Am 9. Juli lud Bausenator Wolfgang Nagel
(SPD) zu einer Besichtigung der S-Bahn-Baustellen
am Südring. Ausführlich wurde
über den Baufortschritt und den gewaltigen
Umfang der Arbeiten berichtet. Interessanter
ist aber bisweilen das, was nicht gesagt
wird. So war es auch dieses Mal.
Beispiel 1: die neue Überführung über die
Niemetzstraße in Neukölln. Für 7 Mio. DM
wird hier ein neues Verzweigungsbauwerk
errichtet, über das später Züge nach Sonnenallee
- Treptower Park ebenso wie nach
Köllnische Heide - Baumschulenweg fahren
Können. »Da schlägt dem Brückenbauer das
Herz höher«, kommentierte der für Brückenbau
(und -abräumung) zuständige Abteilungsleiter.
Nicht erwähnt wurde, daß die
imposante Größe dieses Bauwerks unter
anderem auch daher rührt, daß ganz nebenbei
die Niemetzstraße von 13 auf 23 Meter
verbreitert wird. Hier wird also eine Verbesserung
für den Autoverkehr aus dem
Bahnbauetat finanziert.
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Foto: B. Strowitzki |
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Per Ferkeltaxe über den S-Bahn-Südring mit Halt am S-Bf. Heidelberger Platz (unten). Foto: B. Strowitzki |
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Beispiel 2: S- und U-Bf. Hermannstraße.
Daß die geplante Anlage der Aufzüge und
Zugänge am Bahnhof Hermannstraße problematisch
ist, gaben die Beamten immerhin
zu. Aber wer genauer hinsieht, stellt
verwundert fest, daß die Fahrgäste vor allem
am Südausgang des geplanten U-Bahnhofs
mit verwinkelten Gängen und unnötig
langen Wegen vorlieb nehmen sollen, weil
man den Autoverkehr nicht beeinträchtigen
möchte (s. Seite 14 ).
Beispiel 3: S-Bf. Papestraße. Unter den sieben
Stationen der Besichtigungstour war
ausgerechnet dieser nicht enthalten. Kein
Wort war zu hören, daß hier nun doch
durch eine provisorische Weiternutzung des
alten Bahnsteigs die ständige Planungsverzögerung
aufgefangen werden soll, was der
Gutachter Prof. Endmann dem Senat schon
vor über zwei Jahren empfohlen hatte. In
der größten Not reicht manchmal eben auch
der alte Bahnhof. Aber natürlich ist es viel
interessanter, Baustellen vorzuführen, wo
große Löcher gegraben und große Mengen
Beton vergossen werden.
Beispiel 4: S-Bf. Schöneberg. Keine Erläuterung
gab es auch, warum die Bauarbeiten
am S-Bf. Bahnhof Schöneberg aus "Aufschwung
Ost-Mitteln" finanziert werden.
Aus welchem Topf wird dann wohl die Sanierung
des Bahnhofs Ostkreuz finanziert
werden?
Von Heidelberger Platz nach Westkreuz
konnte die Fahrt sogar schon auf den S-Bahn-Schienen
stattfinden. Dafür hatte die
Reichsbahn eigens einen LVT (»Ferkeltaxe«)
herangefahren. So konnte man im Vorbeifahren
den neuen Bahnhof Halensee bewundern.
Es ist traurig, daß es bei so aufwendigen
Baumaßnahmen nur dazu gereicht
hat, statt des viergleisigen Verzweigungsbahnhofs,
der bis 1989/90 hier zu finden
war, einen zweigleisigen Bahnhof mit
einem abzweigenden Überführungsgleis
wiederherzustellen. Angeblich wird eine
Verbindung von Halensee nach Charlottenburg
nur für Leerfahrten, nicht aber für den
Fahrgastverkehr benötigt.
Bei der Besichtigung des neuen Stellwerks
Westkreuz wurde das Reizwort "EZS 800"
überhaupt nicht mehr erwähnt. Möge diese
gescheiterte Zugsicherungstechnik in Frieden
ruhen ...
Natürlich ist alles etwas teurer geworden als
geplant. Von den 1987 veranschlagten 387
Mio DM (Westend - Sonnenallee) redet ja
schon gar keiner mehr, aber daß aus den
1989 bei Baubeginn genannten 585 inzwischen
724 Mio DM geworden sind, hegt
nicht nur an dem neu dazu gekommenen
Abzweig nach Baumschulenweg. Denn auch
ohne diesen sollen die Kosten nun 643 Mio
DM betragen! Folglich mußten sich die Senatoren
Haase und Nagel wieder einmal auf
dem Berliner Verschiebebahnhof betätigen:
Die Wiederinbetriebnahme des ersten Abschnittes
der Kremmener Bahn (Schönholz -
Tegel) wurde von 1992 auf Sommer 1993
verschoben, die Wiederinbetriebnahme des
ersten Abschnittes der Anhalter Bahn vom
Jahresende 1993 zum Sommer 1994. Zugleich
wurde dieser erste Abschnitt Priesterweg
- Lichterfelde Süd auf Priesterweg -
Lichterfelde Ost verkürzt. Ein Skandal, dem
wir noch einen eigenen Artikel widmen werden. IGEB
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