dem die nationalen Züge
grenzüberschreitend verkehren sollen. Entsprechende Planungen der Europäischen Union sollen bis
2010 verwirklicht werden. Angesichts der grassierenden Geldknappheit ist
aber bereits heute äußerst fraglich, ob diese
ehrgeizigen Pläne aus dem Jahre 1990 im
Zeitraum von 20 Jahren verwirklicht werden
können, denn für dieses ehrgeizige Netz wurden mit Preisstand 1990 bereits 200 Mrd.
ECU (1995: ein ECU = DM 1,88) veranschlagt. Die Planungen der SNCF sehen für
die nächsten Jahre vor: Paris-Mailand 1996,
Paris-Amsterdam 1996, Paris-Köln 1997, Paris-Straßburg-Deutschland ab 2000. Bei der
SNCF ist sogar ein Doppelstock-Hochgeschwindigkeitszug fertiggestellt, der ab 1996
zum Einsatz kommen soll. Auch die DB AG
plant ein umfangreiches Netz von Hochgeschwindigkeitslinien: 1997 Berlin-Hannover-Köln,
1998 Berlin-Hannover-Amsterdam,
1998/9 Berlin-Prag-Wien und Köln-Brüssel-Paris, Nach 2000: Frankfurt-Straßburg-Paris.
Für die Fahrgäste ist die Inneneinrichtung
wichtig. Hier geht die Entwicklung, auf Abteile zu verzichten, an den Fahrgastinteressen
zum Teil vorbei. Die enge Anlehnung an die
Großraumgestaltung beim Flugzeug wäre vielleicht nicht nötig geworden, wenn die
Konstrukteure die Vorteile und positive Annahme
der Abteillösung bei den meisten Fahrgästen
bedacht hätten. In den Neuentwicklungen der
DB AG sind - wie auch bei den anderen
europäischen Entwicklungen - immer noch
die Großraumabteile vorherrschend. Derjenige Fahrgast, der geme einen Fensterplatz
reserviert, sitzt im Großraum häufig an der
Wandteilung und nicht am Fenster.
Hochgeschwindigkeitsverkehr lohnt scheinbar wirtschaftlich nur, wenn an wenigen
Orten gehalten wird. Hier liegt deshalb eine aus
Fahrgastsicht nicht zu unterschätzende Gefahr. Anscheinend unwirtschaftliche Halte
werden zugunsten einer Einsparung von zwei
bis drei Minuten gestrichen. Die Folge: die
Bahn fährt den Fahrgästen davon. Hier muß
abgewogen werden, ob durch einen verbesserten Regionalverkehr, der dann als
Zubringer zum nächstgelegenen ICE-Halt fährt, tatsächlich für die Fahrgäste keine allzu große
Verschlechterung eintritt. Ein konkretes Beispiel für die eingeengte wirtschaftliche
Denkweise der DB AG liefert der Bahnhof Wannsee. Hier wurde mehrmals versucht, alle
ICE-Züge durchfahren zu lassen. Das Fahrgastpotential im Berliner Südwesten lohnte
angeblich einen zusätzlichen Halt in Wannsee
nicht. Und sicherlich wird, da ab 17.12.1995
der ICE auch in Potsdam Stadt hält, wieder
versucht werden, Wannsee zugunsten einer
scheinbaren Einsparung von zwei bis drei
Minuten aufzulassen. Hier sind die Fahrgäste
und Politiker gefragt, solchen Bestrebungen
der DB AG früh und energisch entgegenzutreten. Denn die durch die Streichung von Halten
gewonnene Fahrzeit wird den Fahrgästen doppelt und dreifach zugemutet.
Ein attraktiver Hochgeschwindigkeitsverkehr, gleich ob national oder intemational,
setzt immer auch ein funktionierendes und
attraktives Nahverkehrsnetz voraus. Der große Vorteil des Hochgeschwindigkeitsverkehrs
mit dem heutigen Rad-Schiene-System begründet sich in der Tatsasche, daß er das
vorhandene Streckennetz voll nutzen kann.
Schon allein aus diesem Grund erscheint es
vernünftig, auf die staatliche Beteiligung an
einer Magnetschwebebahn zu verzichten und
alle vorhandenen Potentiale in den kontinuierlichen Aus- und Neubau des Schienennetzes zu stecken. IGEB
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