Um das Ziel einer Reduzierung der Kohlendioxid-
Emissionen zu erreichen, muss auch
der Verkehrsbereich einen Beitrag leisten.
Dies gilt umso mehr, da künftig speziell im
Güterverkehr eine erhebliche Zunahme prognostiziert
wird.
Im Rahmen des vom Bundesministerium
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(BMU) geförderten Projektes „Elektromobilität
bei schweren Nutzfahrzeugen zur
Umweltentlastung von Ballungsräumen“
(ENUBA) war es Ziel zu untersuchen, wie sich
der Lkw-Verkehr energieeffizienter und umweltfreundlicher
gestalten lässt. Für dieses
Projekt wurden 2010/2011 über zwei Millionen
Euro an Fördergeldern investiert.
Im Rahmen des Projektes hat Siemens ein
ganzheitliches System für den elektrischen
fahrdrahtgebundenen Betrieb schwerer
Nutzfahrzeuge entwickelt; eine Teststrecke
wurde nördlich von Berlin in Groß Dölln in
der Uckermark errichtet. Bei den dort getesteten
Lkws handelt es sich um Hybridfahrzeuge,
die alternativ, d. h. für Strecken ohne
Fahrdraht, auch mit einem Dieselantrieb
ausgerüstet sind.
Insgesamt konnte die technische Machbarkeit
des Systems nachgewiesen werden.
Vorschläge des Sachverständigenrates für
Umweltfragen (SRU) nach einer Elektrifizierung
aller deutschen Autobahnstrecken
mit einer einstelligen Ordnungsnummer
ließen daher auch nicht lange auf sich
warten. Die Kosten dafür werden auf rund
14,25 Milliarden Euro (!) beziffert. Wo soll
dieses Geld aber herkommen? Etwa durch
Einsparungen beim Ausbau der Schieneninfrastruktur?
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Bahnhof Ratzeburg an der Strecke Lüneburg—Büchen—Lübeck. Im Rahmen der Realisierung der festen Fehmarnbelt-Querung können durch Elektrifizierung dieser Strecke Umwegfahrten über den hochbelasteten Bahnknoten Hamburg vermieden werden. Foto: Christian Schultz |
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Elektrifizierung von Autobahnen für den Lkw-Verkehr: Sollen derartige Pläne etwa durch Einsparungen beim Ausbau der Schieneninfrastruktur realisiert werden? Foto: Siemens-Pressebild |
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Mit Güter-Obussen hat man auch in Lemberg (Lwiw, Ukraine) schon experimentiert – offenbar mit wenig Erfolg. Foto: Kai-Uwe Thiessenhusen, Juli 2012 |
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Güterzug bei Königstein/Sächsische Schweiz. Der Schienenverkehr hat nach Angaben des Umweltbundesamtes seinen Umweltvorsprung in den Jahren 2000 bis 2011 im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln noch vergrößert. Weiteres Potenzial ist vorhanden. Foto: Christian Schultz |
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Bahnhof Husum an der Bahnstrecke Hamburg—Westerland. Diese Strecke ist lediglich bis Itzehoe elektrifiziert. Zur Vermeidung von Umspannaufenthalten werden die Züge der Nord-Ostsee-Bahn auf der Gesamtstrecke mit Dieselloks befördert. Foto: Christian Schultz |
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Viele überregional wichtige Schienenstrecken
sind noch immer nicht elektrifiziert
Entsprechend einer Statistik der Allianz-Pro-
Schiene liegt der Elektrifizierungsgrad der
Eisenbahnstrecken in Deutschland mit gerade
einmal 58,8 Prozent zum Teil weit unter
dem anderer Staaten in Europa wie z. B.
Österreich (68,0 Prozent), Schweden (71,4
Prozent), Niederlande (76,1 Prozent) und
Schweiz (99,3 Prozent).
Während nun darüber debattiert wird,
die rechte Spur des Autobahnnetzes zu
elektrifizieren,
warten hierzulande bereits
seit etlichen Jahren unzählige wichtige
Ausbau- bzw. Elektrifizierungs-Projekte im
Bereich der Schieneninfrastruktur auf ihre
Realisierung, entsprechende Finanzierungsvereinbarungen
sind derzeit zum Teil überhaupt
nicht absehbar. Nachfolgend sind nur
einige dieser Projekte aufgeführt:
Berlin—Szczecin (Stettin)
Hohe Priorität haben in dieser Relation der
zweigleisige Ausbau und die Elektrifizierung
zwischen Passow und Szczecin-Gumience
(lediglich 40 km !) sowie ein durchgängiger
Ausbau der Strecke Berlin—Szczecin für 160
km/h. Der dafür notwendige Staatsvertrag
wurde noch immer nicht abgeschlossen.
Lüneburg—Büchen—Lübeck
Mit der Realisierung der festen Fehmarnbelt-
Querung müssen die Zulaufstrecken sowohl
auf deutscher als auch auf dänischer Seite
ausgebaut bzw. elektrifiziert werden. Mit
der direkten Führung durchgehender Züge
in/aus Richtung Süddeutschland über eine
elektrifizierte Strecke Lüneburg—Büchen—
Lübeck könnten Umwegfahrten über den
bereits heute hoch belasteten Bahnknoten
Hamburg vermieden und zudem noch Fahrzeitverkürzungen
realisiert werden. Durch
einen sukzessiven zweigleisigen Ausbau
dieser Strecke kann die Kapazität noch deutlich
gesteigert werden.
(Bremen—) Langwedel—Uelzen
Der Ausbau bzw. die Elektrifizierung dieser
Strecke hat schwerpunktmäßig im Seehafen-
Hinterlandverkehr zwischen Bremerhaven
bzw. dem neuen Tiefwasserhafen
JadeWeserPort und Polen bzw. Tschechien
Bedeutung. Das Ergebnis der Bedarfsplanüberprüfung
2010 hat diesem Projekt jedoch
kein positives volkswirtschaftliches
Ergebnis bescheinigt, weshalb es zurzeit
auch nicht mehr weiter verfolgt wird. Ein
ernsthaftes Bemühen, mehr Verkehre als
bisher energieeffizient über die Schiene abzuwickeln,
ist hier nicht zu erkennen.
(Berlin—) Wustermark—Oebisfelde
Zur kapazitiven Erweiterung wurden der
zweigleisige Ausbau und die Elektrifizierung
der Stammstrecke der Lehrter Bahn
bereits in den Bundesverkehrswegeplan
2003 aufgenommen, verbunden mit einer
Geschwindigkeitserhöhung auf 160 km/h.
Die Realisierung lässt aber weiter auf sich
warten.
Cottbus—Görlitz und Dresden—Görlitz
Beide Strecken haben für die Beschleunigung
sowohl des internationalen Personenals
auch Güterverkehrs hohe Bedeutung,
u. a. in der Relation Berlin—Wrocław (Breslau).
Ein Realisierungstermin ist aber auch
hier offen.
Hof—Marktredwitz—Regensburg und
Nürnberg—Marktredwitz—Schirnding—
Grenze Deutschland/Tschechien
Während die Strecke zwischen Reichenbach
und Hof, unterstützt durch EU-Mittel,
bis Ende 2013 endlich elektrifiziert wird,
gibt es für die weiterführende Elektrifizierung
lediglich für die Strecke Hof—Nürnberg
unverbindliche Absichtserklärungen.
Die Planungen müssten hier eigentlich
mittlerweile soweit fortgeschritten sein,
dass dieses Projekt spätestens nach Fertigstellung
der Elektrifizierung zwischen
Reichenbach und Hof ohne Zeitverzug
fortgeführt werden kann. Auch die Elektrifizierung
des Abschnitts Hof—Regensburg
ist nicht minder wichtig. Dieser Abschnitt
ist ein wichtiges Kernelement für den
geplanten Ostkorridor Hamburg—Uelzen—
Stendal—Leipzig—Hof—Regensburg—
Passau bzw. München. Mit dieser
Ausbaumaßnahme würden für den Schienengüterverkehr
endlich eine leistungsfähige
Alternativroute bzw. zusätzliche Kapazitäten
zu heute bereits stark belasteten
Strecken im Seehafen-Hinterlandverkehr
geschaffen werden.
Ulm—Friedrichshafen—Lindau und
(München—) Geltendorf—Lindau
Die Planungen für die Elektrifizierung sind in
diesen Relationen zwar weit vorangeschritten,
mit der Fertigstellung ist jedoch voraussichtlich
nicht vor Ende 2016 (Geltendorf—
Lindau) bzw. 2017 (Ulm—Lindau) zu rechnen.
(Hamburg—) Itzehoe—Westerland
Unverständlich ist auch, warum auf der
Marschbahn Hamburg—Westerland die
Fahrleitung noch immer im Bahnhof Itzehoe
endet und die zum Teil schweren Reiseund
Autotransportzüge mit Dieselloks nach
Westerland (Sylt) befördert werden müssen.
Unnötige Umspannaufenthalte, daraus resultierende
zusätzliche Betriebskosten und
entsprechende Fahrzeitverluste für den
InterCity-Verkehr gehören ebenfalls zu den
negativen Folgen.
Die Liste ließe sich noch fortsetzen. Doch
bereits mit der Realisierung der genannten
Elektrifizierungsprojekte würden die Wettbewerbsfähigkeit
und die Umweltverträglichkeit
des Schienenverkehrs erheblich
verbessert werden. Völlig unverständlich ist
deshalb die Haltung des Bundes, beim Ausbau
der Elektromobilität vorrangig auf den
Straßenverkehr zu setzen.
Verschwendung von Steuergeldern
durch falsche Prioritätensetzung
Das Nebeneinander von Investitionen in den
Fernstraßenbau (künftig möglicherweise
auch die Elektrifizierung von Autobahnen)
und den Ausbau der Schienenwege zeigt die
Konzeptionslosigkeit der Bundespolitik und
ist in dieser Form kaum finanzierbar. Hinzu
kommt die Prioritätensetzung auf extrem
kostenträchtige Großprojekte wie „Stuttgart
21“, die viele der beschriebenen Verbesserungsmaßnahmen
im Bereich der Schieneninfrastruktur
letztlich verhindern.
Ziel muss angesichts der sich verschärfenden
Energie- und Klimaproblematik eine konsequente
Verlagerung langlaufender Verkehre
auf die Schiene sein. Unabhängig von den
Überlegungen, Autobahnen zu elektrifizieren,
bleibt der Vorteil des Schienenverkehrs bezüglich
der Energieeffizienz schließlich bestehen.
Im Gegensatz zu den bislang in Deutschland
verkehrspolitisch dominierenden „Weiter-
so-Debatten“ setzt das EU-Weißbuch
Verkehr vom März 2011 erfreulicherweise
deutliche Akzente zugunsten eines ressourcenschonenden
Verkehrssystems. Als
wesentliches Ziel wurde in benanntem
Grundsatzpapier ausdrücklich die stärkere
Nutzung energieeffizienterer Verkehrsträger
formuliert, so beispielsweise mit folgender
Aussage:
„30 Prozent [!] des Straßengüterverkehrs über
300 km sollten bis 2030 auf andere Verkehrsträger
wie Eisenbahn- oder Schiffsverkehr verlagert
werden, mehr als 50 Prozent [!] bis 2050,
was durch effiziente und umweltfreundliche
Güterverkehrskorridore erleichtert wird. Um
dieses Ziel zu erreichen, muss auch eine geeignete
Infrastruktur geschaffen werden.“
Bezüglich des weiteren Ausbaus des Personenverkehrs
wird in dem Weißbuch darüber
hinaus die Vollendung eines europäischen
Hochgeschwindigkeitsnetzes bis 2050 genannt.
Diesen Rahmenbedingungen muss
der künftige Ausbau der Schieneninfrastruktur
Rechnung tragen. Das EU-Weißbuch
Verkehr muss daher auch Grundlage für die
laufenden Planungen des nächsten Bundesverkehrswegeplans
sein. Hier ist auch
die deutsche Verkehrspolitik gefordert, ihre
„Hausaufgaben“ endlich zu erledigen. Deutscher Bahnkunden-Verband
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