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Tarifverbund für Groß-Berlin und Umland

Seit dem 1. Januar 1990 ist für West-Berliner und Gäste der Stadt Realität, was bis vor kurzem noch absolut unvorstellbar war: Man kann nun mit allen BVG-Fahrscheinen und -Zeitkarten auch die U-Bahnen, Straßenbahnen und Busse der Ost-Berliner Verkehrsbetriebe (BVB), die Straßenbahnen und Busse des Verkehrskombinates Potsdam (VKP), die Busse im Ortsverkehr Teltow/Kleinmachnow/Stahnsdorf und die S-Bahn der Deutschen Reichsbahn einschließlich der lokbespannten Nahverkehrszüge, die im S-Bahn-Tarifgebiet verkehren, benutzen. Und voraussichtlich zum 1. April soll auch in der DDR eine übertragbare Umweltkarte eingeführt werden, die dann ebenfalls im gesamten Netz, also auch auf den BVG-Linien, gilt.

Die Anerkennung aller BVG-Fahrausweise auf fast allen Nahverkehrslinien in Ost-Berlin und im Berliner Umland ist eine Verbesserung, die in der Öffentlichkeit gar nicht in gebührendem Maße gewürdigt wurde. Auch Senat und BVG haben dieses Ereignis bisher kaum angemessen "verkauft". Dabei ist es sicher ähnlich bedeutend, wie die Einführung der übertragbaren Umweltkarte zum 1. Oktober 1989, die mit viel Werbung und großem Medienecho erfolgte.

Linienplan
Zeichnung: BVG 1/90

Benachteiligt sind bisher noch die DDR-Bürger. Nachdem sie bis Ende 1989 die BVG-Verkehrsmittel kostenlos benutzen konnten, müssen sie nun stets zahlen. Wegen des Preisgefälles und der strukturellen Unterschiede bei den Tarifen in West und Ost werden ihre Fahrkarten von der BVG nicht anerkannt. Sie haben, um ihre knappen DM-Bestände zu schonen, lediglich die Möglichkeit, in der DDR im Vorverkauf Fahrausweise der BVG gegen Mark der DDR zu erwerben. Diese kosten 2,- Mark bei zwei Stunden und 5,- Mark bei 24 Stunden Gültigkeitsdauer, ermäßigt jeweils die Hälfte. Wiederholt wurden diese Preise von DDR-Bürgern als zu hoch kritisiert. Nun können diese sicher nicht erwarten, daß sie die BVG ebenfalls zum Dumping-Preis von 20 Pfennig benutzen können, ein Tarif, der auch in der DDR bestimmt schon bald der Vergangenheit angehören wird. Doch zumindest müßte der Ermäßigungstarif nicht nur für Kinder, Rentner und Schwerbeschädigte, sondern auch für Schüler über 14 Jahre, Lehrlinge und Studenten gelten. Und vor allem hätte von Anfang an ein attraktives Zeitkartenangebot für Oftfahrer dabei sein müssen. Der Preis, den West-Berlin dafür zu zahlen hätte, wäre gering im Verhältnis zu dem Preis, den wir jetzt für die Lärm- und vor allem Luftbelastung durch viel zu viele Trabbis mit ihrem besonders hohen Schadstoffausstoß bezahlen.

Doch auch die attraktivsten Tarife nutzen nichts, wenn kein entsprechendes Verkehrsangebot da ist. Seit der bemerkenswert schnellen Einrichtung der grenzüberschreitenden Buslinien ist mit Ausnahme der Einrichtun des Eisenbahnverkehrs Potsdam Hbf. - Berlin-Wannsee (s. Umschlag) kaum etwas geschehen. Das Frühjahr mit einem ungeahnten Ausflugsverkehr steht bevor, ohne daß zu erkennen wäre, wie West und Ost darauf reagieren wollen. Zwar können z.B. S-Bahn-Verlängerungen zugegebenermaßen nicht über Nacht hergestellt werden, es darf aber auch nicht zwei Jahre dauern. Schnelle und einfache Maßnahmen sind erforderlich, auch wenn dabei z.B. zunächst beschrankte Bahnübergänge statt niveaufreier Kreuzungen eingerichtet werden müssen. Und die Maßnahmen, die beim besten Willen nicht schnell und einfach abgewickelt werden könnnen, müssen erst recht schnell begonnen werden. Und über beides muß schnell informiert werden. Denn natürlich wird geplant, aber wieder in kleinen verschlossenen Kreisen. Von Glasnost in der Verkehrsplanung sind wir noch recht weit entfernt, in West-Berlin derzeit manchmal weiter als in Ost-Berlin.

IGEB

aus SIGNAL 1/1990 (Februar 1990), Seite 4-5

 

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