|
Unter diesem Titel informierten und diskutierten
Dipl.-Ing. H. Aschenbrenner von
den (Ost-) Berliner Verkehrsbetrieben
(BVB) und Dipl.-Ing. Jürgen Roß von den
(West) Berliner Verkehrs-Betrieben am 4.
September 1990 im Bahnhof Charlottenburg.
Wie groß das Interesse an der zukünftigen
Entwicklung des öffentlichen
Nahverkehrs ist, machte der überaus starke
Besucherandrang deutlich - kaum ein Stehplatz
war noch zu finden, man fühlte sich so
richtig als Fahrgast.
|
Quelle: DIW, Grafik: BVG |
|
Wenn und Planer die Siedlungs- und Verkehrsentwicklung treiben lassen, wie bei diesem Szenario angenommen, dann wird vor allem der motorisierte Individualverkehr (MIV) in Berlin zunehmen, während der ÖPNV Fahrgäste verliert. Betrachtet man nur den Westteil Berlins, dann sieht es etwas günstiger aus. Der Grund: hier wird schon so viel Autogefahren, daß die Steigerung beim MIV zwangsläufig kleiner als in Ost-Berlin ist und eine Zunahme der BVG-Benutzung unvermeidlich wird. Quelle: DIW, Grafik: BVG |
|
Zunächst gab Herr Aschenbrenner einige
Grundlageninformationen über die BVB,
die etwa 10.000 Mitarbeiter haben. Zum
Fahrzeugbestand gehören ca. 1000 Straßenbahnen,
600 Busse und 500 U-Bahn-Wagen.
Hauptverkehrsträger ist die Straßenbahn,
was auch nach der Vereinigung so bleiben
soll. In diesem Zusammenhang wurden
auch die Pläne zur Ausdehnung des Straßenbahnnetzes
in den Westteil der Stadt
vorgestellt. Oberste Priorität habe dabei die
Verlängerung der Linie 3 über die Bornholmer
Straße zum U-Bf. Osloer Straße. In
Zukunft beabsichtigt man, keine weiteren
Fahrzeuge der Tatrawerke mehr zu beschaffen,
sondern auf westliche Anbieter zurückzugreifen,
da deren Fahrzeuge in jeder Hinsicht moderner,
leiser und fahrgastfreundlicher seien. Das Schienennetz soll
mit westlicher Technologie auf modernen
Stand gebracht werden, wobei man besonders
auf Städte wie Freiburg und Karlsruhe
schaut. Bei der U-Bahn werden im Augenblick
der Zusammenschluß der Linien A
und 2 sowie die Verlängerung dieser Linie
im Raum Pankow angestrebt, nach Möglichkeit
bis zum Ossietzkyplatz in Niederschönhausen.
Weitere U-Bahn-Linien nach
Weißensee und Marzahn werden von den
BVB befürwortet, wobei aus Kostengründen
eventuell auch Stadtbahnlinien denkbar
seien.
Herr Roß von der BVG bestätigte die nunmehr
für Juni 1991 vorgesehene Einführung
des neuen Buslinienkonzeples - mit geringen
Änderungen im "Grenzbereich", Neu
eingerichtet wird die Buslinie 100, die zwischen
Zoo und Reichstag die BVG-Buslinie
69 ersetzen und über Clara-Zetkin-Straße
und Unter den Linden zum Alexanderplatz/Mollstraße
verkehren soll. Bei der U-Bahn
sind z.Z. nur die Verlängerungen der U-Bahn-Linie 8 im
Süden zum S-Bf.
Hermannstraße und im Norden zum S-Bf.
Wittenau (Nordbahn) gesichert. Weitere
Neubauten werden momentan nicht verfolgt,
da die Gelder beim Ausbau der S-Bahn dringender
benötigt werden. Das Publikum kritisierte,
daß trotz dieser richtigen
Prioritätensetzung die Wiederinbetriebnahme
der stillgelegten S-Bahn-Strecken viel zu
lange dauert.
Verdeutlicht wurde die Notwendigkeit zur
schnellen Wiederinbetriebnahme der S-Bahn,
gerade auch der ins Berliner Umland
führenden Verbindungen, dann von Herrn
Roß anhand der ersten Ergebnisse einer
beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)
im Auftrag der BVG erarbeiteten Studie zur künftigen
Bevölkerungs- und Verkehrsentwicklung im Großraum
Berlin. Das DIW entwarf zwei Szenarien:
Zersiedelung und Gestaltung. Die Ergebnisse des Szenarios
Zersiedelung liegen inzwischen vor. Danach wird als Folge einer
erheblichen Motorisienıng und Zersiedelung des
Großraumes Berlin der motorisierte Individualverkehr
bis zum Jahre 2010 im
Vergleich zu 1988/89 um 74% zunehmen,
während die Verkehrsleistung der umweltfreundlichen
Fortbewegung zu Fuß und per
Rad nur um 21% wächst und die der öffentlichen
Verkehrsmittel sogar um 7% zurückgeht. Ursache
dafür ist vor allem die Entwicklung auf dem Gebiet der bisherigen
DDR, gerade auch in Ost-Berlin. Für den
ÖV in West-Berlin wird demgegenüber
selbst bei diesem negativen Szenario “Zersiedelung"
immerhin noch ein Wachstum
der Verkehrsleistung um 10% erwartet (s. Abb).
Im zweiten Teil der Veranstaltung fand
dann eine rege Diskussion über das Gehörte und
die Zukunftsaussichten des ÖPNV
statt. Natürlich wurde dabei immer wieder
der schnellere S~Bahn-Ausbau gefordert
und auf die in diesem Punkte vorbildlichen
Aktivitäten von Reichsbahn und Bundesbahn beim
schnellen Wiederherstellen der
Bahnverbindung zwischen Eichenberg und
Arenshausen verwiesen, Übersehen wurde
dabei gelegentlich, daß ein erheblicher Teil
der Verantwortung für den schleppenden S-Bahn-Ausbau
in West-Berlin nicht bei der
BVG, sondern beim Senat bzw. den Senatsverwaltungen
lag und - bis zur Abgabe der
S-Bahn an die vereinigte Deutsche Eisenbahn - auch noch liegt.
IGEB
|