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Die Breitseite der BVG gegen die Straßenbahn
ist die Kriegserklärung eines Personenbeförderungsunternehmens
gegen die Fahrgäste, die
Finanzkraft der Stadt und ein offensichtliches
Plädoyer für die Zementierung der Spaltung
Berlins bis weit in das nächste Jahrhundert
hinein. Dies erinnert fatal an die S-Bahn-feindliche
Position der BVG, die sie seit 1984 eingenommen
und auch nach neun Jahren noch
nicht überwunden hat.
Natürlich ist von mir niemals behauptet worden,
daß die Straßenbahn die "Hauptlast des
Personennahverkehrs" tragen soll. Dies wäre
angesichts der Existenz von 325 km S-Bahn
(leider liegen davon allein 75 km im Westteil
der Stadt seit 1984 brach) und von 134 km U-Bahn
auch eine völlige Verkennung der Realität.
Denn bereits heute trägt das Netz von S- und
U-Bahn die Hauptlast.
Daß die BVG aber nur die "U-Bahn (als)das
Massenverkehrsmittel für die Metropole
Berlin" sieht, unterstreicht einmal mehr, daß in den
Köpfen der BVG-Spitze auch nach neun (!)
Jahren die S-Bahn noch nicht existent ist. Wie
soll die BVG-Spitze bei diesem Hintergrund
schon nach drei Jahren die Möglichkeiten der
Straßenbahn wahrnehmen, die immerhin ein
Netz von 176 km umfaßt?
Selbstverständlich ist die Leistungsfähigkeit
von U- und S-Bahn größer als die der Straßenbahn.
Nur ist der Preis für einen km U-Bahn
mit 150 bis 200 Mio DM zwanzig- bis dreißigmal
so hoch wie der eines km Straßenbahn.
An dieser schlichten Erkenntnis kommt auch
die BVG nicht vorbei - es sei denn, sie hätte
einen Dukatenesel im Keller der Potsdamer
Straße. Im übrigen wäre dann auch nicht nachvollziehbar,
wieso die U2-Anbindung an den
Nord-Süd-S-Bahn-Tunnel wegen lumpiger
150.000 DM scheitert.
Von offensichtlicher Betriebsblindheit getrübt
verkennt die BVG, daß die Schließung aller
durch den Mauerbau entstandenen Lücken im
U- und S-Bahn-Netz die oberste Priorität
haben muß, damit zusammenwachsen kann, was
zusammengehört. Warum ist die U-Bahn-Verlängerung
in Pankow eigentlich wichtiger als der
Lückenschluß zwischen den S-Bahnhöfen Neukölln
und Treptower Park? Oder als der
Nordring? Oder die Verbindungen nach Teltow,
Hennigsdorf und Falkensee? Oder die
Straßenbahnverlängerungen wenigstens bis
zum nächsten U- oder S-Bahnhof diesseits der
ehemaligen Mauer? Diese Maßnahmen sind die
wichtigsten, danach - aber erst danach - kommen
die Erweiterungen des U-Bahn-Netzes an
die Reihe.
Wer aber in völliger Verkennung der Finanzkraft
Berlins heute mehr U-Bahn fordert, ohne
die Lückenschlüsse vollzogen zu haben, zementiert
die Spaltung ebenso wie die immer
unattraktiver werdenden Zustände für die
Fahrgäste der BVG.
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(IGEB) Man muß kein Anhänger grüner Politik
sein, um zu dem Urteil zu kommen, daß der
Abgeordnete Cramer diese Runde gewonnen
hat - dank besserer Argumente: Denn die BVG-Erklärung
weist verblüffende Parallelen zu den
West-Berliner Anti-Straßenbahn-Argumentationen
der 50er und 60er Jahre auf, Herr Cramer
aber hat die Finanzierungs- und Realisierungsmöglichkeiten
der 90er Jahre im Blick.
Er kann sich dabei auf viele Positionen der
BVG-Planungsabteilung mit ihrem Leiter Hartmut
Schmidt stützen, der schon seit über einem
Jahr immer wieder darauf hinweist, daß sich
Berlin in den nächsten Jahren gar nichts anderes
leisten kann, als einen zügigen Tramausbau.
Denn neue S- und vor allem U-Bahn-Strecken
sind viel zu teuer, und ihre Realisierung
dauert viel zu lange. Dieser zweite Aspekt wird
immer wieder vergessen. Beide, der Geld- und
der Zeitmangel, zwingen zum sofortigen Umdenken.
Doch der Senat überlegt nur: "Wie
kommt Berlin zu mehr Geld?" Die Frage muß
aber heißen: "Wie kann Berlin das zur Verfügungstehende
Geld effektiver einsetzen? "Eine
befriedigende Antwort auf diese Frage findet
nur, wer der Tram Priorität einräumt. Das haben
viele verstanden, darunter z.B. der BVG-Planer
Hartmut Schmidt (CDU), der Abgeordnete
Torsten Hilse (SPD) und der Abgeordnete
Michael Cramer (Bündnis 90/Grüne). Aber der
Berliner Senat - und hier vor allem Verkehrssenator
Haase (CDU) und Bausenator Nagel
(SPD) - kann oder will es nicht verstehen. Der
innerstädtische Verkehrszusammenbruch für
Berlin ist damit vorprogrammiert. Michael Cramer, MdA
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