|
Das heutige Angebot
Die beiden wesentlichen Kenngrößen,
die das Angebot beschreiben, sind die
Betriebsdauer und der jeweils angebotene Takt. Aus diesen beiden Parametern ergibt
sich dann z.B. die Qualität
der Anschlüsse. Der Betriebsbeginn ist
nicht einheitlich geregelt: Auf den U-Bahn-Linien 7 und 9 fährt der erste
Zug vor 4 Uhr morgens, auf den Linien
U6 und U8 fährt der erste durchgehende Zug erst nach 4.30 Uhr und die U3
beginnt ihren Betrieb erst nach 5 Uhr.
Ein ebenso uneinheitliches Bild ergibt
sich, wenn man die verschiedenen Takte betrachtet, die im U-Bahn-Netz angeboten
werden: Es sind immerhin
zwölf verschiedene Fahrabstände! Darüber hinaus ist festzustellen, daß vor 5
Uhr morgens und nach Mitternacht auf
allen Linen ohne Takt gefahren wird.
Daraus resultieren z.T. erhebliche Wartezeiten auf den nächsten Zug, wie die
folgende Aufstellung zeigt:
39 min auf der U7 Ri. Rudow
(zwischen vorletztem und letztem Zug)
36 min auf der U2 Ri. Wíttenbergplatz
(zwischen erstem und zweitem Zug)
33 min auf der U7 Ri. Spandau
(zwischen vorletztem und letztem Zu )
32 min auf der U6 Ri. Alt-Mariendorf
(zwischen vorletztem und letztem Zug)
32 min auf der U9 Ri. Osloer Straße
(zwischen erstem und zweitem Zug).
Die sich daraus ergebenden Anschlußprobleme lassen sıch leicht vorstellen.
Ein Beispiel mag genügen, um die Unattraktivıtät eines solchen Angebotes
deutlich zu machen. Betrachten wir die
erste mögliche BVG-Verbindung vom
U-Bf. Paracelsus-Bad zum U-Bf. Reinickendorfer Straße: Paracelsus-Bad ab
4.00, Osloer Straße an 4.04, Osloer
Straße ab 4.16, Leopoldplatz an 4.19,
Leopoldplatz ab 4.38, Reinickendorfer
Straße an 4.40. Die Summe der Fahrzeiten beträgt also 9 min, die der Wartezeiten 31 min!
Unattraktiv für die Fahrgäste ist auch
das sonnabends und sonntags anzutreffende gleichzeitige Angebot von 7,5-und 5- zw.
10-Mınuten-Takten auf den
einzelnen U-Bahn-Linien. Eine Anschlußsicherheit ist da nicht mehr gewährleistet,
so daß die Dauer der U-Bahn-Fahrt unkalkulierbar wird.
Konzept der IGEB
Betriebsbeginn und Betriebsschluß
werden für alle U-Bahn-Linien einheitlich festgelegt. Dabei müssen folgende,
für die Fahrgäste attraktive und einprägsame Regeln gelten:
- Von jedem U-Bahnhof der BVG aus
fährt spätestens um 4 Uhr morgens der
1. Zug in jede Richtung. Der Betrieb
läuft bis mindestens 1 Uhr nachts, d.h.,
ein Fahrgast, der kurz vor 1 Uhr einen
U-Bahnhof betritt, kann sicher sein,
daß er noch einen Zug erreicht. Am
Sonntag kann die Zeit des Betriebsbeginns auf 4.30 Uhr gelegt werden.
- Von Betriebsbeginn bis Betriebsschluß gibt es auf allen Linien mindestens einen
10-Minuten-Takt.
- Mindestens von 6 Uhr bis 20 Uhr
(sonnabends und sonntags ab 9 Uhr)
gibt es auf allen Linien einen 5-Minuten-Takt.
- lm Berufsverkehr gibt es einen 2,5-Minuten-Takt auf allen Linien, auf denen es
aufgrund hoher Fahrgastzahlen
notwendig ist.
Es gibt also zukünftig nur noch drei
Takte, die jeweils aufeinander aufbauen: 10, 5 und 2,5 Minuten. Nur durch
diesen Aufbau wird eine den Bedürfnissen der Fahrgäste entsprechende Anschlußplanung
überhaupt erst möglich.
Im einzelnen ergeben sich gegenüber
der heutigen Situation für die Benutzer
der einzelnen U-Bahn-Linien folgende
Verbesserungen:
- Nur bei einem 10- bzw. 5-Minuten-Grundtakt können die Anschlüsse zu
den überwiegend im 10- bzw. 20-Minuten-Takt verkehrenden S-Bahnen und
Bussen hergestellt werden. Dies funktioniert bei einem anderen Takt.
- lm Berufsverkehr der U1 müssen die
Fahrgäste bisher manchmal fast 8 min
auf einen nach Ruhleben durchfahrenden Zug warten. Diese Zeit wird auf 5
min verkürzt. Darüber hinaus können
im Bedarfsfall auch Züge des 2,5-Minuten-Taktes nach Ruhleben verlängert
werden. Die während des Semesters
um 10 und 12 Uhr regelmäßig auftretenden Studentenspitzen zum Ernst-Reuter-Platz
(TU) und zum Thielplatz
(FU) können durch eine Verdichtung
auf 2,5 min aufgefangen werden.
- Auf der besonders im Mittelabschnitt
von Neukölln bis Richard-Wagner-Platz
stark belasteten U7 ist ein dichterer
Takt, als er gegenwärtig angeboten
wird, zu fast allen Tageszeiten notwendig. Überfüllte Wagen gibt es nicht nur
an Sonnabendvormittagen, sondern
auch abends. Durch das Konzept der
aufeinander aufbauenden Takte ist eine
Verstärkung in Teilbereichen möglich,
ohne das Fahrplangrundgerüst zu ändern.
- Grundsätzlich soll für Montag bis
Freitag derselbe Fahrplan gelten. Die
hier vorgeschlagene Fahrplanstruktur
macht es möglich, zusätzliche Züge einzuschieben, wenn die Fahrgastzahlen
dies erfordern, ohne die Grundstruktur
des Fahrplans zu verändern. Diese Ergänzungszüge nach Bedarf brauchen
nicht im Fahrplan angegeben zu werden. Hinweise auf Verstärkungszüge im
Berufsverkehr, wie sie in den heutigen
Fahrplänen zu finden sind, nutzen niemandem, machen aber die Fahrpläne
unübersichtlich. Mit den Ergänzungszügen aber kann und muß die BVG mehr
als bisher auf verstärkte Nachfrage reagieren, ohne für diese Fälle einen gesonderten
Fahrplan veröffentlichen zu
müssen. Dies gilt nicht nur für den
oben genannten Studentenverkehr, sondern z.B auch für den Verkehr zum
Dienstleistungsabend am Donnerstag
und zum vorgezogenen Berufsverkehr
am Freitagmittag.
Neben dieser Neuordnung des U-Bahn-
Fahrplans sind weitere Maßnahmen zur
Attraktivitätssteigerung des Schnellbahnnetzes aus S- und U-Bahn dringend erforderlich.
So muß auf die
Schnellbahnhöfe im Straßenbild besser
hingewiesen werden. Bushaltestellen
müssen direkt vor die Ausgänge der
Schnellbahnhöfe gelegt werden. Parkende Autos oder wartende Taxis haben
dort nichts zu suchen. Schließlich
muß die Qualität des Gleisbaus deutlich verbessert werden. Sowohl im
Groß- als auch im Kleinprofilnetz sind
manche Strecken - auch unlängst erneuerte oder neu gebaute - in einem im
wahrsten Sinn des Wortes erschütternden Zustand.
Mit dem Konzept der Taktverdichtung
einhergehen muß eine Sitzplatzgarantie. Im Berufsverkehr ist es vorläufig zu
tolerieren, daß nicht alle Fahrgäste einen Sitzplatz oder einen bequemen
Stehplatz (mit Wand im Rücken) erhalten können. Wer aber am Sonnabend
zum Einkaufen oder arn Sonntag ins
Grüne fährt, muß einen Sitzplatz bekommen. Die Bemessung der Zuglängen
darf sich nicht nach dem Durchschnitt der Belastung oder gar nach irgendwelchen
Auslastungszıffern, mit
denen die BVG operiert, richten, sondern nach dem am stärksten belasteten
Abschnitt. Die zahlreich eingehenden
Fahrgastbeschwerden über zu volle
Züge dürfen von der BVG nicht länger
ignoriert werden.
Die Fahrgastinformation muß in allen
Bereichen weiter verbessert werden. So
hängen in den Zügen nur unübersichtliche Gesamtdarstellungen des Schnellbahnnetzes
mit Bahnhofsnamen in viel
zu kleiner Schrift. Einzeldarslellungen
der befahrenen Linie, wie in Westdeutschland und im Ausland üblich,
sind bei der BVG nicht zu finden.
Auch bei den Sonderfahrplänen aufgrund von Bauarbeiten muß die Fahrgastinformation
ernster genommen
werden, als dies derzeit der Fall ist. Erkennbare positive Ansätze (so hängen
i.d.R. auf allen Schnellbahnhöfen Ankündigungen über Baumaßnahmen im
S-Bahn-Bereich aus) werden oft durch
krasse Fehler überschattet. So wurde
z.B. am 10. Oktober 89 für die U1 eine
drastische Betriebseinschränkung zwischen Gleisdreieck und Möckernbrücke
verfügt, die die Fahrzeit zwischen diesen beiden Bahnhöfen immerhin verdoppelt.
Dies wurde erst 10 Tage nach
Fahrplanwechsel der Öffentlichkeit mitgeteilt. Alle Fahrpläne der U1 waren
damit Makulatur geworden. Dieses
Musterbeispiel für mangelnde Koordination innerhalb der BVG muß der
Fahrgast ertragen.
Es gibt also noch viel zu tun, bis die U-Bahn wieder zu einem wirklich attraktiven
Verkehrsmittel wird. Doch während beim Bus nach der völligen Neuordnung des
Nachtbusnetzes nun mit
Hochdruck an einem attraktiveren Tagesbusnetz gearbeitet wird, scheint sich
bei der U-Bahn wenig zu tun. Die BVG
sollte die Koalitionsvereinbarung endlich als Chance begreifen, sich vor nun
von einem Jahrzehnte alten U-Bahn-Fahrplan zu verabschieden, der in jeder
Hinsicht nicht mehr zeitgemäß ist.
IGEB
|