Als Kritikpunkt wurde angemerkt, daß Alternativen
zu den vorgestellten Zielvorstellungen der
DE-Consult nicht untersucht
wurden. Das trifft nicht zu. Vertiefende Untersuchungen
von Alternativen sind derzeit
in Arbeit, wie es die Bedeutung des zu untersuchenden
Themas gebietet. Es ist also
nicht zutreffend, daß mögliche Alternativen
von vornherein “unter den Tisch gefallen"
sind.
Die vorgestellten Ergebnisse sind das Resultat
erster Überlegungen. Sie erfolgten
entsprechend des zur Verfügung stehenden
Zeitraumes - der 9. November 1989 Liegt
nur ein Jahr zurück - mit der notwendiglen
und möglichen Tiefe und Gründlichkeit. Im
übrigen verweisen wir darauf, daß in dem
kürzlich vorgelegten 1. Zwischenbericht zur
“Verkehrsentwicklungsplanung für die Region
Berlin" die alternativen Planungen
ausführlich beschrieben und zur Diskussion
gestellt worden sind.
Auch wenn die Senatwerwaltung für Arbeit,
Verkehr und Betriebe nicht unbedingt mit
allen Detailpunkten des Gutachtens übereinstimmt,
so werden doch die Hauptaussagen unterstützt.
Hauptziele beim Ausbau des Berliner Eisenbahnnetzes müssen sein:
- Herstellung ausreichender, zur Zeit nicht
vorhandener Kapazitäten zur Abwicklung
des zukünftigen Eisenbahnverkehrs sowie
- kundengerechte Konzeption bei der Linienführung
der Strecken und bei der Anzahl und den Standorten
der Bahnhöfe unter Berücksichtigung von Zielen der Stadtentwicklung.
Dabei muß die Prämisse gelten, zukünftig
den Anteil der Bahn im Regional- und
Fernverkehr deutlich zu erhöhen. Umweltschutz,
Flächenknappheit, Verkehrssicherheit und Energieprobleme sind
Argumente
für eine eindeutige Forderung der Bahn.
Es sollte eine heute leider nicht eingelöste
Selbstverständlichkeit sein, daß ein Bahnkunde für
seine Reise auch einen Sitzplatz
vorfindet. Eine große Akzeptanz der Bahn
erfordert außerdem eine gute Verfügbarkeit
des Angebotes. Beides erfordert ein umfangreiches
Zugangebot. Es läßt sich ohne
Schwierigkeiten feststellen, daß die vorhandenen Strecken
hierfür nicht ausreichen,
Neben der Stadtbahn als wichtigste die
Stadtzentren berührende Strecke sind weitere
Trassen erforderlich. Die oft als Alternative
genannte Ringbahn kann die erforderlichen zusätzlichen
Kapazitäten nicht
bieten. Für den Aus- bzw. Neubau von
Gleisanlagen und Bahnhöfen stehen Flächen nicht
zur Verfügung. Außerdem könnte mit einer Führung
der Fernzüge über die
Ringbahn der Systemvorteil der Bahn, ins
“Herz der Städte" zu fahren, nicht realisiert
werden.
Zu einem weiteren Vorwurf des o.g. Artikels muß
festgestellt werden, daß früher
einmal Gesagtes nicht unbedingt falsch sein
muß. Eine neue Nord-Süd-Fernbahnverbindung erfüllt
die Kriterien ausreichender
Kapazitäten und nachfragegerechter Linienführung
in optimaler Weise. Selbstverständlich ist dabei
auf stadt- und umweltverträgliche Trassierung und
Baudurchführung zu
achten. Ein zukünftiger Lehrter Bahnhof als
Verknüpfungspunkt zwischen Stadtbahn
und Nord-Süd-Verbindung soll nicht die
Funktion eines “Hauptbahnhofes" erhalten.
Er soll vielmehr ein innerstädtischer Fernbahnhof
neben anderen sein, der zudem ein
optimales Umsteigen zwischen den Zügen
ermöglicht. Innerstädtische Bahnhöfe liegen
in der Nähe wichtiger städtischer Funktionen und
erreichen damit einen großen Kundenkreis. Sie sind außerdem mit dem
ÖPNV gut angebunden.
Bei der Standortdiskussion von Bahnhöfen
wird jedoch leider oft nur das Kriterium
möglichst kurzer Fahrzeiten von Bahnsteigkante
zu Bahnsteigkante angeführt. Tatsächlich
entscheidend bei der Verkehrsmittelwahl ist
jedoch die Reisezeit von Haustür
zu Haustür. Hierbei spielt die Bequemlichkeit
beim Erreichen des Bahnhofes gerade
für Fernreisende mit entsprechendem Gepäck eine
zentrale Rolle. Bei der Standortsuche und der
Festlegung der Anzahl der
Fernbahnhöfe ist daher die polyzentrische
Stadtstruktur Berlins entsprechend zu berücksichtigen.
Aus diesem Grunde setzt sich die Senatsverwaltung
für Arbeit, Verkehr und Betriebe
für mehrere Fernbahnhöfe ein, die auch periphere
Stadtgebiete mit entsprechendem
Einzugsbereich berücksichtigen. Es wird
wenig Fahrgäste aus Nauen, Wustermark
oder Spandau geben, die erst zum Bahnhof
Zoologischer Garten fahren, um dann nach
langer Anreise in entgegengesetzter Richtung
im Fernzug Richtung Hannover zu
fahren. Die Erfahrung hat gezeigt, daß
durch einen Verkehrshalt in der Nähe größerer
Kundenkreise insgesamt mehr Fahrgäste gewonnen
werden, als durch die verlängerte Fahrzeit
infolge eines zusätzlichen
Haltes verlorengehen. Dies ist übrigens
ebenfalls ein Bereich, der speziell für die
Berliner Verhältnisse noch vertieft untersucht
werden muß. Ein Konzept von mehreren dezentralen
Fernbahnhöfen hat stadtstrukturelle Vorteile und vermeidet zudem
unnötigen Verkehr in ohnehin überlastete,
sensible Stadtinnenbereiche.
Bis zur Realisierung der diskutierten Zielplanung
vergehen leider noch mehrere Jahre. Erweiterungen
von Kapazitäten der
Bahnanlagen sind wegen des angestiegenen
und weiter ansteigenden Verkehrs jedoch
unabdingbar. Wenn die Bahn nicht vollends
in Bedeutungslosigkeit versinken soll, sind
daher auch kurzfristig Erweiterungen notwendig,
die eine stufenweise Realisierung
der Zielplanung ermöglichen. Dieser aktuell
zusammen mit der Deutschen Reichsbahn
zu erarbeitende Komplex war allerdings
nicht Thema des Berliner Eisenbahnkongresses.
Senatsverwaltung für Arbeit, Verkehr und Betriebe
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