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Was die Herausgeber des Buches “S-Bahn
Berlin - Der neue Triebzug ET 480” im
Vorjahr noch nicht zu prognostizieren wagten,
ist entschieden: "Ihr" Zug wird, zwar
etwas modifiziert, die Gesamt-Berliner S-Bahn
von morgen sein. Umso interessanter
also die Lektüre für alle, die sich mit
Zukunftskonzepten zum Berliner Nahverkehr
beschäftigen?
Das Anliegen der Autoren - an der Entwicklung
des "480“ beteiligte Ingenieure -
ist es, zu vermitteln, warum der neue Triebzug
so und nicht anders gestaltet wurde.
Damit soll auch den seinerzeit bei der Präsentation
der Prototypen vorgebrachten
Einwänden gegen Erscheinungsbild und
manch technisches Detail begegnet werden.
Enthalten sind ebenso ein historischer Abriß
bis zur im Januar 1984 erfolgten Übernahme
des Westnetzes durch die BVG, kritische
Anmerkungen des Designers Prof.
Lindinger zur Farbdiskussion und ein mittlerweile
geradezu bizarr anmutender Bericht über die
Transitfahrt eines Prototyp-Zuges im Jahre 1988,
von der Internationalen Verkehrsausstellung in Hamburg zurück
nach Berlin.
Technische Merkmale stehen jedoch im
Vordergrund. So wird zum Beispiel die Frage
beantwortet, warum aufgrund der in Berlin
üblichen Stationsabstände nicht 80 oder
120, sondern eben 100 Stundenkilometer als
zweckmäßigste Höchstgeschwindigkeit gewählt wurden.
Für den Fahrgast besonders
interessant sind die Abschnitte zum Fahrzeuggrundriß,
zur Raumaufteilung, Beleuchtung, Heizung und Belüftung wie auch
zum Informations-System. Zu kurz gekommen ist
allerdings das Mehrzweckabteil,
Speziell auf die Fahrradmitnahme wird
überhaupt nicht eingegangen, sieht man einmal davon
ab, daß in einem ganze zwei Sätze (!) umfassenden Abschnitt das Wort
“Fahrräder" immerhin vorkommt. Lapidar
ist hierzu lediglich vermerkt, daß “spezielle
Haltevorrichtungen für Räder zugunsten
höherer Flexibilität wieder zurückgestellt"
wurden.
Ausführlicher ist schon die Erläuterung des
rollstuhlgerechten Einstiegs mittels der
Klapprampe “KLARA”. So ist zu erfahren,
daß in den Serienzügen bei jeder Türöffnung
im Mehrzweckabteil die Rampe ausgefahren wird.
Konzipiert für eine Haltezeit
von 25 Sekunden könnte "KLARA" allerdings bei
extrem dichter Zugfolge - im östlichen Netzteil
durchaus öfter vorkommend -
zu Problemen führen. Generell bleibt die
Frage offen, ob Konstruktion und Ausstattung des “480"
auch für die künftigen, gegenüberr dem
West-Berliner Einsatzgebiet
veränderten Bedingungen geeignet sind,
also für Strecken von 50 Kilometer Länge
und Taktzeiten von zwei Minuten. - Mag
sein, daß hier manche der von Fahrgastorganisationen
und in Eisenbahnerkreisen zu
hörenden Bedenken überzogen sind. Durch
ihr geflissentliches Übergehen räumt man
sie aber nicht aus.
Die Reihe der Aufsätze endet mit einem
Zeitdokument: ein Artikel aus der Frankfurter
Allgemeinen Zeitung vom 2. Juli 1990
gibt ein Stimmungsbild vom Bahnhof Friedrichstraße
bei Wiederherstellung des
durchgehenden Ost-West-Verkehrs. Gerade
anläßlich dieses Ereignisses hätte es sich
angeboten, veränderte Anforderungen an
einen für das Gesamtnetz bestimmten S-Bahn-Zug
zu skizzieren und in knapper
Form auch über die Reichsbahn-Neuentwicklung,
die Baureihe 270, zu informieren.
Doch auf Gesamt-Berliner Perspektiven
und die Einordnung des “ET 480” in diesen
Kontext haben die Herausgeber - wie sie im
Vorwort selbst einräumen - bewußt verzichtet.
So ist das Buch eine empfehlenswerte
Dokumentation für fahrzeugtechnisch Interessierte,
die eben diesen erzieht nicht als
gravierenden Mangel empfunden.
Kurt Beier, Peter Falk, Herbert Lindinger,
Klaus Potschies, Helmut Sauer (Hrsg): S-Bahn Berlin -
Der neue Triebzug ET 480. Hestra-Verlag, Darmstadt 1990. 42 DM.
IGEB
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