|
Mit dem Bau der Aus- bzw. Neubaustrecke
zwischen Berlin und Hannover wird die Frage aufgeworfen,
ob Spandau einen neuen
“Hauptbahnhof" bekommen soll oder nicht.
Unzweifelhaft ist ein Bahnhofsstandort an
der Klosterstraße in unmittelbarer Nähe
zum Rathaus, zur Altstadt und zur U-Bahn
für die Fahrgäste wesentlich günstiger gelegen
als der bisherige Standort. Doch wie
durch eine Kleine Anfrage des AL-Abgeordneten
Michael Cramer (PDB vom
26.10.1990) zu erfahren war, gibt es noch
immer Widerstände gegen diesen neuen
Bahnhof.
So beantwortete der bisherige Verkehrssenator
Wagner die Frage “Sind die Ausführungen von
Senator Horst Wagner noch
immer aktuell, daß in Bonn die Finanzierung eines
Fernbahnhofes am Rathaus
Spandau verweigert wird, und welches sind
die Gründe fur die Verweigerung?“ mit ja.
Weiter heißt es: “Die ablehnende Haltung
dürfte sich insbesondere auf die finanziellen
Aspekte beziehen." Aber auch die DB betont immer
wieder, daß aus ihrer Sicht zumindest InterCity-Züge in
Spandau nicht
halten sollen. Bei der DB dürfte der Grund
für die ablehnende Haltung bei der Verminderung der
Reisegeschwindigkeit zu suchen
sein. Wenn aber der “Zug der Zukunft",
der IC oder der ICE, in Spandau gar nicht
halten soll, ist dann der Ausbau des alten
oder gar der Bau eines neuen Bahnhofs
Spandau überhaupt notwendig?
Selbst unter dieser Prämisse wäre er notwendig,
Spandau als überörtliches Zentrum
mit einer Einwohnerzahl von über 200.000
wird sich zu einer Drehscheibe im Regionalverkehr
entwickeln, zumal es an einer Streckenverzweigung
(Hamburger und Lehrter
Bahn) liegt und in Zukunft auch S-Bahn-Anschluß erhalten wird.
Aber auch die vorhandene U-Bahn sorgt für gute
Verbindungen - wenn auch nur in bestimmten Richtungen.
Doch die U-Bahn, das Rathaus und
der Einzelhandel liegen nicht zwischen
Kleingärten und Gewerbegebiet jenseits der
Havel, wo sich jetzt der Bahnhof befindet,
sondern an der Klosterstraße, wo der neue
Bahnhof geplant ist. Schon aus Sicht des
Regionalverkehrs, der auf denselben Gleisen
wie der Fernverkehr abgewickelt wird,
ist also der Neubau des Bahnhofs an der
Klosterstraße notwendig.
Aber auch über Halt oder Durchfahrt der
IC-Züge läßt sich trefflich streiten. Es ist
das Wesen aller schnellfahrenden Züge
(dazu zählen Züge vom Eilzug bis zum IC),
daß sie an bestimmten Bahnhöfen durchfahren,
um die Reisegeschwindigkeit zu erhöhen. Andererseits
sollen sie, um möglichst
vielen Reisenden dienlich zu sein, auf möglichst
vielen Bahnhöfen mit möglichst großem Einzugsgebiet
halten. In diesem Spannungsfeld muß jeder Haltbahnhof genau
abgewogen werden: Wievielen Reisenden
nützt er, da sie aus- oder einsteigen wollen,
und wievielen Reisenden "schadet" er, da
sie weiterfahren wollen und durch den Halt
eine Reisezeitverlängerung hinnehmen müssen.
Durch diese Differenzierung sind die
verschiedenen Zuggattungen entstanden.
Da dies aber ein Abwägungsprozeß ist, wird
es über die Frage Halt oder Durchfahrt
immer wieder zum Streit kommen, für den
eine wirklich objektive Entscheidung kaum
möglich ist.
|
Bestand und Planung im Vergleich. Die Abbildung zeigt die gegenwärtigen Gleisanlagen der Bahnhöfe Berlin-Spandau und Spandau-West (oben) und den von der Bahn geplanten Ausbau im Zusammenhang mit der Hochgeschwindigkeitsstrecke von Berlin nach Hannover (unten). Bisher weigert sich der Bundesverkehrsminister aber, den Bau eines Fernbahsteiges am Rathaus Spandau (Klosterstraße) zu finanzieren. Die rund 350.000 Einwohner Spandaus, Staakens, aus Teilen Charlottenburgs sowie aus den westlichen Vororten Berlins blieben dann ohne direkten Anschluß an das IC-Netz. |
|
Für IC-Züge hat die DB Kriterien festgelegt, in welchen
Orten IC-Züge einen “Systemhalt" bekommen sollen
(wo also jeder
IC der dort fahrenden Linie hält) und wo
nicht. Wichtigstes Kriteriurn ist dabei die
Einwohnerzahl des Ortes: Übersteigt sie die
Zahl 100,000, so halten die IC-Züge, liegt
sie darunter, so halten sie nur in Ausnahmefällen
(z.B. in Bebra oder Fulda). Nun ist
Spandau - formal gesehen - nur ein Stadtteil
von Berlin, doch ist es durch seine Randlage
jenseits der Havel und seine relativ starke
Eigenständigkeit wie eine eigene Stadt zu
behandeln. Aus Sicht des Verkehrssenators
liest sich das folgendennaßen: “Einem
Fernbahnhof am Rathaus Spandau mit einem EC/IC-Halt wird
aus stadtstrukturellen Gründen hohe Bedeutung beigemessen.
Dieser Bahnhof würde die polyzentrische
Stadtstruktur Berlins fördern, da Spandau
ein eigenständiges Zentrum ist. Durch den
Wegfall der Grenze bekommt der Bahnhof
eine noch größere Bedeutung, da sich sein
Einzugsbereich nach Westen erweitert."
Schließlich liegen westlich Spandaus einwohnerstarke
Orte wie z.B. das 23.000 Einwohner zählende Falkensee.
Und mit seinen
über 200.000 eigenen Einwohnern könnte
Spandau auch nach DB-Norm einen Halt
beanspruchen.
Daher spricht sich auch die IGEB klar für
einen Fernbahnhof Spandau für den IC- wie
für den Regionalverkehr aus, der zweckmäßigerweise
an der Klosterstraße neu gebaut
werden muß. Der alte Bahnhof könnte dann
aufgelassen werden.
IGEB
|