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Erlauben Sie Ihrem Kind doch einfach, die Bahnhofsgleise
zu überqueren. - Warum nicht? Es kann
ja schließlich acht geben, ob gerade ein Zug
kommt oder nicht. Sie finden das zu gefährlich?
Dann wünschen wir Ihnen, daß Sie nicht an der
Hellersdorfer Straße, dem Brunsbütteler Damm,
dem Tempelhofer Damm oder einer der vielen
anderen Rennstrecken in dieser Stadt wohnen.
Dort hat Ihr Sprößling als einzigen Schutz vor der
tödlichen Auto-Gefahr seine eigene Achtsamkeit.
Pech für ihn, wenn er aufgrund seiner mangelnden
Körpergröße am Straßenrand nicht gesehen wird,
wenn er die Geschwindigkeit herannahender
Fahrzeuge nicht einschätzen kann, wenn der Autofahrer
vielleicht eine rote Ampel übersieht.
Tausende von Eltern müssen dieses Spiel mit dem
Tod ihren Kindern täglich zumuten, wenn diese
eine Hauptverkehrsstraße überqueren, um ihre
Schule, einen Spielplatz oder die Wohnung ihres
Freundes jenseits der Straße zu erreichen. Und die
Zahl der Kinder, die es nicht schaffen, steigt in
Berlin von Jahr zu Jahr. Waren es im vergangenen
Jahr zehn Kinder, die auf diese Weise ums
Leben kamen, traf es im Januar 1993 bereits drei
Kinder!
Den älteren Leuten ergeht es nicht besser. Im
Gegenteil: Von den 198 im Jahre 1991 im Berliner
Straßenverkehr getöteten Personen waren die
Mehrzahl Fußgänger, von diesen wiederum die
Mehrzahl ältere Leute - Opfer einer zunehmenden
Raserei. Das Dezernat Straßenverkehr der
Polizei hat diese Entwicklung dokumentiert und
stellt unumwunden fest, mit 14 Radarwagen für
die ganze Stadt diesen Krieg nicht gewinnen zu
können.
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Gedenkstätte auf dem Mittelstreifen, im Hintergrund das Dienstgebäude von Verkehrssenator Herwig Haase, An der Urania 4-10. Die Unaufmerksamkeit eines Kindes im Verkehr darf nicht sofort mit dem Tode bestraft werden, sagte der Vorsitzende des BUND, Klaus Polzin, am 22. Januar bei der Enthüllung dieses Mahnmals für die 20 vergangenen Jahr im Straßenverkehr getöteten Kinder. Zwei Kinder gelten in der Statistik allerdings nur als verletzt, weil sie erst nach mehr als 30 Tagen ihren Unfallverletzungen erlagen. Polzin war Senator Haase vor, das Auto und nicht den Menschen in den Mittelpunkt seiner Arbeit zu stellen. Foto: Peter Holzner |
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Der Arbeitskreis Auto im Bund für Umwelt und
Naturschutz (BUND) ging 1992 vor Ort, sah sich
die Unfallstellen an, hielt eine Woche nach dem
Unfall jeweils eine Mahnwache für das getötete
Kind ab und informierte die Anwohner über Möglichkeiten
zur Verkehrsberuhigung. Anwohnerinitiativen
bildeten sich, wandten sich - z.T. mit
gutem Erfolg - an ihre Bezirksverordnetenversammlungen.
Die Gesprächsbereitschaft des Verkehrssenators
dagegen mußte erst durch Bürobesetzungen
von Anwohnern und BUND-Aktiven
geweckt werden.
Für Hauptverkehrsstraßen hat der Senat leider nur
eine einzige Verkehrsberuhigungsidee: die Ampel.
In der Regel gibt es in Sichtweite, vielleicht
200 bis 300 m entfernt schon eine Ampel, dann
sollen die Fußgänger gefälligst diesen Umweg in
Kauf nehmen. Ampeln beschleunigen im übrigen
den Autoverkehr auch immer noch, und die Gefahr
von Rotfahrern steigt, wie die Eltern totgefahrener
Kinder leidvoll erfahren müssen.
Für echte verkehrsberuhigende Maßnahmen wie
Gehwegnasen, Fahrbahnverengungen und Mittelinseln
sind den Bezirken die Gelder vollständig
gestrichen worden. Zebrastreifen werden von
der Polizei grundsätzlich abgelehnt.
Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen ist in Verbindung
mit Fahrbahnverengungen die einzige
Lösung! Der deutsche Städtetag hat eine Geschwindigkeit
von etwa 30 km/h in der Stadt als
optimal errechnet. Die Autos brauchen eine weniger
breite Fahrbahn, der Sicherheitsabstand ist
nur halb so lang wie bei Tempo 50, wodurch die
meisten Staus von vornherein vermieden werden
können, der Schadstoffausstoß wird reduziert, die
Lärmbelästigung sinkt um 2/3, unsere Kinder
haben bei einem Anhalteweg von 14 bis 15 m eine
zehnmal größere Überlebenschance, wie man aus
einer Hamburger Untersuchung weiß.
Einen Zeitverlust wird Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen
für viele Autofahrer gar nicht bedeuten
- weniger Staus! - und für andere Autofahrer
allenfalls Sekunden oder eine Minute am
Tag. Von den meisten Autofahrern haben wir
gehört, daß sie diesen Preis für das Leben unserer
Kinder zu zahlen bereit sind.
Die verantwortlichen Politiker halten dagegen an
der Raserei fest. Während die SPD den Wirtschaftsverkehr
in Gefahr sieht (absurd, absurd),
führen Ingo Schmitt und sein Verkehrssenator die
"mangelnde Akzeptanz des Autofahrers" gegen
Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen ins Feld. -
Ignoranz oder Gedankenlosigkeit? Dr. Brigitte Domurath
Sprecherin des AK Auto beim BUND
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