Die Region Berlin reicht von Oranienburg
nach Fürstenwalde, von Strausberg bis nach
Potsdam. Nahezu ein Dutzend Verkehrsbetriebe
sichern hier die Mobilität. Neue Aufgaben
stellten sich mit einem Mal in den
Blickpunkt der Verantwortlichen der Verkehrsbetriebe.
Ganz oben auf der Prioritätenliste standen -
das erste Mal seit Jahrzehnten -
ein abgestimmtes Fahrplanangebot
sowie abgestimmte Liniennetze für die
gesamte Region. Nach diversen Konferenzen
der Verkehrsträger, dem freiwilligen
Zusammenschluß der Verkehrsbetriebe und
viel Detailarbeit wird nun der gemeinsame
Fahrplan zum 2. Juni 1991 (Fahrplanwechsel
bei DB und DR) Realität.
Das Fahrplanangebot und die Liniennetze
sind jedoch zunächst nur ein Teil der zu
lösenden Aufgabe; ob ein Verkehrssystem
von der Öffentlichkeit genutzt wird, hängt
ganz wesentlich davon ab, ob sich die
Menschen damit zurechtfinden! Die Fahrgastinformation
in der gesamten Region Berlin zu
harmonisieren, ist also ein ebenso wichtiger
Schritt in der Richtung auf einen Verkehrsverbund
zur Gewährleistung eines gemeinsamen Angebotes.
Fahrgastinformation, so betrachtet, ist also
kein zusätzlicher Service oder gar Kosmetik
- die Information ist eine wichtige Aufgabe
der Verkehrsbetriebe. Ein einheitliches System
der Fahrgastinformation und -lenkung
aller Verkehrssysteme unterstützt zudem
die Präsenz des Nahverkehrs: Das komplette
Verkehrsangebot wird als zusammenhängendes
System wahrgenommen. Der Fahrgast erkennt,
daß in der Region alles aufeinander abgestimmt ist.
Der öffentliche Nahverkehr erscheint als
flächendeckendes,
durchorganisiertes System.
Die Fahrgastinformation heute
Die bisherige Fahrgastinformation ist infolge
der geteilten Stadt ein Sammelsurium an
Fahrplänen, an Farben und Formen, an verschiedenen
Betriebsteilkennzeichnungen,
Signets etc. (s. die Fotos unten). Der Fahrgast spürt
diesen Mangel in erster Linie
durch das Fehlen eines durchdachten Leitsystems,
z.B. auf den großen Bahnhöfen
Friedrichstraße und Alexanderplatz, sowie
in dem Wirrwarr der Liniennummern-Doppelungen,
hervorgerufen durch nunmehr
150 Buslinien im Stadtgebiet Berlins.
|
Die Produktsignets heute: eine verwirrende Vielfalt. Fotos: BVG |
|
Die schnelle Harmonisierung von Fahrgastinformation
und -lenkung war also dringend
notwendig für einen gemeinsamen Nahverkehr in
der Region Berlin. Für diese Harmonisierung mußten
einige Grundelemente
zwischen den Verkehrsträgern abgestimmt
und schließlich festgelegt werden:
- Einheitliche Grundelemente, z.B. Betriebsteilzeichen,
Betriebsteilfarben, einheitliche Schrift;
- Einheitliches Linienntumerierungssystem;
- Abgestimmtes Fahrplanbuchsystem;
- Einheitliche Pläne, z.B. Schnellbahnspinne,
Liniengesamtnetz, Stadtteilkarten, Nachtnetz;
- Einheitliches Fahrgastleitsystem.
Was wird nun geändert?
|
Die Grafik zeigt die neuen Produktsignets und das neue Nummerierungssystem für alle öffentlichen Verkehrsmittel in Berlin-Potsdamer Raum. Grafik: BVG |
|
Voraussetzung für jede grafische Darstellung
der Fahrgastinformation ist die
Verständigung auf einheitliche Grundelemente;
hier sind vor allem die Betriebsteilzeichen
sowie die Betriebsteilfarben zu nennen.
Nach intensiven Diskussionen und der Erprobung
aller erdenklichen grafischen Varianten werden
die rechts abgebildeten Betriebsteilzeichen,
die sogenannten Produktsignets, zur Grundlage
der Fahrgastinformation und -lenkung.
Eine weitere notwendige Voraussetzung für
die Information über ein gemeinsames
Fahrplanangebot in der Region Berlin war
ein einheitliches Liniennumerierungssystem
für Busse und Bahnen. Wie dieses neue System
funktioniert sehen Sie zunächst in der
nebenstehenden Übersicht.
Regionalbahn
Die DR betreibt rund um Berlin ihren Nahschnellverkehr,
die Regionalbahn. Alle Linien im Gültigkeitsbereich
des S-Bahn-Tarifes erhalten die Kennzeichnung R1 bis 14,
wobei eine Nummernverwandtschaft mit
den im selben Bereich verkehrenden S-Bahn-Linien hergestellt wird.
S-Bahn
|
Übersicht über das S-Bahn-Angebot auf der Stadtbahn mit der ab 2. Juni geltenden Nummerierung Grafik: BVG |
|
BVG und DR kennzeichnen ihre S-Bahn-Linien
mit S1 bis S9; dabei werden die vorhandenen
Linien der BVG (S1 bis S3) integriert.
Neu sind die Liniennummern S5 bis
S9 mit den abzweigenden Linien S75, S85
und S86. Die S10 von Oranienburg nach
Schönefeld wird ausnahmsweise als zweistellige
Liniennummer geführt, bis eine direkte
Verbindung nach Berlin-Mitte über
Frohnau und Gesundbrunnen bzw. Schönhauser Allee
hergestellt ist. Der 4er-Bereich
ist reserviert für den S-Bahn-Ring.
U-Bahn
BVG und BVB kennzeichnen ihre U-Bahn-Linien
mit U1 bis U9, die beiden BVB-Linien (früher A und E)
werden bereits seit
Mitte 1990 als U2 und U5 geführt. Es gibt
also zwei Teile der U2 bis zur Wiederinbetriebnahme
der Verbindung zwischen Wittenbergplatz und Otto-Grothewohl-Straße.
Straßenbahn
Bei der Straßenbahn werden die Linien von
BVB, Woltersdorf, Schöneiche, Strausberg
und Potsdam einheitlich nummeriert.
- BVB-Linien behalten die bisherigen Nummern
zwischen 1 und 86, verändert werden
nur die Linien 16E (zu 36) und 88 (zu 81).
- Die Straßenbahnen im Umland bekommen
die 87 (Woltersdorf), 88 (Schöneiche)
und 89 (Strausberg).
- In Potsdam wird den bisherigen einstelligen
Nummern der 90er zugeordnet. Die bisherigen
Nummern erhalten also nur eine 9 davor.
Omnibus
|
Grafik: BVG |
|
Allein in Berlin gibt es im Tagesnetz weit
mehr als 150 Buslinien. Hinzu kommen
nach etliche in Potsdam und in der Region.
Die Nummern müssen also dreistellig werden,
um eine eindeutige Orientierung zu
ermöglichen. Diese dreistellige Numerierung
bietet die Möglichkeit zur Systematisierung:
Die Hunderter-Ziffer, also die erste
Stelle der Nummer, teilt die Buslinien nach
einem groben Raster ein: 100er- bis 400er-
Nummern erhalten die Stadtbusse von BVG
und BVB, 500er-Nummern sind für Sonderverkehre
reserviert (z.B. zu Veranstaltungen).
600er-Linien fahren in Potsdam, und
im Umland fangen die Nummern mit 7, 8
oder 9 an.
Die 10er-Ziffer, also die mittlere Stelle der
Nummer, gibt bei den Buslinien von BVG
und BVB den Stadtbereich von Berlin an, in
dem die Linie ihren Schwerpunkt hat. Dazu
haben wir Berlin in neun regionale Bereiche
eingeteilt (s. Abb, unten). So steht etwa die
8 für Steglitz: Steglitzer Linien haben also
80er-Nummern, z.B. die 183 Steglitz - Lichtenrade
(bisher BVG-Linie 30), Der Bereich Treptow/Köpenick
hat die 6. Also
sind hier 60er-Linien unterwegs. Beispiel:
Die Linie 165 Treptow/Oberspree, bisher
BVB-Linie 65 (bei diesem Beispiel konnte
die Stammziffer erhalten bleiben).
Fähren
Die Fähren in Potsdam erhalten die Nummern
F1 und F2. Die Fähren in Berlin erhalten die
Nummern F10 bis F12; Fähren
im Saisonbetrieb werden mit F20 bis F24
numeriert.
Nachtlinien von Straßenbahn und Bus
Die Nachtlinien bleiben weiterhin zweistellig,
werden aber auch nach dem neuen System numeriert:
An der 10er-Ziffer ist also
zu erkennen, wo die Linie hinfährt. Sie ist
nach dem gleichen System geordnet wie bei
den Tagesbussen, also nach den neuen regionalen
Bereichskennziffern. Für die West-Berliner
ist dabei neu: Die Nummer ist
nicht mehr an die Tageslinie angelehnt, die
Nachtlinien sind eigenständig numeriert.
Vor der Nummer steht dabei immer ein
„N„.
In das System sind auch die Nachtstraßenbahnlinien
integriert. Die Numerierung ist
also eindeutig: Es gibt jede Linie nur einmal,
entweder als Bus oder als Straßenbahn
- wie bisher schon in Ost-Berlin üblich.
Das Fahrplanbuch-System
Der abgestimmte Fahrplan der gesamten
Region wird in einem Kursbuch abgedruckt.
Dieses Kursbuch enthält einen allgemeinen
Teil, die Regionalbahn, die S-Bahn, die
U-Bahn, die Straßenbahn, die Busse, den
Sonderverkehr und das Nachtangebot. Da dieses
Kursbuch zwangsläufig recht umfangreich wird
(ca. 1.000 Seiten), geben wir, um
eine bessere Handhabbarkeit für die Fahrgäste
zu ermöglichen, noch fünf regionale
Teilfahrplanbücher heraus (Nord, Süd, Ost,
West, Potsdam). Diese enthalten bei Straßenbahn,
Bus und Fähren nur die Angaben
für den entsprechenden Teil, wahrend
Regional-, S- und U-Bahn sowie das Nachtangebot
in allen Regionalausgaben komplett
enthalten sind. Die Regionalfahrpläne sind
vor allem für Fahrgäste aus den Stadtrandgebieten
interessant. Im handlichen Format
bekommen sie genau die Information, die
sie brauchen: Den kompletten Verkehr in
ihrer Region und die schnellen Verbindungen ins Zentrum.
Liniennetze
Neben dem abgestimmten Gesamtliniennetz
gibt es zum 2. Juni erstmals auch
Stadtteilkarten. Da der Fahrgast den einfacheren
Zugang zum neuen System vor seiner eigenen
Tür findet, haben wir zehn Stadtteilkarten entwickelt,
die jeweils an die dortigen
Bewohner verteilt werden. Wer nachvollzieht,
was aus "seinen" drei oder vier Omnibuslinien wird,
versteht die Veränderung
am leichtesten. Was man an vertrauten Beispielen
gelernt hat, läßt sich leichter auf die
gesamte Region übertragen. Mit Hilfe der
überschaubaren Stadtteilkarten kann sich
jeder Fahrgast mit den Änderungen vor seiner
Haustür vertraut machen. Diese “Kiezkarte"
läßt sich besonders gut zu Hause aufhängen - so
kann man jederzeit nachschauen. Mit der
Stadtteilkarte ist ein Anfang
gemacht: Der interessierte Fahrgast wird
sich näher mit dem neuen Konzept beschäftigen.
Was bedeutet das alles für die Betriebe?
An dieser Stelle sei uns - ausnahmsweise -
ein Hinweis auf die eigene Arbeit gestattet,
In allen Teilen der Stadt änderten sich die
Aufgabenstellunlgen nach dem Fall der
Mauer am 9. November 1989. Die Verkehrsbetriebe
standen vor der Alternative,
sich einfach “durchzuwursteln” und auf politische
Entscheidungen, z.B. für einen Verkehrsverbund,
zu warten oder aber die Zukunft aktiv zu gestalten.
Aktiv hieß, z.B. die
gesamten Fahrplandaten, die für die Erstelung
eines neuen Kursbuches Für die gesamte Region
notwendig waren, auf Datenträgern zu erfassen,
um so auch in der Zukunft
einen vertretbaren Änderungsaufwand zu
gewährleisten.
Das führte auch dazu, daß die gesamten
Kartengrundlagen für Liniennetze, Stadtteilkarten,
Schnellbahnspinne, Nachtnetz
etc. auf Datenträgern digitalisiert wurden
und somit für die Zukunft wesentlich flexibler
handhabbar sind als in der Vergangenheit.
Dazu kommen nicht zu unterschätzende
logistische Kraftakte. So müssen zum 2.
Juni über 250 S- und U-Bahnhöfe und über
6.000 Omnibus- und Straßenbahnhaltestellen
mit neuer Fahrgastinformation und
Fahrgasthinweisen versehen werden.
Unter diesen Umständen wurde dann auch
der Druck des Kursbuches zu einem Abenteuer.
Zur Verdeutlichung: Es handelt sich
um über 220 Tonnen Papier, verpackt auf
ca. 400 Paletten.
Unter dem Strich steht jedoch, daß die
Verkehrsbetriebe in der Region Berlin etwas
auf die Beine gestellt haben, was in manchen
Verkehrsverbünden Jahre braucht.
Das macht Mut, was die Anpassungsfähigkeit
der Verkehrsbetriebe in der wachsenden
Metropole Berlin betrifft.
Wie informieren wir die Öffentlichkeit?
Die Veränderungen zum 2. Juni 1991 müssen
allen Fahrgästen (und allen potentiellen
Fahrgästen) durch eine breite und intensive
Öffentlichkeitsarbeit bekanntgemacht werden.
Eine Reihe von Maßnahmen und Publikationen
wird den Fahrgästen die Umstellung erleichtern.
Da die meisten Detailveränderungen die
Busliniennummern betreffen, wurde eine
Drehscheibe entwickelt. Auf ihr kann der
Fahrgast in einem Sichtfenster seine vertraute
Liniemiummer einstellen und findet
daneben sofort seine neue Liniennummer.
Zusätzlich steht dort auch noch eine kurze
Kennzeichnung der Fahrstrecke. Die Drehscheibe
hat zwei Seiten, eine für den BVG-,
die andere für den BVB-Bereich. Sie wird
von unseren Mitarbeitern an alle Fahrgäste
und darüber hinaus an vielen Stellen der
Stadt verteilt. Außerdem erhalten insbesondere
alle Busfahrerinnen und Busfahrer ein
handliches Faltblatt im Westentaschenformat.
Es gibt auf die elf wichtigsten Fragen
zu dem neuen Konzept Antworten und wird
an fragende Fahrgäste verteilt.
Jeder Berliner Haushalt erhält die Stadtteilkarte
von seinem Kiez. Auf ihr sind die verschiedenen
Linien der Verkehrsmittel eingezeichnet.
So kann er sich über die Veränderungen vor
seiner Haustür informieren.
Will er sich über die Veränderungen in den
übrigen Regionen informieren, erhält er die
anderen neun Stadtteilkarten kostenlos in
jeder Sparkassenfiliale der Stadt.
Die Informationen an den Haltestellen und
in den Bahnhofshereichen werden Zug um
Zug verbessert und vereinheitlicht. In öffentlichen
Einrichtungen wie z.B. Bezirksämtern können
sich die Fahrgäste durch einen Videofilm
informieren und Informationsbroschüren erhalten. Ferner werden
die Verkehrsbetriebe die Fahrgäste auch
mit ihrer Kundenzeitschrift “BVG aktuell"
in den Ausgaben Mai und Juni über alle
Umstellungen informieren. BVB, BVG, DR, VIP
|