Längst selbstverständlich ist in Karlsruhe,
daß die städtischen Straßenbahnen auch
Abschnitte benutzen, die gleichzeitig auch
von (Güterzügen) der “richtigen" Eisenbahn
befahren werden. Während auf den
Außenstrecken die Straßenbahnzüge mit
hohen Geschwindigkeiten auf den Eisenbahngleisen
fahren, wechseln sie innerstädtisch in das
normale Straßenbahnnetz über
und fahren - genau wie die “städtischen
Straßenbahnen" - zum überwiegenden Teil
auf eigenen Trassen und, durch Vorrangschaltung
beschleunigt, bis direkt in die
Karlsruher Fußgängerzone. Gerade diese
direkte Erreichbarkeit der gesamten Karlsruher
Innenstadt aus den Umlandgemeinden entlang
der Strecken ist wesentliche
Grundlage für den Erfolg des Karlsruher
Systems. So stieg die Zahl der ÖPNV-Fahrgäste
nach Einrichtung der vorher nur
durch Busse und die DB erschlossenen Orte
entlang der Hardtbahn nach Umrüstung zur
Stadtbahn um über 50%. Etwa die Hälfte
der neuen Fahrgäste sind zuvor mit dem
Auto gefahren.
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Neuer Mehrsystem-Stadtbahnwagen auf der Fahrt von Karlsruhe nach Pforzheim im Bf. Grötzingen. Die stadtischen Verkersbetriebe in Karlsruhe können mit ihrer Straßenbahn jetzt auch auf elektrifizierten Fernbahnstrecken der Deutschen Bundesbahn fahren. Foto: U. Schulz |
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Neues Mehrsystem-Fahrzeug
Mit der Entwicklung des neuen Mehrsystemfahrzeugs
wird der Einsatzbereich der
Straßenbahn-Fahrzeuge jedoch noch wesentlich
ausgeweitet. Denn nun können
auch elektrifizierte Bundesbahnstrecken
von den Straßenbahnwagen befahren werden.
Dazu verfügen die hier eingesetzten
Züge über die elektrische Ausrüstung für
zwei verschiedene Stromsysteme: Gleichstrom
mit 750 Volt für den Straßenbahnbereich
und Wechselstrom mit 15.000 Volt
und 16 2/3 Hertz für die DB-Strecke. Die
Umwandlung erfolgt mittels eines im Fahrzeug
eingebauten Transformators und
Gleichrichters. Diese neuen Züge übernehmen
derzeit etwa die Hälfte der Nahverkehrsleistungen
auf der Strecke zwischen
Karlsruhe und Pforzheim, auf der nach wie
vor auch der sonstige Eisenbahnfernverkehr
(EC-, IC-, IR- und Güterzüge) abgewickelt
wird.
Richtig wirksam wird der Einsatz der neuen
Mehrsystemfahrzeuge dann im nächsten
Frühjahr, wenn nach Fertigstellung einer
Verbindungsrampe die Straßenbahnfahrzeuge
einer zunächst aus dem Karlsruher
Vorort Grötzingen kommenden neuen Linie
direkt vom DB-Netz in das städtische
Straßenbahnnetz überwechseln können und
den Fahrgästen das umsteigefreie Erreichen
der Karlsruher Fußgängerzone ermöglicht
wird. Im Herbst 1992 ist dann die Verlängerung
dieser Linie auf DB-Gleisen bis in die
20 km entfernte Stadt Bretten vorgesehen.
Und auch der weitere Zeitplan für den Ausbau
dieses kombinierten Systems ist dicht
gedrängt: 1994 soll ein weiterer Streckenast
von Grötzingen nach Wilferdingen/Remchingen
verlängert werden. Gleichzeitig
wird dann auch in westlicher Richtung eine
Verknüpfung von DB-Strecken mit dem
städtischen Straßenbahnnetz erfolgen: Auf
der linksrheinischen Seite soll die Strecke
zunächst bis nach Wörth geführt werden.
Hier wird - wie schon bei der in den letzten
Jahren gebauten Hardtbahn nach Hochstetten -
innerhalb der Ortschaften die bestehende
Eisenbahnstrecke zugunsten einer
besseren Flächenerschließung mit einer
durch die Ortskerne führenden Strecke verlassen.
Und genau darin liegt neben der direkten
Erreichbarkeit der gesamten Karlsruher Innenstadt
auch ein wesentlicher Vorteil des Konzeptes
gegenüber dem konventionellen Nahverkehrsangebot
der klassischen Eisenbahn: Statt nur einem Bahnhof,
zu dem entweder lange Fußwege in Kauf
genommen oder aufwendige und trotzdem
unattraktive Zubringerbuslinien eingerichtet
werden müssen, gibt es mehrere Haltepunkte,
weil das Mehrsystem-Fahrzeug innerhalb
der Siedlungsgebiete eben auch im
normalen Straßennetz oder durch Fußgängerzonen
geführt werden kann, womit eine
optimale Flächenerschließung möglich ist.
Straßenbahn ohne Oberleitung
Die bis 1994 in Betrieb gehende Strecke
nach Wörth soll später noch wesentlich weiter
bis in die Pfalz nach Landau und ein
zweiter Ast nach Germersheim verlängert
werden. Da die DB-Gleise hier jedoch mehr
elektrifiziert sind, testen die Karlsruher z.Z.
einen anderen Mehrsystem-Fahrzeugtyp:
Dieser ist mit Hochenergiebatterien ausgestattet,
die sich beim Befahren des innerstädtischen
Gleichstromnetzes und durch
Bremsenergie aufladen. Auf den nicht elektrifizierten
Außenstrecken erfolgt der Antrieb dann
ausschließlich durch die eingebauten Akkus,
wodurch die Kosten für die
Elektrifzierung der Strecken gespart werden.
Und gerade auch dieses zukunftsträchtige
Modell der Einbindung von Eisenbahnstrecken
in das innerstädtische Straßenbahnnetz
könnte auch für die Berliner Region
Bedeutung erlangen, wenn das Verkehrsaufkommen
von Eisenbahnstrecken
nicht den Betrieb von S-Bahnen rechtfertigt
bzw. wenn die lokale Situation eine bessere
Flächenerschließung erfordert.
Zum Beispiel: Heidekrautbahn
Denkbar wäre dies z.B. auf der Heidekrautbahn,
die aus dem Märkischen Viertel eine
Direktverbindung in die Basdorfer Heide
und zu den Umlandgemeinden Schildow,
Mühlenbeck, Basdorf, Wandlitz bis nach
Groß Schönebeck bieten könnte. Eine solche
Verbindung hätte natürlich eine weit
über den Freizeitverkehr hinausgehende
Bedeutung. Als attraktive regionale Schienenverbindung
könnte sie das Rückgrat einer geordneten
und sich am Schienenverkehr orientierenden Siedlungsentwicklung
in diesen Bereichen werden. Gegenüber einem
konventionellen Eisenbahnbetrieb bietet
eine analog zum Karlsruher Vorbild entwickelte
Betriebsweise nicht nur aus finanziellen
Gründen entscheidende Vorteile:
Zur besseren Flächenerschließung in den
Gemeinden (z.B. Mühlenbeck) könnten abschnittsweise
die Eisenbahntrasse verlassen
und die Gleise im normalen Straßennetz geführt
werden. Darüber hinaus können natürlich auch
problemlos weitere Haltepunkte auf der
bestehenden Strecke ohne nennenswerten
baulichen oder betrieblichen
Aufwand eingerichtet werden. Bei Einsatz
von Akkufahrzeugen erübrigt sich der Aufwand
zur Elektrifizierung der Strecke.
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Die Hardtbahn von Karlsruhe nach Hochstetten. Hier verläßt die Stadtbahn die ehemalige Bundesbahnstrecke, um eine optimale Flächenerschließung der Anligergemeinden zu erreichen. Foto: M. Horth |
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Die Neubaustrecke in Karlsruhe-Forchheim, ein gelungenes Beispiel für Straßengestaltung mit Straßenbahn. Und wo es eng wird, kann solch eine Strecke - bei durchdachter Fahrplangestaltung - auf kurzen Abschnitten problemlos eingleisig bleiben. Foto: M. Horth |
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Ab dem Kreuzungspunkt der Heidekrautbahn
mit dem Wilhelmsruher Damm könnten die
Fahrzeuge dann im “normalen”
Straßenbahnnetz auf neu gebauten
Straßenbahnstrecken im Märkischen Viertel
weiterfahren und gleichzeitig ihre Akkus für die
Rückfahrt aufladen. Mit einer Streckenführung
über den Wilhelmsruher Damm
wäre zum einen das Märkische Zentrum
und zum anderen der ab 1994 bestehende
Umsteigeknoten am S- und U-Bf. Wittenau
(Nordbahn) aus den Umlandgemeinden direkt
erreichbar. Zur Finanzierung derartiger
Strecken stehen natürlich auch GVFG-Mittel
genau wie für S-Bahn- und U-Bahn-Bauten
zur Verfügung. Wesentlicher Unterschied:
Ein Kilometer Straßenbahn-Neubaustrecke
kostet mit Investitionskosten
von max. 10 Mio DM sehr viel weniger als
ein Kilometer neue Schnellbahntrasse. Und
bei der Reaktivierung vorhandener Trassen
wird es noch günstiger.
Dies alles klingt natürlich noch nach Zukunftsmusik,
und wenn man den derzeitigen
Zustand der Berliner Straßenbahn vor Augen
hat, wird auch deutlich, daß zunächst
vor allem die Instandsetzung der vorhandenen
Strecken zu bewältigen ist. Dennoch
muß schon jetzt anhand solcher Beispiele
deutlich gemacht werden, welch Potentiale
und Chancen mit dem vorhandenen Berliner
Straßenbahn- und Eisenbahnnetz für
den ÖPNV insgesamt bestehen, wenn es gelingt,
beide Netze als sich ergänzende Systeme
zu entwickeln. Die IGEB ist daher gespannt,
ob der Verkehrssenator in dem für
Mitte August von ihm angekündigten Straßenbahnkonzept
auch solche Zukunftsperspektiven entwickelt hat, denn schließlich
bieten sich dafür noch mehrere andere der
bestehenden Bahnstrecken im Berliner
Raum an.
IGEB
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