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Die jetzige Situation in Köpenick ist sowohl
für die Fahrgäste und den Verkehrsbetrieb
wie auch für die Anwohner mehr als problematisch:
Die Straßenbahn bleibt an vielen
Stellen hoffnungslos im Autostau stecken,
wird durch Ampelschaltungen systematisch
benachteiligt und kann dadurch ihre Fahrpläne
nicht einhalten. Auf den eingleisigen
Außenstrecken führt dies zu einer Potenzierung
der Verspätungen, die sich schnell zu
einer Viertelstunde summieren können. Die
an vielen Stellen heruntergekommenen
Gleise sorgen zusammen mit verschlissenen
und nicht immer sachgerecht bedienten
Fahrzeugen für unzumutbare Lärmemissionen.
Für manchen ist die Straßenbahn
auch verantwortlich für die Schäden an der
historischen Bausubstanz - aber die Pkw's
mit ihren Abgasen und die tonnenschweren
Lkw`s werden bei der Suche nach den
Schuldigen meistens übersehen.
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Foto: I. Köhler |
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Foto: I. Köhler |
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Foto: I. Köhler |
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Behinderungen der Straßenbahn in der Köpenicker Dammvorstadt, die oft schon durch kleine Maßnahmen vermeidbar wären. Doch einige Senats- und Bezirksplaner denken lieber über Straßenabahn-Stillegungen nach. Auf den ersten drei Bildern sind alltägliche Situationen in der Bahnhofstraße zu sehen. Das Bild rechts unten zeigt die regelmäßige Behinderung der Straßenbahn auf der Dammbrücke bei der Fahrt in Richtung Altstadt. Foto: I. Köhler |
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Trotz dieser Vielzahl von Problemen stellt
die Köpenicker Straßenbahn ein wertvolles
Potential für ein attraktives, umweltverträgliches
Verkehrssystem im gesamten Süd-Ost-Raum der
Stadt und vor allem auch für
die zu sanierende Köpenicker Altstadt dar.
Kurzfristige Maßnahmen
Die für die Fahrgäste wichtigsten kurzfristig
zu realisierenden Maßnahmen sind überwiegend
organisatorischer Art. Besonders
vordringlich ist die Abmarkierung der Straßenbahngleiskörper,
so daß die Straßenbahn quasi auf eigener Trasse am Autostau
vorbeifahren kann. Die neuralgischen Abschnitte
sind die Bahnhofstraße, die Lange
Brücke und die Grünauer Straße zwischen
Glienicker Straße und Köllnischer Platz.
Nicht überall wird wegen der beengten Verhältnisse
eine lehrbuchhafte Lösung möglich sein, da
für die Autospur nicht immer
eine auch für Lkw's ausreichende Breite
realisierbar sein wird. Aber es wäre an vielen
Punkten eben schon viel gewonnen,
wenn die Straßenbahn wenigstens am Pkw-Stau vorbeifahren könnte.
Im Zusammenhang mit der Überarbeitung
der Ampelschaltungen, die z.Z. an vielen
Stellen die Straßenbahnen extrem benachteiligen,
könnte somit ein fahrplanmäßiger
Betrieb wieder gewährleistet werden. Unverzichtbar
dafür ist allerdings auch eine
Neuregelung für die Linksabbieger in der
Bahnhofstraße in Fahrtrichtung Süden: z.Z.
wird die Straßenbahn praktisch an jeder von
der Bahnhofstraße abzweigenden Querstraße
durch linksabbiegende Autos behindert.
Dies könnte durch Abbiegeverbote sofort
unterbunden werden. Erlaubt werden sollte
dagegen das Linksabbiegen an der Kreu-
zung Bahnhof- Ecke Friedrichshagener
Straße: Hier könnte die linke der beiden
Fahrspuren mit entsprechender Ampelschaltung
für Linksabbieger eingerichtet
werden, ohne daß eine Behinderung der
Straßenbahn erfolgen würde. Der Kfz-Verkehr
könnte somit in beiden Richtungen in
der Friedrichshagener Straße gebündelt
werden, wodurch wiederum Beschleunigungseffekte
Für die Straßenbahn in der
Seelenbinderstraße realisiert werden könnten.
Und schließlich könnte die Buslinie 269
aus den ungeeigneten Nebenstraßen herausgenommen
und in die Bahnhofstraße gelegt
werden.
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Hönower Straße. Die Fahrbahn wurde instandgesetzt, die Straßenbahnstrecke blieb in katastrophalem Zustand: Abgesackte Randpflasterung, hohlliegende Gleise, verriffelte Schienenköpfe. Foto: I. Köhler |
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Gleiserneuerung
Kurzfristig begonnen werden sollte natürlich
auch mit den Gleiserneuerungarbeiten.
Während die neuen Gleise auf der Müggelheimer
Straße seit dem 2.Juni nun endlich
wieder befahrbar sind, ziehen sich die Arbeiten
in der Wendenschloßstraße noch
immer in die Länge. Noch für diesen Sommer
ist der Beginn der Bauarbeiten in der
Seelenbinderstraße angekündigt. Dringender
Handlungsbedarf besteht aber noch an
vielen anderen Stellen des Köpenicker Netzes
und vor allem auch in der Altstadt.
Gelder für derartige Erneuerungsmaßnahmen
stehen ja aus dem Bundestopf “Gemeinschaftswerk
Aufschwung Ost" zur Verfügung, Mit dem Argument, daß es nicht
ausreichend baureife Pläne gibt, fließen diese
Gelder jedoch u.a. in fragwürdige U-Bahn-Bauten
wie die Verlängerung der U8
in das Märkische Viertel. Sollten Planungskapazitäten
und das technische Wissen für
einen zeitgemäßen Gleisbau, der einen
erschütterungsfreien Straßenbahnverkehr
auch in historischen Ortskernen ermöglicht,
in Berlin fehlen, so muß man dieses Knowhow
eben in den auf diesem Sektor erfahrenen
Betrieben und Ingenieurbüros der Alt-Bundesländer
einkaufen. Stattdessen aber
drohen die Gelder, die noch dieses Jahr
ausgegeben werden müssen, nicht vollständig
abgerufen zu werden und damit für
Berlin verloren zu gehen.
Bessere Fahrzeuge in den Depots
Das Köpenicker Straßenbahnnetz leidet
darüber hinaus an einem weiteren Mangel.
Wegen der unzureichenden Stromversorgung
sind die neuen Tatra-Züge, die neben
einer höheren Reisegeschwindigkeit den
Fahrgästen auch einen deutlich besseren
Komfort als die Altbaufahrzeuge bieten,
nicht oder nur mit Einzelfahrzeugen einsetzbar.
Die Fahrgäste müssen daher bis zur
Einrichtung eines neuen Unterwerkes weiterhin
mit den Altbaufahrzeugen vorliebnehmen,
während einsatzbereite Tatras in
den Depots stehen. Und da die bisherigen
Planungen zur Errichtung eines Unterwerkes
wegen ungeklärter rundstücksfragen
möglicherweise nicht mehr unverändert realisiert
werden können, steht der Zeitpunkt,
zu dem endlich Tatra-Wagen eingesetzt
werden können, noch in den Sternen.
Umso unverständlicher ist daher, daß die
BVB für die bisher im Köpenicker Netz eingesetzten
Großraumwagen vom Typ TDE
eine Hauptuntersuchungen mehr durchführen
läßt und damit die ersten Fahrzeuge
noch in diesem Jahr abgestellt werden müssen.
Diese Fahrzeuge bieten den Fahrgästen
einen besseren Standard als die zweiachsigen
Reko-Fahrzeuge, die jedoch noch ein
weiteres Jahrzehnt den Fahrgästen und den
Anwohnern zugemutet werden sollen. Der
Einbau von Schallabsorbern an einem
Großraumwagen hat gezeigt, daß mit geringem
Aufwand entscheidene Verbesserungen
hinsichtlich der Lärmemissionen bei diesem
Fahrzeugtyp möglich sind.
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Foto: I. Köhler |
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Behinderungen der Straßenbahn in der Köpenick Altstadt. Oben: Eine einsetzende 86 wird durch einen Pkw am Einbiegen von der Kirchenstraße in die Straße Alt-Köpenick gehindert. Unten: Die Lage des Gleises in der Straße Alt-Köpenick verhindert, daß die 83 an den im Stau stehenden Lkw vorbeifahren kann. Foto: Ch. Tschepe |
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Kurzfristig sollten schließlich auch die Fahrplantakte
verdichtet werden, da viele Streckenäste
tagsüber nur alle 20 Minuten befahren
werden, so daß z.Z. wegen der Behinderungen
durch den Individualverkehr Angebotslücken
von über einer halben Stunde (!)
keine Seltenheit sind.
Straßenbahn für Köpenick
Während Berliner und Köpenicker Verkehrsplaner
den Bezirk gleich mit diversen
neuen Tangenten-, Umgehungs- und Entlastungsstraßen
durchschneiden, die Straßenbahn mit großräumigen Umwegen aus
der Altstadt fernhalten wollen und die Lösung
für den ÖPNV im Grunde nur im Tunnel
(Verlängerung der S-Bahn Spindlersfeld
zur Altstadt Köpenick sehen, drohen die
Chancen, das dichte Köpenicker Straßenbahnnetzes
zu einem attraktiven öffentlichen Verkehrsmittel
zu entwickeln, verspielt zu werden.
Wie entscheidend die Vorteile einer
im Tageslicht fahrenden modernen Straßenbahn gegenüber allen anderen
öffentlichen Verkehrsmitteln bei vergleichsweise
geringem finanziellen Aufwand sein
können, kann am Beispiel Köpenicks geradezu
modellhaft verdeutlicht werden.
Eine moderne Straßenbahn, in der Regel
auf eigener Trasse vorbei am Autostau und
mit Ampelvorrangschaltungen geführt, kann
auch Autofahrer in großer Zahl wieder zum
Umsteigen auf den ÖPNV bewegen, wie
zahllose Beispiele im In- und Ausland längst
bewiesen haben. Und wenn es mal eng wird,
dann kann mit Hilfe von intelligenten Ampelregelungen
die Straßenbahn abschnittsweise auch ohne
eigene Trasse ungehinden
vorankommen. Und schließlich kann eine
moderne Straßenbahn auch mal langsam
fahren: In zahllosen Städten fährt
Straßenbahn ohne Komplikationen durch Fußgängerzonen.
Die hier reduzierte Fahrgeschwindigkeit wird
durch die Vorteile einer
unmittelbaren Erreichbarkeit der zentralen
Ortslagen und der problemlosen Zugänglichkeit
der Haltestellen mehr als kompensiert.
Und auch die technischen Möglichkeiten,
eine Straßenbahn leise und erschütterungsfrei
durch alte historische Ortskerne fahren
zu lassen, sind längst vorhanden, wie
die Beispiele in Karlsruhe-Durlach
und Darmstadt-Eberstadt zeigen. Völlig unverständlich
ist daher die Forderung, die
Straßenbahn aus der Köpenicker Altstadt
zu verbannen. Im Gegenteil: Eine modernisierte
Straßenbahn ist geradezu eine Voraussetzung zur
Attraktivierung einer vom
Autoverkehr befreiten und sanierten Altstadt.
Das dichte Straßenbahnnetz bietet die
Chance, daß die direkte Erreichbarkeit der
Altstadt mit der Straßenbahn aus fast allen
Ortsteilen des Bezirkes möglich wird, und
daß - kleine Netzerweiterungen vorausgesetzt - fast
der gesamte öffentliche Verkehr durch die
stadt- und umweltverträgliche Straßenbahn abgewickelt werden kann.
Das vorhandene Netz erschließt große Teile
des Bezirkes schon jetzt flächendeckend.
Die einzelnen Streckenäste bündeln sich zu
stark frequentierten Stammstrecken, die
schon jetzt zum Teil auf eigenen Trassen
verlaufen und für die bevorzugt weitere Beschleunigungsmaßnahmen
durchgeführt
werden sollten. Aus weiten Teilen der süd-östlichen
Berliner Stadtregion ist die Altstadt Köpenicks
damit schon heute direkt
mit der Straßenbahn erreichbar, so daß die
Voraussetzungen zur Entwicklung der Altstadt
zu einem bedeutenden Dienstleistungs- und
Einkaufsstandort mit einem für
Berlin außergewöhnlichen städtebaulichen
Ambiente besonders günstig sind. Aber
nicht nur für den Einkaufs- und Berufsverkehr
unter der Woche hat das Netz wichtige
Aufgaben zu erfüllen: Unverzichtbar für einen
umweltverträglichen Ausflugsverkehr in
die Berliner Forsten sind die Linien 25 nach
Rahnsdorf, 83 nach Wendenschloß und insbesondere
86 nach Schmöckwitz.
Streckenergänzungen
Mit nur kleinen Netzergänzungen im Südosten
der Stadt kann die Bedeutung der Straßenbahn
noch wesentlich gesteigert und
können die Fahrgastzahlen insgesamt noch
deutlich erhöht werden. Die wichtigste
Streckenergänzung betrifft die direkte Anbindung
des Salvador-Allende-Viertels an
das Straßenbahnnetz. Abzweigend von der
Müggelheimer Straße sollte durch die
Pablo-Neruda-Straße und den Müggelschlößchenweg
eine ca. 1 km lange Neubaustrecke
gebaut werden. Dadurch könnten die vielen
Fahrgäste der stark frequentierten Buslinie
168 von der zukünftig deutlich attraktiveren
und schnelleren Straßenbahn befördert werden.
Im Zusammenhang mit einer ca. 300 m
langen neuen Streckenverbindung entlang
der Müggelheimer Straße zwischen Kietzer
Straße und Alt-Köpenick könnte mit sich
überlagernden Linienästen die umsteigefreie
Erreichbarkeit sowohl der S-Bahn-Linie 3 am Bf.
Köpenick wie auch der S86 am
Bf. Spindlersfeld gewährleistet werden.
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Foto: Ch. Tschepe |
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Wegen der Lärmbelastung und der Erschütterungen soll die Straßenbahn aus der Köpenicker Altstadt (Bild oben) verbannt werden. Mit der heutigen Gleisbau- und Fahrzeugtechnik sind diese Probleme jedoch längst beherrschbar, wie das Beispiel Karlsruhe zeigt. Dort fährt die Straßenbau, u.a. in Karlsruhe-Durlach (Bild unten), mitten durch die Altstadt. Foto: M. Horth |
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Eingangs schon enrwähnt wurden die Stillegungspläne
für die Linie 84. Diese Linie
bindet die Altstadt Köpenick: an den S-Bf.
Spindlersfeld und damit an die Ringbahn an
und bietet im weiteren Streckenverlauf
durch die Dörpfeldstraße neben der Erschließung
auch die Verknüpfung mit den
S-Bahn-Linien 6, 8, 9 und 10 Richtung Königs
Wusterhausen bzw. Flughafen Schönefeld.
Probleme bereiten z.Z. insbesondere
südlich des S-Bf. Adlershof nicht nur der
katastrophale Zustand der Gleise, sondern
auch die langen eingleisigen Abschnitte, die
Lage der Gleise im Straßenraum im alten
Ortskern Altglienickes und die Wegführung
abseits der neu entstandenen Siedlungsschwerpunkte.
So wird zur Erschließung der Neubaugebiete in Altglienicke ein
aufwendiges, aber dennoch unattraktives
Busnetz z.T. parallel zur Straßenbahn betrieben.
Wegen der bereits erfolgten und
der zukünftig geplanten weiteren Siedlungsentwicklung im
Raum Altglienicke/Schönefeld sollte daher ab S-Bf. Adlershof eine
neue Straßenbahnstrecke über Rudower
Chaussee, Wegedornstraße (Abzweig nach
Rudow), Schönefelder Chaussee bis zum
Fernbahnhof und Flughafen Schönefeld gebaut werden.
Langfristig sollte der zweigleisige Streckenausbau
für die Linie 83 im Hultschiner
Damm nach Mahlsdorf und eine Durchbindung
bis nach Hellersdorf realisiert werden.
Dadurch würde eine attraktive Tangentialverbindung
geschaffen werden, der im
Interesse der Entwicklung und Stärkung der
polyzentrischen Stadtstruktur Berlins eine
besondere Bedeutung zukommt. IGEB
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