|
Die westliche Hälfte eine eingemauerte
Insel, die östliche eine krampfhaft abgegrenzte Hauptstadt der DDR. Da
konnte Berlin seine Rolle als Eisenbahn- und Luftverkehrszentrum nicht
mehr ausfüllen. Jetzt, wo die Zeiten
anders sind, wird sich vor allem der
Luftverkehr zumindest in den nächsten
Jahren stark ausweiten. Die Eisenbahn
wird die ihr zukommende Bedeutung
mangels Infrastruktur wohl erst längerfristig wiedererlangen. Das Ziel sollte
natürlich sein, durch den Ausbau der
Schienenwege einen neuen Großflughafen überflüssig zu machen. Kurzfristig
aber werden wir wohl mit mehr Flugzeugen leben müssen. Diese sind nur zu
verkraften, wenn der Flughafen Schönefeld verstärkt genutzt wird und es zu
einer sinnvollen Aufgabenteilung zwischen den bestehenden Airports in
West und Ost kommt. Angesichts dessen stellt sich die Frage nach einer direkten
Schnellbahnanbindung Schönefelds von West-Berlin aus. Diese wäre
natürlich auch als Zubringerstrecke
zum in unmittelbarer Nachbarschaft
des Flughafens liegenden Fernbahnhof
von Bedeutung.
Eine Möglichkeit ist die Verlängerung
der U-Bahn-Linie 7 über Rudow hinaus
bis Schönefeld. Diese Lösung hat jedoch neben den hohen Kosten für ein
rund drei Kilometer lange neue U-Bahn-Trasse den Nachteil, daß eine
ohnehin stark belastete Linie Mehrverkehr aufnehmen müßte, der zumindest
in Spitzenzeiten ihre Kapazitätsgrenze
überschreitet. Schlechte Erfahrungen
wurden ja bereits im November 1989
gemacht, als die Fahrgäste zahlreicher
Sonderzüge von Schönefeld zum U-Bf.
Rudow strömten, um von dort aus die
West-Berliner Innenstadt zu erreichen.
Der Verkehr auf der U7 brach immer
wieder zusammen. Die Züge dieser Linie benötigen bereits heute zwischen
den Endpunkten 58 Minuten Fahrzeit
und halten auf 38 Unterwegsstationen.
Eine derartige Linienlänge begünstigt
natürlich, insbesondere bei Taktzeiten
von drei Minuten und weniger, Unregelmäßigkeiten im Fahrplan. Im übrigen müßte der
Fahrgast aus der West-Berliner Innenstadt, etwa aus dem Kurfürstendamm-Bereich, bis
Schönefeld
eine dreiviertelstündige Tunnelfahrt mit
Dutzenden von Zwischenstops in Kauf
nehmen. Das ist nicht sonderlich attraktiv.
Alternativen sind gefragt. Die IGEB
hat kürzlich vorgeschlagen, die Lichtenrader S-Bahn mit dem Flughafen zu
verbinden. Gedacht ist dabei an Züge,
die vom Südring kommend über Priesterweg - Buckower Chaussee und dann
nach Möglichkeit auf der alten Trasse
der Güterbahn über Groß-Ziethen ihr
Ziel Schönefeld erreichen. Allerdings
wären dabei etwa acht Kilometer Gleise neu zu verlegen, Moderne S-Bahn-Züge würden
zwischen Jungfernheide
(Anschluß zum Tegeler Flughafenbus
bzw. einer künftigen S- oder U-Bahn
zum West-Berliner Airport) und Schönefeld rund 35 Minuten benötigen, mithin etwa
15 Minuten weniger als die U7
in gleicher Relation. Und das durchweg
bei oberirdischer Fahrt, großzügigen
Platzverhältnissen und weniger Zwischenhalten! Der U-Bahn-Verlängerung ist die
"S-Bahn-Variante Lichtenrade" also allemal vorzuziehen.
Aber es gibt noch zwei wesentlich einfacher und schneller zu realisierende
Möglichkeiten, von West-Berlin aus
den Schönefelder Flughafen zu erreichen. Dabei wäre kein einziger Meter
Gleis zu verlegen, setzt man einmal
voraus, daß das West- und das Ost-Netz wie geplant am Bahnhof Friedrichstraße
und zwischen Neukölln und
Baumschulenweg wieder durchgehend
verbunden werden. Mit Zügen der neuen S-Bahn-Generation betrüge die
Fahrzeit zwischen Jungfemheide und
Schönefeld über Südring - Baumschulenweg etwas über 40 Minuten. Mit der
U-Bahn-Lösung könnte eine solche Linie also auf jeden Fall konkurrieren,
und das bei erheblich niedrigeren Investitionskosten. Auch würde sie die wichtigen
Unterzentren und Umsteigepunkte Tempelhof, Hermannstraße und
Neukölln erfassen.
Die Einführung zusätzlicher "Flughafenzüge" auf bestehenden S-Bahn-Strecken setzt natürlich
voraus, daß deren Kapazität das zuläßt. Bedenken
könnte es hinsichtlich des stark belasteten, zweigleisigen Abschnitts
Baumchulenweg - Schöneweide - Adlershof
geben. Gegenwärtig verkehren hier im
Berufsverkehr sieben Zuggruppen im
20-Minuten-Takt, mithin 21 Züge je
Stunde und Richtung. Zwei Zuggruppen verlassen in Schöneweide die
Strecke, nämlich die nach Spindlersfeld
und die Verstärker nach Pankow. Verbleiben also bis Adlershof noch 15
Züge je Stunde und Richtung. Von dort
ab bis zum Endpunkt Schönefeld reduziert sich diese Zahl auf sechs. Das sind
Streckenbelastungen, die auf anderen -
ebenfalls zweigleisigen - Abschnitten
noch übertroffen werden. Das Berliner
S-Bahn-Netz weist seine höchste Belastung zwischen Hauptbahnhof und
Alexanderplatz auf, wo in der Spitzenstunde 10 Zuggruppen verkehren. Das
bedeutet 30 Zugpaare.
Bei einer Wiederverknüpfung von Ost- und West-Netz würde der östliche
Ringbahnabschnitt von seiner jetzigen
Hauptaufgabe als Nord-Süd-Achse teilweise entlastet. Viele Fahrgäste aus
dem Norden fahren dann zum Beispiel
wieder über Frohnau oder Bornholmer
Straße in die Berliner Innenstadt. Zu
erwarten ist daher, daß zumindest die
Verstärkerzüge zwischen Pankow und
Schöneweide entfallen können. Dann
wäre bei einer im 10-Minuten-Takt fahrenden S-Bahn-Linie Südring - Schönefeld der kurze
Abschnitt Baumschulenweg - Schöneweide mit maximal 24 Zügen je Stunde und Gleis
belastet, einem
durchaus zumutbaren Wert.
Noch rascher realisierbar wären durchgehende S-Bahn-Züge von der Stadtbahn bis
Schönefeld. Nötig ist hierfür
lediglich die Verlängerung der seit langem bestehenden S-Bahn-Verbindung
Schönefeld - Friedrichstraße nach
West-Berlin. lm übrigen sind diese
Züge bereits jetzt von West-Berlin aus
gut zu erreichen, neben Friedrichstraße
z.B. im Bf. Jannowitzbrücke, wo die U8
hält, oder im Bf. Warschauer Straße, zu
erreichen über die Oberbaumbrücke.
Neben einem neuen Großprojekt
“Flughafen Berlin-lnternational” wird
die Kapazitätserweiterung Schönefelds
mindestens als Zwischenlösung, aber
auch als dauerhafte Alternative, in den
nächsten Wochen und Monaten in der
Diskussion sein - und damit wohl trotz
der erörterten Nachteile die Verlängerung der U7. Es ist daher wichtig, nicht
nur auf die Variante einer S-Bahn-Neubaustrecke, sondern auf Verbindungen
hinzuweisen, die sich schon auf dem
wiederzuverknüpfenden "Stammnetz"
problemlos einrichten ließen. Umsteigefrei mit der S-Bahn über die Grenze,
sei es nun in Friedrichstraße oder vor
Baumschulenweg: wenn das möglichst
schnell verwirklicht wird, hat es ein
kostspieliger U-Bahn-Bau sicher schwerer, in der Öffentlichkeit Verständnis
zu finden.
Konrad Koschinski
|