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IGEB: Nach der neuen Vereinbarung zwischen Reichsbahn und Senat, die den alten Vertrag über den
Südgüterbahnhof ersetzt hat, scheint
der Fertigstellung des Autobahn-Südringes am Sachsendamm nichts
mehr im Wege zu stehen. Umstritten ist aber noch die Ausführung.
Wie ist der Verfahrensstand?
Saager: Der Verfahrensstand ist,
daß die Hauptverwaltung mit drei
Alternativen ins Verfahren gegangen ist, drei Alternativen, die alle
davon ausgingen, daß die Autobahn in relativer Tieflage neben
den Sachsendamm gelegt wird. Sie
unterscheiden sich eigentlich nur
hinsichtlich der Breite des zwischen
diesen beiden Trassen liegenden
Mittelstreifens. Wir hatten einen
anderen Vorschlag ins Verfahren
eingebracht: Autobahn in etwas
stärkerer Tieflage, den Sachsendamm obendrauf legen in diesem
Teilabschnitt. Dazu ist uns gesagt
worden: technisch möglich, aber
Probleme gibt; es mit dem Grundwassser, weil die Tieflage stärker
sei, als bisher vorgesehen, und bei
den Anschlüssen zu den bestehenden Strecken. Probleme gibt es außerdem während der Bauphase mit
dem Verkehr: die seien nur behebbar, wenn man den Autobahntunnel in zwei Teilabschnitten
baut. Das sei dann kostenaufwendig, wobei aber die Kosten bisher
nicht quantiliziert worden sind.
Uns ist zugesagt worden - darauf
haben wir auch bestanden -, daß
wir eine schriftliche Rückäußerung bekommen zu den technischen Bedenken und zu den
Kostenfolgen unserer Lösung. Die
liegt bisher nicht vor. Insoweit
gehen wir davon aus - und das ist
auch zugesagt worden -, daß unsere Lösung weiter im Verfahren ist.
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Soll es so werden? Die fertiggestellte Autobahn östlich der Bahn vermittelt eine Vorstellung vom Flächenbedarf der Senatslösung. |
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Nun ist nachträglich noch eine andere Lösung ins Verfahren gekommen, die von lnitiativgruppen am
Gleisdreieck und Naturpark Schöneberg getragen und wohl auch
von der AL übernommen werden
wird. Dies ist das sogenannte
Damm-Durchpreßverfahren, d.h.,
daß die jeweiligen Tunnelabschnitte außerhalb gebaut werden und
dann durch den Bahndamm geschoben werden, so daß der Sachsendamm in der jetzigen lage
verbleibt, die Autobahn in zwei
Fahrbahnen aufgespalten wird
und die beiden Fahrbahnen der
Autobahn dann links und rechts
vom Sachsendamm durch den S-Bahn-Damm durchgepreßt werden.
Sie berufen sich auf ein Bochumer Beispiel. Dazu gibt es
auch eine Aussage vom Bausenator: es soll erstens technisch hier
nicht anwendbar sein - was ich nicht
beurteilen kann - und zweitens
noch erheblich teurer sein. lch
sehe darüber hinaus noch folgendes Problem: die beiden vorhandenen Fahrbahnen der Autobahn,
die von Tempelhof kommen und
relativ eng zusammenliegen, müssen vor dem Bahndamm auseinandergezogen werden, so daß wir
einen sehr breiten Verkehrsbereich
vor dem Bahndamm bekommen
würden. Jedenfalls hat diese Lösung auch in den Koalitionsverhandlungen eine Rolle gespielt.
IGEB: Wie würden Sie dem Einwand der Bausenattors begegnen,
daß die Schöneberger lösung für
eine bestimmte Zeit praktisch zur
Lahmlegung des Verkehrs auf dem
Sachsendamm führen würde und
daß sie schon von daher ausgeschlossen sei, selbst wenn sie technisch möglich ist?
Saager: Nach meiner Kenntnis ist
es möglich, eine Durchfahrung
aufrecht zu erhalten, wenn man
diesen Tunnel jeweils halbseitig
baut. Das ist ein Kostenproblem.
Eine Umleitungsstrecke über die
Schöneberger Insel wird nicht
möglich sein. Die Kolonnenstraße
ist auch sehr schnell zu. Und die
Langenscheidtstraße wird zwar
demnächst geöffnet werden, so
daß da eine kleine Entlastung herkommt, aber ich denke, ein totaler
Verzicht auf die Durchfahrbarkeit
in dem Bereich, das wird in der
Tat wohl nicht mögich sein.
IGEB: Sehen Sie eine Möglichkeit,
daß die Verkehrseinschränkungen
durch die Bauarbeiten soweit rausgeschoben werden, bis eine erste
Teilstrecke des S-Bahn-Südrings in
Betrieb ist?
Saager: Möglich ist alles, nur ob
man dafür eine Akzeptanz herstellen kann, muße ich bezweifeln. lch
kann mir nicht so recht vorstellen,
daß ein neuer Senat die Diskussion
über eine weitere Zurückstellung
dieser Maßnahmen führen möchte.
Die Frage ist nur, und das war der
Streitpunkt: 1. Müssen die Brücken weg? Und 2.: War es sinnvoll,
diese Rodungsarbeiten jetzt schon
vorzunehmen? Dagegen hatte auch
ich mich gewandt mit dem Argument: der Planfeststellungsbeschluß wird frühestens am Ende
des Jahres vorliegen, d.h. ein echter Baubeginn ist erst im Frühjahr
nächsten Jahres möglich, d,h. es
wäre durchaus denkbar gewesen,
die Bäume - wenn’s denn erforderlich ist - erst abzuholzen nach dem
15.Oktober diesen Jahres, also in
der vegetationslosen Zeit. Insoweit
ist der Zeitdruck, nur zu erklären
aus der Haltung des alten Senates,
der nochmal ein bißchen Stärke
markieren wollte.
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Herr Uwe Saager (SPD), Baustadtrat |
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IGEB: Und was wird jetzt aus den
bisher für den Südgüterbahnhof vorgesehenen Flächen? Gibt es konkurrirende Nutzungrüberlegungen, und
muß möglicherweise wegen vermuteter Munirion die gesammte Vegetation erst einmal abgeräumt werden?
Beispiele hierfür hat es auf dem Gelände Anfang der 80er Jahre ja
schon gegeben.
Saager: Unsere Planungsvorstellungen sind folgende: Wir haben
Bebauungspläne im Verfahren zur
Sicherung der vorhandenen Kleingärten westlich der Bahn bis heran
an die S2. Dort werden Flächen,
die bereits abgeräumt wurden, wieder parzelliert. Weitere Nutzungen
wie kleinere Sportflächen und ein
Kinderbauernhof sollen hinzukommen. Für das Gebiet östlich
der S-Bahn, also den Bereich der
als Naturpark vorgesehen ist, gibt
es bisher keine Planungvorstellungen. Wir werden versuchen, das
Bebauungsplanverfahren auf diese
Flächen auszuweiten und sie für
diesen Zweck zu sichem. Vorstellung ist, dort nicht einen Naturpark
anzulegen, sondern die vorhandenen Flächen als solche zu erhalten
und behutsam zugänglich zu machen. lnwieweit die Munitionssuche eine Rolle spielt, hängt
auch davon ab, wie weit man öffnet. Wir wollen dort jedenfalls behutsam entwickeln, was da ist, und
nicht neu gestalten. Kontrovers
wird sicherlich noch sein, ob man
sich auf die Fläche beschränkt, die
im Flächennutzungsplan für Grün
ausgewiesen ist. Sie wissen, daß
östlich davon, in Richtung auf das
Reichsbahnausbesserungwerk eine
Nutzung als "Bahn-Gewerbegebiet"
vorgesehen ist. Dagegen hat sich
der Bezirk Schöneberg im Verfahren zum Flächennutzungsplan gewandt und gefordert, daß diese
Flächen mit in die Überlegungen
für den Naturpark einbezogen werden sollten. Bahn-Gewerbe heißt
Ansiedlung von Speditionen, z.B.
als Esatzllächen für das, was auf
dem Potsdamer und Ahalter Bahnhof wegfällt. Dies würde auch eine
große Abräumung bedeuten, und
die Natur ist nicht nur auf den jetzt
als Grün vorgesehenen Flächen
vorhanden, sondem auch in diesen
Bereichen. Man wird sehen, ob wir
uns in Hinsicht auf eine Erweiterung des Naturparks durchsetzen
können.
IGEB: Überraschend war, daß bei
den Verhandlungen mit der DR soweit die
Protokollvermerke wurden, das Thema Westtangente/Nord-Süd-Straße und der
Autobahndurchstich durch die Ringbahn, wovon ja auch Gleise der DR
betroffen wären, keinerlei Rolle gespielt haben.
Saager: Das lag schlichtweg daran,
daß der Senat die Durchführungsplanung im Norden begonnen hat.
Wir können im Bereich Tempelhofer Weg auf der vorgesehenen
Trasse eine provisorische Unterkunft für Aussiedler bauen mit
der Zusage, daß sie fünf Jahre stehenbleiben kann.
IGEB: Wenn man sich die Geschichte der Westtangentenplanung
ansieht, so ist diese sehr wechselhaft:
Eine Zäsur war die Aufgabe der Planung 1981 durch den Senat unter
Hans-Jochen Vogel. Die CDU hat
die Westtangente unter neuem Namen wieder auf die Tagessordnung
gebracht, und nun steht sie wieder
zur Disposition. Sind Wege einer
langfristigen Verhinderung, etwa
durch Änderung des Flächennutzungsplanes, aber auch durch neue
Nutzungen auf der Trasse denkbar.
Saager: Es ist erklärte Absicht, daß
nicht insgesamt der Flächennutzungsplan neu aufgestellt werden
soll, aber daß man Teilbereiche
ändern wird. Dies müßte sowohl
die Verschwenkung der S-Bahn wie
auch die Straße umfassen. Aber
auch solche Veränderungen sind
natürlich keine Garantie, daß so
etwas nicht wieder hochkommen
kann. Ich meine aber, wenn es gelingt, die Straße jetzt erst mal ad
acta zu legen und mindestens eine
Legislaturperiode verstreichen zu
lassen, dann hat sich bis dahin auch
in der CDU eine andere Sicht von
innerstädtischer Verkehrspolitik
durchgesetzt, so daß ich mir nicht
vorstellen kann, daß die Westtangente noch einmal auf die Tagesordnung kommt.
IGEB: Welche Konsequenzen hat
der Verzicht auf die Westtangente
auf die Verkehrsplanung im Umfeld,
soweit es Schöneberg betrifft, z,B.
Ausbau der Yorckstraße?
Saager: Die Yorckstraße wird sicherlich in der jetzigen Dimensionierung erhalten bleiben. An der
Langenscheidtstraße wird sich
auch nichts verändern. Die Kolonnenstraße ermöglicht wegen des
engen Ouerschnitts und der Bebauung keine Erweiterung. Ich erwarte
eine gewisse Entlastung durch die
Lückenschließung am Sachsendamm. Aber die entscheidende
Entlastung wird erst kommen,
wenn man auf die öffentlichen
Verkehrsmittel umsteigt. Alles
andere ist durch noch so viel Straßenbau nicht zu erreichen. Wir sollten deshalb auch nicht mehr
Straßen bauen, sondern deutlich machen, daß wir in eine andere Richtung wollen.
IGEB: Fortsetzung mit der S-Bahn.
Aus den Koalitionsverhandlungen
hört man, daß die Verschwenkung
der S2 auf die Trasse der Wannseebahn "gestorben" sei. Was bedeutet
das für die Planung und den Bau
vom S-Bf Kolonnensrraße?
Saager: Ob sie "gestorben" ist,
kann ich nicht bestätigen. Ich würde begrüßen, wenn es so wäre,
weil ich - in Abwägung aller Probleme - nicht habe einsehen können, daß der verkehrliche Nutzen
einer solchen Verschwenkung die
Nachteile überwiegen könnte.
Nachteile sehe ich einmal darin,
daß die vorhandene S-Bahn-Strecke
mit der Option für einen S-Bahnhof Dudenstraße endgültig aufgegeben würde, und Nachteile sah
ich bisher auch darin, daß daduch
der Weg für die Westtangente geebnet wurde. Der dritte Nachteil
war der Kostenfaktor. Ich habe
nicht einsehen können, weshalb
hierfür ca. 300 Mio. DM aufgewendet werden sollten, obwohl
nicht die Mittel da sind, die S-Bahn insgesamt in Betrieb zu nehmen. Die Auswirkungen auf die
Planung des S-Bahnhofs Kolonnenstraße sind aus unserer Sicht interessante und wünschenswerete, weil
wir dann von dem viergleisigen Betrieb wegkommen würden. Wir haben Interesse daran, weil wir
erstens das vorhandene Grün erhalten und zweitens die Grüntangente
realisieren wollen. Bei vier Gleisen ist dies nicht möglich, und eine
Julius-Leber-Brücke mit gößerer
Spannbreite ist zwar denkbar, aber
kurzfristig nicht realisierbar. Ich
meine, daß jetzt eine klare, rasche
Entscheidung für den zweigleisigen Bau und gegen den Umsteigebahnhof erfolgen sollte, dies
würde Kosten sparen, das Grün erhalten und die Grüntangente ermöglichen.
IGEB: Wann könnte ein zweigleisiger Bahnhof Kolonnenstraße mit
nur einem Mittelbahnsteig realisiert werden?
Saager: Das Planfeststellungsverfahren ist eigentlich abgeschlossen,
es liegt nur noch kein Beschluß
vor. Baubeginn soll nach Aussagen des Bausenators im Herbst diesen Jahres sein. Inwieweit ein
Verzicht auf einen viergleisigen
Ausbau nun zu einer Straffung
führen könnte, kann ich nicht sagen, aber zwei Jahre Bauzeit werden es wohl sein.
IGEB: Bestehen denn jetzt unter den
veränderten Vorzeichen - also einfacher Mittelbahnsteig - noch Chancen, den 1. Preis zu realisieren?
Saager: Ich würde es sehr wünschen, weil ich den ersten Preis für
einen sehr gelungenen Entwurf
für ein Bahnhofsgebäude gehalten
habe. Ich bin der Aulfassung, daß
sich auch der Öffentliche Nahverkehr repräsentieren darf. Der Entwurf mit Anklängen an die 20er
Jahre hat mir sehr gefallen ...
IGEB: ... auch zur Aufwertung des
Gebietes?
Saager: ... auch zur Aufwertung
des Gebietes. Das Bauwerk ist
nicht überzogen, es ist ein sehr
technisches Bauwerk. Der Architekt Maedebach wird sicherlich in
der Lage sein, den Entwurf entsprechend umzustellen. lch hielte
es für sehr bedauerlich, wenn der
Entwurf völlig ad acta gelegt würde.
IGEB: Herr Saager wir danken Ihnen für das Gespräch. IGEB
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