Schienenverkehrswochen 1992

S-Bahn-Sprechtag

Am 2. September fand im Berliner Hbf der traditionelle Sprechtag für S-Bahn-Fahrgäste statt. Zum vielleicht letzten Mal saßen zwei Betriebschefs auf dem Podium: Von der BVG Herr Dipl.-Ing. Erich Kratky, von der Reichsbahndirektion Berlin Herr Dr.-Ing. Wolf-Ekkehart Matthaeus. Schon jetzt betreibt die BVG nur noch einen Teil des Westnetzes, und ab 1994 wird die Reichsbahn wieder für den gesamten Berliner S-Bahn-Betrieb zuständig sein. Freilich könnte das S-Bahn-Netz in BVG-Regie größer sein. Auch die BVG ist mit den Leistungen der Senatsbauverwaltung teilweise unzufrieden. So beklagte Herr Kratky, Wiedereröffnungen stillgelegter Strecken würden "immer weniger und immer eingleisiger".

Die Fragen und Anregungen der zahlreich erschienenen Fahrgäste zeigten dann, wo überall der Schuh drückt. Die Bandbreite reichte von örtlichen Problemen wie den mangelhaften Zugzielanzeigern im Bahnhof Springpfuhl bis zu grundsätzlichen Fragen wie der nach einer 1. Klasse. Bei ersterem versprach Herr Matthaeus Abhilfe, aber eine 1. Wagenklasse, wie z.B. in Hamburg, lehnte er ab. Die Betriebserfahrungen bei der Bundesbahn und das Problem der Kontrolle sprächen dagegen. Breiten Raum nahm das Thema Fahrgastinformation ein. Die in letzter Zeit viel diskutierten Themen Sicherheit und zu geringes Zugangebot spielten dagegen, zumindest für die anwesenden Fahrgäste, kaum eine Rolle. Vielleicht lag es daran, daß wieder einmal Männer im mittleren Alter überrepräsentiert waren und Frauen, vor allem ältere, weitgehend fehlten.

Eingang
Nicht zu übersehen war der Informations- und Verkaufsraum im Hauptbahnhof. Foto: Georg Radke
Podium
Gut besucht (wie jedes Jahr) war der Sprechtag für S-Bahn-Fahrägste. Anwesende waren beide Betriebsleiter, Herr Dr. Matthaeus von der Reichsbahndirektion Berlin und Herr Kratky von der BVG, sowie Her Curth und Herr Strowitzki vom Fahrgastverband IGEB (von links nach rechts). Foto: Georg Radke

Viele Beiträge betrafen Zukunftspläne. U.a. wurde nach Fahrradwagen gefragt. Die Überfüllung der Züge auf den Ausflugslinien ist ja hinreichend bekannt. Hierzu sagte Matthaeus, die DR erwäge für die kommende Saison einen Versuch, ausgemusterte S-Bahnen zu Fahrradwagen umzubauen. Nachgedacht wird ferner über die Einführung von Zweisystemfahrzeugen, die das Problem der unterschiedlichen Stromsysteme (Wechselstrom und Gleichstrom) lösen könnten.

Beide Gäste bemühten sich sehr, auf alle Fragen einzugehen. Aber manche Antwort konnte nicht befriedigen. So klagte ein Fahrgast über mangelnde Höflichkeit bei der Zugabfertigung. Während in anderen Städten stets "Zurückbleiben bitte" oder "Bitte zurückbleiben" gerufen wird, heiße es in Berlin nur "Zurückbleiben" (wenn nicht gar "Zurück"). Das freundlichere "Bitte", wurde ihm erklärt, scheitere in Berlin an der kurzen Abfertigungszeit von nur 24 Sekunden, da müsse an jeder Silbe gespart werden...

Auch Seitenblicke zur U-Bahn und in die Historie gab es. Herr Kratky bekräftigte den Willen der BVG, abweichend von der Position des Verkehrssenators (siehe SIGNAL 7/92 ) die U-Bahn-Linie 3 zumindest in der HVZ von Schlesisches Tor bis Uhlandstraße verkehren zu lassen (geplante Linienbezeichnung: U15). Ein Fahrgast erinnerte an Qualitäten der Fahrgastinformation zu Zeiten ohne moderne Elektronik. Die S-Bahn-Linie Erkner - Potsdam, berichtete er, trug früher Zielschilder mit roter Schrift auf weißem Grund, so daß sie schon auf den ersten Blick z.B. von den Zügen Grünau - Falkensee zu unterscheiden waren, denn diese hatten weiße Schrift auf grünem Grund.

IGEB

aus SIGNAL 9-10/1992 (Dezember 1992), Seite 21-22

 

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