Anlaß für die BVG-Stillegungspläne ist die
geplante U-Bahn-Verlängerung (U2) von
Vinetastraße bis Pankow, Kirche. Im Bau
befindet sich ein ca. 500 m langes Teilstück,
das als Zuführung zur bisher geplanten U-Bahnbetriebswerkstatt
in der Granitzstraße
dienen sollte. Nach den jüngsten Aussagen
des Verkehrssenators ist z.Zt. jedoch weder
die Finanzierung der Betriebswerkstatt
noch der Bau eines neuen U-Bahnhofs am
S-Bf. Pankow geschweige denn eine Verlängerung
bis nach Pankow, Kirche vorgesehen. Da die BVG
genau mit dieser Verlängerung bis Pankow,
Kirche für ihre Straßennahn Stillegungspläne
argumentiert, müßte
sie die Stillegung zumindest zurückstellen.
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Foto: M. Horth |
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Auch die Trasse der Linie 49 erfüllt - mit Ausnahme der Gleislage - schon heute die Anforderungen eines modernen Straßenbahnbetriebes. Es drängt sich der Verdacht auf, daß hier wieder einmal Straßenbahnverbreiterungspläne der eigentlich Stilllegungsanlaß sind. Foto: M. Horth |
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Aber selbst wenn eines fernen Tages Gelder
für diese U-Bahn-Verlängerung zur Verfügung
gestellt werden sollten, bleibt es immer
noch das Geheimnis der BVG, wie sie
mit einer U-Bahn-Verlängerung um 1,5 km
ein ca. 15 km langes Straßenbahnnetz in
Pankow gleichwertig ersetzen will. Gerade
hier verlaufen die - wenn auch abschnittsweise
eingleisigen und erneuerungsbedürftigen - Strecken
zum überwiegenden Teil
auf eigenen, vom Straßenverkehr abgegrenzten
Trassen und bilden damit eine wesentliche
Grundlage für ein zur modernen
Stadtbahn aufzuwertendes Verkehrssystem.
Wenn BVG-Direktor Lorenzen die Fahrgastzahlen
auf den einzelnen Linienasten
als zu gering bewertet, verkennt er einen
wesentlichen Vorteil einer modernen Straßen- bzw.
Stadtbahn: Ein Stadtbahnsystem
zeichnet sich gerade durch Verästelungen
von einer star befahrenen Stammstrecke
aus, wodurch eine gute Flächenerschließung
ohne Umsteigezwänge möglich wird. Dabei
weisen die einzelnen Linienäste zwangsläufig
geringere Fahrgastzahlen auf. Und was
bei der BVG bisher offenbar überhaupt
nicht bedacht wurde: Durch die vorgesehenen
Wohnungs- und Gewerbeflächen, die in
den unmittelbaren Einzugsbereichen der
bestehenden Straßenbahnstrecken geplant
sind, wird das Fahrgastpotential in den
nächsten Jahren erheblich vergrößert.
Zur kurzfristigen Attraktivierung des Pankower
Straßenbahnverkehrs ist lediglich der
Bau von 1 oder 2 Unterwerken (Kosten ca.
1 bis 2 Mio. DM) zur besseren Stromversorgung
erforderlich, damit die bereitstehenden
neuen Tatra-Straßenbahnzüge eingesetzt
werden können. Diese würden den
Fahrgästen schon eine erhebliche Komfortsteigerung
gegenüber den jetzt eingesetzten
Fahrzeugen bringen. Als Alternative dazu
bietet sich bis zum Einsatz von modernen
Stadtbahnfahrzeugen die Anschaffung von
Gebraucht-Fahrzeugen anderer Straßenbahnbetriebe an,
auf die an anderer Stelle
noch eingegangen wird.
Linie 22 nach Rosenthal
Die von der Friedrichstraße über Schönhauser
Allee und Pankow, Kirche verkehrende
Linie 22 fahrt nach ihrem Abzweig am
Kurt-Fischer-Platz durch die Friedrich-Engels-Straße
auf überwiegend eigener Trasse
bis nach Rosenthal. Während die derzeitige
Besiedlung entlang der Strecke vergleichsweise dünn ist,
werden schon jetzt im Einzugsbereich der Strecke Wohnungsbauten
projektiert. Ein Nachteil dieser Anfang der
80er Jahre erneuerten Strecke ist ihre überwiegende
Eingleisigkeit, was allerdings
durch zahlreiche Ausweichstellen zumindest
teilweise kompensiert wird. Doch auch eine
durchgehend zweigleisige Strecke kann problemlos
gebaut werden, was bei steigenden
Fahrgastzahlen durch Neubauten an der
Strecke mittelfristig erforderlich sein wird.
Die Vorausetzungen für die Zweigleisigkeit
wurden beim Umbau vor einigen Jahren schon
geschaffen, die Umsetzung scheiterte nur
an den damals fehlenden Baukapazitäten.
Aufwendiger als ein Straßenbahnausbau
wird dagegen deren Stillegung. Die Voraussetzung
dafür ist nämlich ein bustauglicher
Ausbau der z.T. nur 5,10 m breiten Friedrich-Engels-Straße.
Dieser Ausbau kostet
nach Angaben des Bezirksamtes Pankow
nicht weniger als 20 Mio. DM! Für diese
Summe wäre fast schon eine Straßenbahn-Verlängerung
von Rosenthal über den Wilhelmsriher Damm bis zum S-Bf. Wittenau
(Nordbahn) zu finanzieren, die den Bewohnem
des Märkischen Viertels sehr viel
schneller ein Angebot auf der Schiene bringen
kann, als es mit der U-Bahn-Linie 8 der
Fall sein wird.
Linie 46 nach Niederschönhausen
Die aus Niederschönhausen, Schillerstraße
kommende und durchgehend zweilgleisige
Strecke der Linie 46 führt ab Kurt-Fischer-Platz
parallel zur Linie 22 über Pankow,
Kirche und Schönhauser Allee bis zur
Friedrichstraße/Am Kupfergraben. Z.Zt. liegen
die Gleise im Abschnitt Grabbeallee -
Dietzgenstraße - S-Bf. Pankow in der Fahrbahn.
Zur Beschleunigung der Straßenbahn
ist eine Abtrennung vom Straßenverkehr an
den entscheidenden Stellen (zunächst durch
Fahrbahnmarkierungen) kurzfristig möglich.
Die Einrichtung von gesicherten Haltestellenbereichen
ist problemlos und z.T. mit
Hilfe von Ampelanlagen möglich. Wichtig
auch hier: Der Flächennutzungsplan-Entwurf
des Bezirksamtes Pankow sieht umfangreiche
neue Wohnbaugebiete im Einzugsbereich der
bestehenden Straßenbahnstrecke in der
Dietzgenstraße vor, wodurch
das Fahrgastpotential zukünftig erheblich
großer sein wird.
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Foto: M. Horth |
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Linie 22 nach Rosenthal. Die Strecke erfüllt schon heute wichtige Anforderungen eines modernen Straßenbahnbetriebes. So gibt es zum Beispiel lange Abschnitte mit eigene Trasse. Begegnungsmöglichkeiten (Bild oben) erlauben einen atraktiven Betrieb trotz überwiegend eingleisiger Strecke, und bei Bedarf kann sofort mit dem zweigleisigen Ausbau begonnen werden (Bild unten) Foto: M. Horth |
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Linie 49 nach Buchholz
Die Linie 49 entspricht hinsichtlich ihrer
Trassierung schon heute weitgehend den
Kriterien einer modernen Stadtbahn (für
den Zustand der Gleise gilt das leider noch
nicht). Schon heute können die Schienenfahrzeuge
an vielen Stellen an den sich trasse
paralleler Autobahn stauenden Autos ungehindert
vorbeifahren, z.B. in der Pasewalker
Straße. Es wäre ein Schildbürgerstreich, der
fatal an die überwunden geglaubte Verkehrspolitik
der 50er und 60er Jahre erinnert, wenn dem
öffentlichen Verkehrsmittel
hier die bestehende eigene Trasse weggenommen würde
und die ÖPNV-Benutzer in
den dann im Stau steckenden Bus gezwungen
würden. Und was für die anderen beiden Pankower Äste
gilt, wird bei der 49
doppelt ins Gewicht allen: Durch die geplanten
umfangreichen Wohnungsbauten
sowie große Handelsstandorte (z.B. Ikea)
werden sich die Fahrgastzahlen zukünftig
mehr als verdoppeln. Zur Verkehrserschließung
dieser neuen Wohngebiete sollte von
vornherein die umweltfreundliche Stadtbahn vorgesehen
werden, die z.B. durch das
Abzweigen einer zweiten Linie und durch
eine Verlängerung über die bisherige Endstelle in
Buchholz entsprechend der Siedlungsprojekte
weiterentwickelt werden kann.
Erschließung der Schönhauser Allee
Unverzichtbar ist auch die Beibehaltung
und Attraktivierung des von allen drei Straßenbahnlinien
befahrenen Abschnitts in der
Schönhauser Allee, damit diese wichtige
Einkaufsstraße auch weiterhin ohne Umsteigezwang
aus dem Pankower Norden und
den angrenzenden Gebieten erreichbar
beibt. Die bestehende U-Bahn-Linie mit
ihren großen Bahnhofsabständen von über
1 km bietet nur eine ungenügende Flächenerschließung.
Deutlich wird dies auch an
der fehlenden Umsteigemöglichkeit zwischen
der U-Bahn und der wichtigen Straßenbahn- und
zukünftigen Stadtbahnstrecke
in der Bornholmer bzw. Wisbyer Straße.
Durch den Einsatz von modernen Zweirichtungsfahrzeugen
könnte die Mittelpromenade der Schönhauser Allee als
Haltestelleninsel genutzt werden, so daß das Aussteigen
zukünftig nicht mehr auf der Fahrbahnseite
erfolgen muß.
Darüber hinaus schlägt die IGEB eine bessere
“Vernetzung" der Pankower Linien mit
dem übrigen Straßenbahnnetz vor, da somit
für weitere Fahrgäste der Zwang zum Umsteigen
entfallen würde. So sollte eine der
aus Pankow kommenden Linien über die
Wisbyer Straße nach Weißensee fahren und
eine zweite über die Dimitroffstraße nach
Friedrichshain. Erforderlich dafür ist ledich
der Einbau von Weichen.
Kurzfristige Maßnahmen
Damit die Potentiale des Pankower Straßenbahnnetzes
auch genutzt werden können, sind BVG/BVB
und die Senatsverkehrsverwaltung gefordert,
kurzfristig zu handeln. Die z.Zt. dem Fahrgast angebotenen
Reko-Fahrzeuge spotten jeder Beschreibung und
werden den Gegnern der
Straßenbahn stets Argumente liefern. Benannt
wurde schon die Notwendigkeit zur
sofortigen Verbesserung der Stromversorgung
als Voraussetzung zum Einsatz neuerer Fahrzeuge.
Hingewiesen werden muß
aber auch auf den Gebrauchtwagenmarkt
für Straßenbahnen: Mehrere westdeutsche
Betriebe bieten in für alle drei Pankower
Linien ausreichender Stückzahl hier einsetzbare
Straßenbahnfahrzeuge an, die zwar
nicht den Komfort und die technischen Errungenschaften
moderner Stadtbahnwagen
aufweisen, aber eine wesentliche Verbesserung
gegenüber den z.Zt. eingesetzten
Reko-Fahrzeugen darstellen würden.
Die Entscheidung sollte dabei zugunsten
von Zweirichtungsfahrzeugen fallen, da mit
ihnen sofort eine Verbesserung der Zustiegssituation
in der Schönhauser Allee
möglich wäre. Auch das im nächsten Jahr
auftretende Problem Friedrichstraße kann
damit gelöst werden: Durch die erforderliche
Erneuerung der Weidendammer Brücke wird
1992 ein Befahren der Schleife Am
Kupfergraben nicht mehr möglich sein.
Aber mit Zweirichtungsfahrzeugen könnten
dann die Linien 22 und 46 weiterhin bis in
die Friedrichstraße
verkehren und eine
provisorische Endhaltestelle unmittelbar
nördlich der zu erneuernden Spreebrücke erhalten.
Damit wäre die direkte Erreichbarkeit
der Friedrichstraße
aus Pankow und aus
Teilen von Prenzlauer Berg auch während der Bauarbeiten
gewährleistet, was
sonst nur durch
mehrmaliges Umsteigen möglich wäre.
Mit einem kurzen
Fußweg über die vorgesehene provisorische
Fußgängerbrücke wäre schließlich
auch die Stadtbahn
weiterhin erreichbar.
Bonner Gelder
stehen
zur Verfügung
Die vorgeschlagenen
und alle anderen Investitionen in die
Straßenbahn kosten
natürlich Geld. Doch
dieses steht zur Verfügung, denn Bonn
hat für das Gebiet
der ehemaligen DDR
viele Millionen bereitgestellt, die noch 1991 verbaut werden
müssen. Maßnahmen, die zuvor ein Planfeststellungsverfahren
erfordern, kommen
deshalb nicht in Frage. Es bleibt also nur
die Möglichkeit, begonnene Bauarbeiten
fortzusetzen oder kleine Arbeiten zu finden,
die kein Planverfahren erfordern. Da es in
Ost-Berlin (und nur dort können die Gelder
eingesetzt werden) nicht genug laufende
Baustellen gibt, drängen sich Investitionen
zur Modernisierung der Straßenbahn geradezu
auf. Oder Berlin - wie schon einmal im Jahre
1987 - wieder Bonner Gelder
verschenken?
IGEB
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