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Dem Verkehrsplaner zufolge flossen im
Berechnungsjahr 1985 trotz Fahrgeldeinnahmen der BVG von 547 Mio. DM
zusätzlich 911 Mio. DM in den öffentlichen Nahverkehr. Das ist zugegebenermaßen viel Geld.
Doch die gesamtwirtschaftlichen und sozialen Kosten des privaten Berliner Pkw-Verkehrs
betrugen im selben Jahr unter
Anrechnung der Kfz- und Mineralösteuerabgaben von 490 Mio. DM dennoch stolze
1,490 Milliarden DM. Das
entspricht einem Kostendeckungsgrad
von schlappen 75 Prozent gegenüber
gut 37 Prozent bei der BVG! Apel
verfiel auf das Nächstlirgende, nämlich
einmal die von der Allgemeinheit zu
tragenden indirekten Folgekosten des
MIV zu ermitteln. Laut dem DlfU-Forscher müssen hierzu hauptsächlich die
exorbitanten Umweltschäden durch
Lärm oder Dreck gezählt werden, die
er für 1985 mit etwa 830 Mio. DM bezifferte. Doch in der Studie werden
noch eine ganze Reihe verkehrlicher
Ausgaben primär dem Konto des privaten Pkw-Verkehrs zugeschlagen. Auf
das Basisjahr bezogen berechnete der
Forscher Kosten des Neubaus oder der
Unterhaltung von Straßen und von
Park·Garagen in Höhe von 340 Mio.
bzw. 80 Mio. DM. Es folgt ein hochgerechneter Betrag von 410 Mio. DM für
die Inanspruchnahme von Straßen,
Wegen und Plätzen. Als Folgekosten
der Verkehrsunfälle führte Apel weitere 280 Mio. DM auf. Schließlich
veranschlagte der Wissenschaftler für
die erhöhten betriebswirtschaftlichen
Aufwendungen, die der BVG wegen
der Behinderung von Bussen, beispielsweise durch Falschparker, entstehen, immerhin 120 Mio. DM.
Einschließlich der quantifizierten
Umweltschäden und der in Rechnung
gestellten Flächeninanspruchnahme
lostet der gesamte Pkw-Verkehr innerhalb West-Berlins jährlich rund 4,5
Milliarden DM, .. so die DItU·Studie.
Die Kosten des ÖPNV zum Vergleich:
Rund 1,5 Milliarden DM pro Jahr. Dieter Apels Resümee: “Ein besonderer
ökonomischer und ökologischer Mißstand ist es, daß das aufwendigere und
umweltschädlichere Verkehrssystem -
der Pkw-Verkehr - noch stärker als der
umweltverträglichere ÖPNV subventioniert wird."
Den Prinzipien der Marktwirtschaft
entspreche aber eigentlich, daß die
Kosten des Nahverkehrs durch die
verursachenden Verkehrsträger jeweils
voll getragen werden. Freilich hält auch
Apel einen der Forderung adäquaten
Aufschlag auf die Mineralölsteuer für
eine Utopie, denn: "... dann müßte der
gegenwärtige Steuersatz um rund das
Fünffache angehoben werden. Der
Benzinpreis würde auf mehr als 3,--
DM pro Liter ansteigen?"
Konkret schlägt der Forscher als ersten Schritt hin zu einer Bevorzugung
des öffentlichen Nahverkehrs die glatte
Verdoppelung der Kfz- und Mineralölsteuern vor. Die in einem Szenario
"ÖVFF" ("Vorrang für den ÖPNV
den Fahrrad- und Fußgängerverkehr")
beschriebenen positiven Folgen für die
Zukunft: Ein Drittel der fronststädtischen Autokutscher steigen bei
entsprechenden verkehrlichen Rahmenbedingungen mehr oder weniger zähneknirschend aufs
Fahrrad oder die
BVG um - und dies sogar bei im wesentlichen unveränderten BVG-Tarifen.
Apel: "Der Pkw hätte dann einen Verkehrsanteil, wie er etwa in Paris oder
London besteht." Heute, so der Planer,
liegt der Anteil der Autofahrer am Gesamtverkehr in Berlin höher als in diesen
und anderen Weltstädten. Prognostiziert wird weiter eine analoge Abnahme
der von Autofahrern verursachten Umweltschäden und der Unfallfolgekosten um ebenfalls ein Drittel.
Auf dieser Basis rechnet Apel in dem
Szenario mit einem Rückgang der Kosten des automobilen lndividualverkehrs in der
Stadt um rund 900 und
beim ÖPNV mit einer Erhöhung um
180 Mio. DM. Die geschätzten erhöhten Kosten der BVG könnten hierbei
aber voll durch vermehrte Fahrgeldeinnahmen abgedeckt werden.
Summa summarum würde der Berliner
Steuerzahler von der implizit vorgeschlagenen “Öko-Steuer" für Autofahrer
beträchtlich profitieren - vorausgesetzt, die Annahmen stimmen. Das optimistische Fazit des
vorgestellten Szenarios müßte jeden verantwortlichen
Finanzsenator zum Nachdenken bringen: "Die Gesamtkosten des Personenverkehrs in Berlin (West)
würden von
rund 6,0 Mrd. DM auf rund 5,2 Mrd.
DM gesenkt werden", heißt es in der
Studie abschließend. Und: "Die Subvention des Pkw-Verkehrs durch Staat
und Allgemeinheit würde von rund 1,5
Mrd. DM auf rund 0,6 Mrd. DM im
Jahr verringert.”
Zwischenzeitlich erhob der Berliner
Landesverband des Verkehrsclubs
der Bundesrepublik Deutschlands e. V.
(VCD) die Frage nach der Belastung
der Autofahrer mit den von ihnen verschuldeten Umweltschäden auch zu
einem seiner "Wahlprüfsteine". Dabei
sprach sich die SPD in ihrer Antwort
für eine stärkere Zurechnung der Kosten des MIV über die Kfz- und Mineralölsteuer aus.
Die AL wünschte
sich gar noch fiskalische Ergänzungen
zu dem von ihr wärmstens begrüßten
Steuererhöhungsvorschlag des DIfU-Forschers: Zum Beispiel durch eine
Entfernungs- statt Kilometerpauschale
beim Weg zum Arbeitsplatz, steuerliche Vergünstigungen beim Umbau auf
den Drei-Wege-Katalysator und Muß-Vorschriften zum Kat-Einbau bei Neuwagen.
Unverbindlicher äußerten sich
die FDP-Liberalen. Eine genaue Berechnung der Umweltkosten sei zur
Zeit noch nicht möglich, täuschten sie
eine Unkenntnis der DIfU-Studie vor.
Jedoch seien die Erhöhung der Benzinsteuer und die Einführung einer
Autobahnsteuer ebenso wie die Steuererleichterungen für abgasarme Kfz
Schritte in die richtige Richtung. Auf
stur schaltete trotz der Wahlkampfzeit
allein die CDU. Es wurde bezweifelt,
daß die "Gesamtheit der Zivilisationsschäden" überhaut exakt differenziert
und beziffert werden könnte, um dem
Ziel einer gerechten Umlage der Kosten nahezukommen.
Thomas Knauf
Freier Journalist
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