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Die bisher bekannten offiziellen Vorstellungen
gehen davon aus, daß die Olympischen Spiele
2000 in Berlin mit vergammelten Regionalbahnstrecken,
die weit vor der Stadt enden, stillgelegten
S-Bahn-Strecken und einer völlig veralteten
Straßenbahn auf maroden Gleisen bewältigt werden
sollen. Maßnahmen zur Sanierung, Reaktivierung
und zum Ausbau dieser Verkehrsmittel
sind im Senatskonzept nicht enthalten. Die einzige
Maßnahme, die überhaupt mit dem öffentlichen
Nahverkehr in Verbindung zu bringen ist,
ist der dreigleisige Neubau des U-Bhfs. Schwartzkopffstraße
am ehemaligen Stadion der Weltjugend.
U-Bhf. Schwartzkopffstraße
Um die maximal 20.000 Besucher der dort geplanten
und mit Senatsmitteln gebauten Olympia-Halle
zu bewältigen, wird von Senatsseite der Bau
eines zweiten Bahnsteigs und einer ausgedehnten
Abstellanlage für erforderlich gehalten. Diese
Baumaßnahme, die auf mehr als 150 Millionen
DM geschätzt wird, hat allein nur geringen verkehrlichen
Wert. Gleichzeitig soll das Nahverkehrsangebot
im Bereich der Olympia-Halle
erheblich geschwächt werden. Die Straßenbahn in
der Chausseestraße soll stillgelegt und abgerissen
werden, eine neue Trasse in der Scharnhorststraße
gleicht dies nicht aus.
Olympia-Expreß
Für die Besucher von Olympia 2000 ist eine Fahrt
mit dem mehr als 250 Mio DM teuren Olympia-Expreß
verboten. Dieser Zug ist für Funktionäre,
Reporter und Sportler reserviert. Nach 16 Tagen
Olympia werden die eigens für den Expreß geschaffenen
Gleise, Signalanlagen, Fahrleitungsmasten
und Bahnsteige wieder abgerissen. Während
an nahezu jeder Stelle der Stadt dringend
überholungsbedürftige Straßenbahngleise und
stilliegende S-Bahn-Strecken auffallen, ist das
Glanzstück des Senatskonzeptes ein Wegwerfartikel
für eine Viertelmilliarde ohne Nutzen für die
Stadt.
Flucht vor den realen Problemen
Zu Olympia 2000 werden täglich 83.000 Teilnehmer
und 16.000 Medien Vertreter und im Gesamtzeitraum
etwa 3 Millionen Besucher erwartet.
Unterstellt man den Medienvertretern drei Fahrten
pro Tag und allen anderen nur zwei Fahrten
pro Tag, müssen von BVG und Reichsbahn täglich
1.200.000 Fahrgäste zusätzlich bewältigt
werden. Dies entspricht einem Anstieg um etwa
25% gegenüber den Fahrgastzahlen des Berufsverkehrs.
Diesem Zuwachs auf der Nachfrageseite
steht als Erweiterung des Angebotes lediglich eine
zusätzliche Bahnsteigkante an der Olympia-Halle
gegenüber - welch ein unglaubliches Mißverhältnis.
Olympischer Straßenbau
Da nach offizieller Planung trotz Olympia kein
Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs stattfindet,
müssen die zu erwartenden Verkehrsströme durch
massiven Straßenaus- und -neubau bewältigt
werden. In einem Konzept vom Mai 1990 wird
das als Ausweisung und Bau spezieller Olympiastraßen
bezeichnet. Für die Rummelsburger Bucht
beispielsweise, den geplanten Standort der Olympischen
Familie, an dem zur Nachnutzung 3400
Wohnungen und 13.000 Arbeitsplätze entstehen
sollen, ist der Ausbau des mittleren Tangentenringes,
ein Durchbruch einer Direktverbindung
zwischen Markgrafendamm und Bahnhofstraße
sowie die Schaffung zusätzlicher Anbindungen
zum überörtlichen Hauptstraßennetz vorgesehen.
In der gleichen planerischen Überlegung wird das
derzeit vorhandene ÖPNV-Angebot für ausreichend
gehalten. Es besteht aus zwei S-Bahnhöfen
in extremer Randlage und der Bummel-Buslinie
143.
Olympia im Dieselqualm
Für die Feinverteilung im Bereich der Sportstätten
ist ein "Bus-Shuttle-System" vorgesehen.
Auch hier wird gröblich verkannt, daß sich Busse
zur Bewältigung großer Verkehrsmengen
grundsätzlich nicht eignen. Zudem tragen Busse
schon heute zu 25% zur Luftverschmutzung der
Berliner City mit krebserregenden Stoffen bei. Es
ist scharf zu kritisieren, daß diese Luftverschmutzung
durch langsame, unbequeme Busse noch
deutlich erhöht wird. Alternative Antriebe wie
z.B. Erdgasmotoren sind noch nicht über das
Versuchsstadium hinaus bzw. tragen, wie z.B.
batteriebetriebene Fahrzeuge, letztendlich zu noch
mehr Luftverschmutzung bei.
Über die erheblichen Kosten für Fahrzeuge, Personal
und Straßen bei Installation des Shuttle-Systems
liegen bisher keine Zahlen vor. Aufgrund
vorliegender Erfahrungen kann jedoch von Kosten
in Höhe von mindestens 50 Mio. DM (ohne
Fahrzeugbeschaffung) ausgegangen werden.
Unzureichende Berücksichtigung
der Behinderten
Verbunden mit der Olympiade sind die Weltspiele
der Behinderten, die Paralympics. Berlin verfügt
weder über ein behindertengerechtes Verkehrsnetz
noch über Konzepte, die alle Versäumnisse
der letzten Jahrzehnte in nur sieben Jahren wieder
aufholen lassen. Bei U- und S-Bahn fehlen an
über 100 Stationen Rampen bzw. Aufzüge; neue
Niederflurstraßenbahnen sollen auch im Jahr 2000
die Ausnahme sein. Selbst der geringe Anteil
behindertengerechter Busse bleibt wirkungslos,
wenn die dazugehörende Haltestellenausrüstung
mit Buskaps vom Staatssekretär der Verkehrsverwaltung
verboten wird. Noch düsterer sieht die
Situation bei der Berücksichtigung der Belange
von Seh- und Hörbehinderten aus, die von Senat
und BVG vollständig ignoriert werden.
Grundsätze für ein realistisches
olympisches Verkehrskonzept
Die aufgezeigten Kritikpunkte machen deutlich,
daß Berlin wohl nicht mit der Verwirklichung der
z.T. absurden Vorstellungen rechnen muß. Ein
realitätsnahes Olympia-Verkehrskonzept muß
folgende Grundsätze berücksichtigen:
- Aufbau eines einheitlichen Olympia-Verkehrssystems
für Sportler, Funktionäre, Presse, Zuschauer
und "normale" Fahrgäste,
- Investitionen ausschließlich in Verkehrsinfrastruktur,
die vollständig und ohne Umbauten
weiternutzbar ist,
- Neubau nur bei Verkehrsmitteln mit hohem
Nachholbedarf bei gleichzeitig niedrigen Kosten
und hoher Wirksamkeit, also nur bei Regionalschnellbahn,
S-Bahn und Straßenbahn,
- Durchsetzung eines gesonderten Paralympics-Programms
zur Aufholung des Nachholbedarfs
bei der behindertengerechten Ausstattung der
Verkehrsmittel.
Olympia-Verkehrskonzept für Fahrgäste
An den wichtigsten Sportstätten und Wohneinrichtungen
soll gezeigt werden, wie eine olympische
Verkehrserschließung mit bleibendem Nutzen
für die Stadt erreicht werden kann.
Olympiastadion
Das Olympiastadion und die angrenzenden Sportstätten
sind die wichtigsten Austragungsorte. Allein
hier sollen sieben Disziplinen ausgetragen
werden. Grundsatz der Verkehrserschließung
muß es sein, möglichst viele Vernetzungen zwischen
den Verkehrsträgern U-Bahn, S-Bahn und
Regionalschnellbahn zu schaffen und das Erreichen
jeder Sportstätte ohne Aufbau eines weiteren
Verkehrssystem ("Shuttle-System") zu gewährleisten.
Im einzelnen werden folgende Maßnahmen
vorgeschlagen:
- Wiederinbetriebnahme der S-Bahn Westkreuz
bis Falkensee mit den Olympiabahnhöfen Olympiastadion
und Pichelsberg, letzterer mit zusätzlichem
Westausgang,
- Reaktivierung des 8-gleisigen Veranstaltungsbahnhofs
Olympiastadion. Dadurch wird in Richtung
Stadt eine hohe Beförderungsleistung bereitgestellt.
Anders als am Standort der Olympiahalle
in der City liegt am Olympiastadion der
Schwerpunkt des Verkehrs auf nur einer Richtung.
Daher ist die Nutzung von Aufstellgleisen
an dieser Stelle sinnvoll.
- Die geforderte Erschließungs- und Nahverbindungsfunktion
übernehmen moderne, elektrisch
betriebene, auf Straßenniveau spurgeführte Fahrzeuge
mit stufenlosen Einstiegen (sog. Niederflur-Straßenbahnen),
die auf vier Linien Spandau, die
westlichen Olympia-Standorte, Charlottenburg
und das vorhandene Straßenbahnnetz verbinden.
Die Messehallen, in denen ein Großteil der Hallensportarten
untergebracht ist, können ebenfalls
durch diese Linien erschlossen werden.
Durch eine Erschließung mit der Straßenbahn ist
im Gegensatz zum geplanten Shuttle-Bus-System
auch kein Straßenbau erforderlich. Die Erzeugung
neuen Straßenverkehrs, die mit jedem Straßenaus- und
-neubau einhergeht, kann so vermieden werden.
Olympiahalle
Die Erschließung der Olympiahalle, die auf dem
Gelände des Stadions der Weltjugend errichtet
wird, muß zusätzlich zur U-Bahn durch Straßenbahnlinien
in alle Richtungen erfolgen. Auch hier
wird fast ausnahmslos lediglich die Verwirklichung
bereits bestehender Planungen gefordert,
die vom Senat allerdings nicht mit Realisierungszeiträumen
versehen worden sind.
Rummelsburger Bucht
Die Erschließung dieses Standortes sollte durch
zwei Straßenbahnlinien in Ost-West-Richtung
und in Nord-Süd-Richtung erfolgen. Auch bei der
Anbindung der Rummelsburger Bucht an den
Öffentlichen Personennahverkehr wird an offizielle
Pläne angeknüpft. So wird das Schlesische
Tor in wenigen Jahren von der Straßenbahn bedient,
ebenso soll der Hauptbahnhof durch die
Straßenbahn erschlossen werden.
Kapazitätssteigerung im Öffentlichen Nahverkehr
Durch die vorgesehene Umstellung von Buslinien
auf modernen Straßenbahnbetrieb wird ein
deutlicher Qualitätsgewinn im gesamten Berliner
Öffentlichen Nahverkehr erreicht. Jedoch müssen
zur Beförderung der Olympia-Zuschauer besonders
hohe Kapazitäten geschaffen werden, die
unmittelbar nach den Spielen nicht mehr in diesem
Umfang benötigt werden. Auch hier ist die
Erweiterung des Straßenbahnnetzes die einzige
kostensparende Problemlösung. Berlin verfügt
gegenwärtig über etwa 1000 Tatra-Straßenbahnwagen
mit einer Lebensdauer von mindestens
weiteren 10 Jahren. Daneben muß der Ersatz des
Fahrzeugparks durch moderne Niederflurwagen
weiter vorangetrieben werden. Der ersten Bestellung
von 120 Fahrzeugen müssen weitere 500
Fahrzeuge folgen, die zum Teil bereits zur Olympiade
2000 zur Verfügung stehen. Somit ist es
möglich, mit einem großen Bestand an älteren
Tatra-Fahrzeugen sowie mit den nach und nach
eintreffenden Neubaufahrzeugen für Olympia
2000 eine große Kapazitätsreserve aufzubauen.
Ohne weitere Kosten können dann die Tatra-Wagen,
nachdem sie bei der Olympiade nochmals
zum Einsatz kamen, nach und nach ausrangiert
werden.
Finanzierung
An vielen Stellen wird in diesem Konzept auf Planungen
des Berliner Senats zurückgegriffen. Die
Projekte des Senats müssen und können problemlos
aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz
(GVFG) bestritten werden, wenn dafür auf
verkehrlich sinnlose Milliardenprojekte wie die
Regierungs-U-Bahn Alexanderplatz: - Lehrter
Bahnhof - Flughafen Tegel verzichtet wird. Sicherzustellen
sind daher nur die hier vorgeschlagenen
Investitionen zur Erschließung der Olympia-Standorte.
Da bei der Erstellung dieses Konzeptes
im Gegensatz zu den offiziellen Vorstellungen
auf eine 100%ige Nachnutzung Wert gelegt
wurde, bietet die Ausrichtung der Olympischen
Sommerspiele 2000 in Berlin die Gelegenheit,
dringend erforderliche Verbesserungen des
Öffentlichen Nahverkehrs auch tatsächlich zu
realisieren, anstatt sie immer nur zu versprechen.
Die ermittelten Gesamtkosten in Höhe von ca. 370
Mio DM sind als olympia-bedingte Kosten nicht
aus dem GVFG, sondern aus Zuschüssen des
Bundes abzudecken bzw. vorzufinanzieren und
aus den Olympia-Einnahmen abzulösen.
Das vollständige Olympia-Konzept mit genauer
Darstellung der Führung aller vorgeschlagenen
Linien ist erhältlich gegen Überweisung von 7,50
DM (einschl. Porto, Verpackung und Versand)
auf das Konto 582605-102 beim Postgiroamt
Berlin. Bitte auf der Überweisung die genaue Versandanschrift angeben! IGEB
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