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Die Berliner Abgeordneten haben das
Recht, dem Senat Fragen zustellen und darauf
Antworten zu erhalten. Die Themen der
Fragen sind ein Indikator dafür, welches
Problem von besonderem öffentlichem Interesse
ist, oder welcher Senator eine besonders
umstrittene oder schlechte Politik
macht. Auf Verkehrssenator Herwig Haase
(CDU) trifft alles zu, und deshalb hat er besonders
viele Anfragen zu beantworten.
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Foto: B. Schulz |
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Die überstürzte Umbenennung von 9 U-Bahnhöfen im Ostteil der Stadt begründete Senator Haase (Bild oben am 2.10.91) mit politisch belasteten Namen. Warum aber mußten dann Nordbahnhof in Zinnowitzer Straße umbenannt werden? Die Kosten, die der BVG durch Haases Sponti-Aktion entstanden, waren natürlich viel höher, als der Senator zugab, allein dadurch daß viele der Klebefolien schon wenige Tage nach der Umbenennung wieder abgerissen waren (Bild hier) und erneuert werden mußten. Foto: Ch. Tschepe |
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Seit einiger Zeit nun versucht Senator Haase
dieses Grundrecht der Abgeordneten
auszuhöhlen, indem er auf die sogenannten
Kleinen Anfragen unvollständige oder gar
falsche Antworten gibt. Der Abgeordnete
Michael Cramer von der Oppositionspartei
Bündnis 90/Grüne beklagt dies schon seit
längerem. In letzter Zeit hat es aber auch
die SPD getroffen, die immerhin Koalitionspartner
der CDU ist. Dazu nachfolgend
ein Beispiel aus mehreren. Im Herbst
1991 stellte die SPD-Abgeordnete Käthe
Zillbach (SPD) eine Kleine Anfrage zu der
Umbenennung von U-Bahnhöfen, die auf
Weisung von Senator Haase kurzfristig und
mitten in der Fahrplanperiode erfolgte:
"Trifft es zu, daß, um die Kosten der Umbenennung
[am 3.10.91] gering zu halten und
die Orientierung für die Fahrgaste zu erleichtern,
geplant war, die Umbenennungen gemeinsam
mit einem Fahrplanwechsel vorzunehmen
?"
Verkehrssenator Haase antwortete ihr:
"Diese Absicht bestand. Der Senat hat sich
aber aufgrund der teilweise quälend langen
Diskussionen um die längst überfälligen,
von den Bürgern immer wieder verlangten
Rücknahmen von politisch belasteten Straßen-
und Bahnhofsbenennungen zur Umbenennung
von U-Bahnhofsnamen zum Jahrestag
der deutschen Einheit entschlossen,
weil er diese Diskussionen für den Bereich
seiner Verantwortung beenden wollte."
Zillbach: "Welche Kosten sind mit dieser
übereilten Aktion verbunden, und wie beurteilt
der Senat die Vorwürfe von Fahrgastverbanden,
daß der Senat auf der einen
Seite von der BVG Einsparungen erwartet
und sich andererseits durch diese Maßnahme
als Kostentreiber betätigt, zumal außerdem
auch noch mit weiteren Umbenennungen zu
rechnen ist?"
Haase: "Das provisorische Anbringen der
Folien für die neuen Bahnhofsnamen hat
pro Bahnhof im Mittel knapp 2.900,- DM
(incl. Mwst.) gekostet. Der Senat hält diese
Ausgaben aus den zuvor genannten Gründen
für vertretbar." (LPD vom 6.12.1991)
Mit beiden Antworten disqualifiziert sich
Herr Haase als ernstzunehmender Politiker.
Wenn es ihm wirklich nur darum ging, am
3.10.91 "politisch belastete" Bahnhofsnamen
zu ändern, warum wurden dann
die Stationen "Nordbahnhof" und "Frankfurter
Tor" umbenannt? Auch die Antwort
zu den Kosten der 9 Bahnhofsumbenennungen
kann nicht befriedigen. Sie ist es wert,
gründlicher betrachtet zu werden.
Herrn Haases Antwort ist so formuliert, daß
der Eindruck entsteht, die ganze Aktion
habe lediglich 9 x 2.900, also insgesamt
26.100 DM gekostet, und das sei ja wohl ein
politisch zu rechtfertigender Betrag. Wenn
nun einer dem Senator vorwerfen sollte, es
seien doch viel mehr Maßnahmen nötig gewesen,
die auch alle Geld gekostet hätten,
dann dürfte der Senator sich darauf zurückziehen,
daß er nie behauptet habe, daß das
Anbringen der Folien die einzig notwendige
Maßnahme gewesen sei. Aber Frau Zillbach
habe nach den Kosten "dieser übereilten
Aktion" gefragt, während alle anderen Kosten
auch bei einer späteren Umbenennung
entstanden wären.
Alles in Ordnung? Natürlich nicht. Denn
Frau Zillbach hatte eindeutig die Gesamtkosten
und nicht die Mehrkosten der
Umbenennungsaktion wissen wollen. Aber
selbst die Mehrkosten lagen wesentlich höher,
weil die BVG z.B. nicht nur bei den Folien
auf den Bahnhöfen, sondern auch bei
den Netzspinnen in den Zügen Geld für
Provisorien ausgeben mußte. Als unverdächtigen
und kompetenten Zeugen für den
Gesamtumfang der von Senator Haase ausgelösten
Maßnahmen führen wir die BVG
selbst an:
"Für die Verkehrsbetriebe sind solche Aktionen
mit sehr viel mehr Aufwand verbunden,
als man sich zunächst vorstellen mag.
Allein die Sofortmaßnahmen nach der Umbenennung
der neun U-Bahnhöfe vom
3.10.91 machten erforderlich, daß 100 Scheiben
in den Fahrtrichtungsanzeigern auf den
U-Bahnhöfen neu angefertigt und montiert
werden mußten. Für 58 Bankschilder mußten
Klebefolien mit den neuen Namen angefertigt werden.
Namensschilder in den
Zugangsbereichen der U-Bahnhöfe mußten
korrigiert werden, und zwar sowohl 14
Emailleschilder wie auch 24 Transparentscheiben,
die mit Klebestreifen oder Transparentfolien
den neuen Bahnhofsnamen
angepaßt wurden. Ähnliche Prozeduren ergaben
sich bei 78 Übergleisnamensschildern.
Darüber hinaus mußten Fahrtrichtungsanzeiger
in den Fahrzeugen neu angefertigt
werden, weil die U2 nun nicht mehr
zur Otto-Grotewohl-, sondern zur Mohrenstraße
fährt. Dazu kommen die Änderungen
der Leitinformationen auf den Bahnhöfen
und in den Verkehrsspinnen. Und natürlich
auch die für den Fahrgast nicht sichtbaren
betriebsinternen bis hin zu den Abkürzungen,
an die sich die Kollegen in den langen
Jahren gewöhnt haben." (BVG-Signal 1/92)
Diese lange Liste zeigt, wie ärgerlich es
nicht nur für die Fahrgäste, sondern auch
für BVG/BVB war, daß die Änderungen
der Bahnhofsnamen so überfallartig und
außerhalb eines Fahrplanwechsels erfolgen
mußten. Wenn der Verkehrssenator dies alles
verschweigt und lediglich einen Teil der
Mehrkosten als Folge seines Aktionismus'
benennt, dann täuscht er die Fragestellerin
und die Öffentlichkeit - und zwar vorsätzlich! IGEB
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