Herr Senator Prof. Dr. Haase hat von Ihrem Konzept
Kenntnis genommen. Auch wir streben einen
möglichst störungsfreien Ablauf des Linienbus-
und Straßenbahnverkehrs an. Die Beschleunigung
des ÖPNV trägt zu einer wünschenswerten
Steigerung seiner Attraktivität bei. Allerdings
ist zu beachten, daß der Umfang des Kraftfahrzeugverkehrs
in unserer Stadt und die vielfältigen
Verkehrsbedürfnisse, denen Rechnung getragen
werden muß, nicht in allen Fällen eine Lösung
ausschließlich zugunsten des Linienbus- und
Straßenbahnverkehrs zulassen. Der Senat hat
am 2. Juni 1992 ein Beschleunigungskonzept Für
Autobus und Straßenbahn in Berlin beschlossen,
das nun von uns und den übrigen zuständigen
Behörden umgesetzt wird.
Ihre Vorschläge haben wir mit Aufmerksamkeit
zur Kenntnis genommen. Maßnahmen zur Beschleunigung
des ÖPNV müssen jedoch sowohl
geeignet als auch rechtlich zulässig sein. Unter
diesem Aspekt ist zu Ihren Vorschlägen im einzelnen
folgendes anzumerken:
1. Unbefugte Benutzung von Bus-Sonderfahrstreifen
(Busspuren)
Die besonderen Lichtzeichen für Linienbusse und
Taxen auf Sonderfahrstreifen sind nach § 37
Absatz 2 Nr. 4 Straßenverkehrsordnung (StVO)
zulässig. Sie sind auch erforderlich, weil die Phasen
für die Benutzer des Sonderfahrstreifens nicht
mit jenen für den übrigen Fahrzeugverkehr auf
den daneben liegenden Fahrstreifen identisch
sind und bei Verwendung der normalen Farblichtzeichen
dieser Individualverkehr diese Lichtzeichen
irrtümlich auf sich beziehen könnte. Die
gesonderten Phasen Für die Linienbusse werden
benötigt, um diesen z.B. einen Vorlauf gegenüber
dem übrigen Fahrzeugverkehr zu geben oder ihnen
das Linksabbiegen vor dem übrigen Fahrzeugverkehr
zu ermöglichen. Die von Ihnen angesprochene
Blockierung des Busverkehrs durch
andere Kraftfahrzeuge ist nicht Folge der Sonderlichtzeichen,
sondern der unbefugten Benutzung
der Bus-Sonderfahrstreifen durch andere Kraftfahrer.
2. Nichtbeachtung des Vorfahrtrechts
Ihre Äußerung, daß Busse beim Abfahren von
Haltestellen Vorrang (nicht - wie von Ihnen bezeichnet
- Vorfahrt) haben, bedarf der Relativierung.
Zwar schreibt § 21 Absatz 2 StVO vor, daß
Omnibussen des Linienverkehrs und Schulbussen
das Abfahren von gekennzeichneten Haltestellen
zu ermöglichen ist und andere Fahrzeuge,
wenn nötig, warten müssen. Dies setzt jedoch
zum einen voraus, daß der Führer des Linienbusses
seine Abfahrabsicht so rechtzeitig ankündigt,
daß der fließende Verkehr sich darauf einstellen
kann, zum anderen entbindet diese Regelung den
Führer des Linienbusses nicht von seiner allgemeinen
Sorgfaltspflicht. Eine Gefährdung Dritter
durch den anfahrenden Bus muß jedenfalls
ausgeschlossen sein.
3. Deutliche Kennzeichnung von Haltestellen
Es trifft zu, daß vorgeschriebene Halt- oder Parkverbote
durch das Zeichen 299 StVO verdeutlicht,
verlängert oder verkürzt werden können.
Von dieser Möglichkeit wird in Berlin im erforderlichen
Umfang Gebrauch gemacht. Eine entsprechende
Kennzeichnung aller Haltestellen mit
dieser Grenzmarkierung für Halt- und Parkverbote
wäre jedoch als Übermaßregelung anzusehen
und im übrigen auch aus Gründen des Stadtbildes
wenig wünschenswert. Zudem erhöht gerade
der sparsame Umgang mit dieser Markierung
ihre Wirksamkeit. Bei einer Markierung
aller Haltestellen würden die Kraftfahrer dieser
Maßnahme wohl schwerlich noch die nötige
Bedeutung beimessen. Der im übrigen erhebliche
Kostenaufwand auch für den Erhalt der Markierungen
wäre nicht gerechtfertigt. Auch eine
Aufhebung oder Verlegung von Haltestellen
wäre dann mit nicht unerheblichen Kosten verbunden,
weil in diesen Fällen die Markierung
nach Zeichen 299 StVO unverzüglich zu entfernen
wäre.
4. Abschaffung der Busbuchten
Die Gestaltung der Haltestellenbereiche ist abhängig
von der baulichen und verkehrlichen Situation
der Straße. Unter Berücksichtigung dessen
ist jeweils die angemessene und geeignete
Haltestellengestaltung vorzusehen. Busbuchten
ermöglichen es dem fließenden Fahrzeugverkehr,
an dem haltenden Bus ungehindert vorbeizufahren.
Sie erscheinen vor allem in stark befahrenen
Straßen mit nur einem Fahrstreifen je Richtung
angebracht. Dadurch kann vermieden werden,
daß folgende Fahrzeuge an dem haltenden Bus
vorbeifahren und dadurch den Gegenverkehr
gefährden. In diesen Fällen wäre die Anlage von
Haltestellenkaps ohnehin ausgeschlossen. Dies
gilt auch dann, wenn auf dem rechten Fahrstreifen
am Fahrbahnrand ein Bus-Sonderfahrstreifen
eingerichtet worden ist. Bereits vorhandene Haltestellenkaps
würden daher die Einrichtung eines
derartigen Bus-Sonderfahrstreifens verhindern.
Dies kann auch nicht von Ihnen gewollt sein.
Ferner kann ein an dem Haltestellenkap haltender
Bus insbesondere bei starkem Busverkehr
auch nachfolgende Busse behindern, weil diese
durch den sich bildenden Rückstau daran gehindert
sind, an die Haltestelle heranzufahren. Nach
alledem sind Haltestellenkaps keineswegs ein
"Allheilmittel" zur Busbeschleunigung; die pauschale
Forderung geht daher fehl.
5. Einheitliche Busspur-Regelungen
Von den Bus-Sonderfahrstreifen geht zugleich
ein Verkehrsverbot für den übrigen nicht zugelassenen
Fahrzeugverkehr aus. Gemäß dem das
Verwaltungshandeln bindenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
dürfen derartige Verkehrsverbote
nur in dem erforderlichen Umfang und für
die mindestnotwendigen Zeiten angeordnet werden.
Das Absehen von der zeitlichen Beschränkung
der Bus-Sonderfahrstreifen wäre daher im
Regelfalle rechtlich unzulässig, weil zu bestimmten
Zeiten die Voraussetzungen für seine Geltung
nicht vorlägen. Bus-Sonderfahrstreifen können
auch nicht mit Bedürfnissen des Lieferverkehrs
begründet werden. Das geeignete Instrument zur
Einrichtung von Ladezonen ist das eingeschränkte
Halteverbot nach Zeichen 286 StVO.
6. Umgestaltung von Straßenbahnhaltestellen
Die künftige Gestaltung von Straßenbahn-Haltestellen
ist Teil des "Betriebskonzeptes Straßenbahn"
der BVG (Stand April 1993). Im Regelfall
ist eine Haltestelleninsel vorzusehen, die behindertenfreundlich
sein und bestimmte Abmessungen
haben muß. Die Länge beträgt je nach
Straßenbahntyp 75 oder 62 m, die Baubreite beträgt
etwa 3,60 m (Mindestmaß 2,50 m). Sofern
der Bau von Haltestelleninseln nicht möglich sein
sollte, können in Abstimmung mit dem Straßencharakter
auch Haltestellenkaps in Betracht gezogen
werden. Da die Fahrbahnbreite zwischen
den Kaps bei deren paarweiser Anordnung 7,00
m betragen muß, ist in diesen Fällen eine Gleisverschwenkung
erforderlich. Die ebenfalls mögliche
Einrichtung einer straßenbahngesteuerten
"Zeitinsel", bei der zusätzliche Signalgeber vor
dem Haltestellenbereich mit Sperrzeiten für den
Kraftfahrzeugverkehr während der Haltestellenaufenthaltszeit
das gesicherte Ein- und Aussteigen
der Fahrgäste ermöglicht, sollte nur der Ausnahmefall
bleiben, da auf die Vorteile für Behinderte
verzichtet werden muß und längere Aufenthalte
an der Haltestelle erforderlich sind. Fußgängerüberwege
können, entgegen Ihrer Annahme,
nicht die gleiche verkehrssichernde Wirkung erzielen
wie Lichtzeichenanlagen. Zudem werden
häufig die Voraussetzungen Für ihre Anordnung
nicht erfüllt sein, z.B. wenn in einer Fahrtrichtung
zwei Fahrstreifen für den fließenden Verkehr
überquert werden müssen.
7. Deutliche Fahrbahnmarkierungen
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Foto aus der Tram in der Hauptstraße in Hohenschönhausen. Die Geradeausfahrt in die Suermondstraße Richtung Weißensee ist nicht mehr möglich, obwohl das Signal der Tram freie Fahrt gibt. Aber der eine Linksabbieger auf den Gleisen reicht aus, um die Tram zum Halten zu zwingen. Die Fahrgäste auf den Linien 13 und 18 müssen deshalb häufig einen ganzen Ampelumlauf warten. Eine in Berlin keineswegs einmalige Situation. Foto: IGEB |
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Wie bereits ausgeführt, ist im Regelfall die Geltung
von Bus-Sonderfahrstreifen auf bestimmte
Tageszeiten zu beschränken. In der übrigen Zeit
darf auch dieser Fahrstreifen vom sonstigen
Fahrzeugverkehr benutzt werden. Dies gilt auch for
die nach rechts in diesen Fahrstreifen einbiegenden
Fahrzeuge. Da Fahrbahnmarkierungen nicht
zeitlich beschränkt werden können, sondern
durchgehend gelten, wäre es nicht zulässig, das
Befahren eines zeitlich beschränkten Bus-Sonderfahrstreifens
durch Markierungen zu verhindern.
Dies ist auch nicht erforderlich, weil die
Kraftfahrer während der Geltungszeit des Bus-
Sonderfahrstreifens ohnehin das für diesen geltende
Benutzungsverbot beachten müssen.
8. Überprüfung der Haltestellenlagen
In Zusammenhang mit den vorgesehenen Busbeschleunigungsmaßnahmen
wird derzeit von
uns im Benehmen mit der BVG die Lage der Bus-Haltestellen
überprüft. Unter Berücksichtigung
der "Grünen Welle" soll die Haltestellenlage so
gewählt werden, daß Busse die Haltestelle bei
Annäherung ohne Behinderung anfahren können
und danach zwei koordinierte Lichtzeichenanlagen
ohne Halt bis zur nächsten Haltestelle passieren
können. Die Einrichtung von Haltestellen
unmittelbar vor der Haltlinie ist nur dann zweckmäßig,
wenn kein starker Rechtsabbiegeverkehr
vorhanden ist. Anderenfalls würden die Linienbusse
durch die wartenden Rechtsabbieger daran
gehindert, die Haltestelle zügig anzufahren. Im
übrigen sind wir stets bestrebt, die Umsteigewege
der Fahrgäste zu anderen Haltestellen möglichst
kurzzuhalten.
Wir sind zuversichtlich, daß die Realisierung des
vom Senat beschlossenen Beschleunigungskonzepts
für Busse und Straßenbahnen in Berlin den
auch von Ihnen gewünschten Effekt haben wird.
Die aus Ihrem Konzept erkennbare pauschalierte
Betrachtungsweise halten wir jedoch nicht für
hilfreich. Sinnvolle und angepaßte Regelungen
setzen im Regelfalle eine Prüfung unter Beachtung
der Besonderheiten des Einzelfalles voraus.
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[IGEB] Bemerkenswert an der Stellungnahme der
Verkehrsverwaltung ist zum einen ihre Existenz,
weil diese Verwaltung zum ersten Mai seit fast
drei Jahren zu Vorschlägen des Berliner
Fahrgastverbandes Stellung nimmt, und ist zum anderen
ihre Ehrlichkeit: Gefördert wird der ÖPNV
in Berlin nur dort, wo der motorisierte Individualverkehr
nicht behindert wird. So deutlich, wie in
dieser Stellungnahme, wurde es zumindest öffentlich
noch nicht zugegeben. Im einzelnen sind
folgende Anmerkungen zu machen:
Der Vorrang für Busse bei der Abfahrt von Haltestellen
wird von der Verkehrsverwaltung umgedeutet
in eine Wartepflicht für Busse. Dies stellt
ein klassisches Beispiel dafür dar, wie die anscheinend
ausschließlich dem Autoverkehr verpflichtete
Behörde ihre Wunschvorstellungen in
die Gesetze hineininterpretiert. Kein Wunder, daß
bei einer solchen - der BVG natürlich bekanntgemachten
- Rechtsauffassung kaum ein Busfahrer
sich noch traut, zügig aus der Haltestellenbucht
herauszufahren. Daß diese Auslegung den
Aufenthalt des Busses erheblich verlängert, wird
von der Verkehrsverwaltung ignoriert.
Bushaltestellen sind nach Auffassung der Verkehrsverwaltung
auch weiterhin als stille Parkplatzreserve
anzusehen. Die Ablehnung einer
auffälligeren Haltestellenkennzeichnung mit dem
Argument der Stadtbildpflege wirkt geradezu lächerlich
bei einer Senatsverwaltung, die die genannte
Stadt mit 20 m² großen Vorwegweisern für
Individualverkehr vollstellt. Und die Behauptung,
der sparsame Umgang mit einer deutlichen
Markierung sichere deren Wirksamkeit, ist das
indirekte Eingeständnis, daß nicht markierte Haltestellen
nicht wirksam freigehalten werden können
oder sollen.
Bei den Busbuchten legen die Autoverkehrsplaner
die wahren Gründe für ihre Ablehnung aller
Beschleuigungsmaßnahmen offen. "Ungehindert"
muß der Autoverkehr am Bus vorbeifahren
können. Daß in jedem Einzelfall der Busverkehr
durch den Autoverkehr behindert wird, kann nur
die Verkehrsverwaltung nicht erkennen. Als weiterer
Ablehnungsgrund werden Haltestellenkaps
gegen Busspuren ausgespielt: Der Bau eines
Haltekaps würde die Anlage einer Busspur verhindern.
Eine verlogene Argumentation, weil die
Verkehrsverwaltung ja fast überhaupt keine Busspuren
mehr zuläßt und vorhandene wegnimmt,
so daß es am Ende weder Kaps noch Busspuren
gibt. Im übrigen waren im IGEB-Konzept Straßen
mit Busspuren von der Anlage von Haltestellenkaps
ausdrücklich ausgeschlossen.
Erstaunlich ist auch, daß dieselbe Verwaltung, die
auf den Busspuren Wirtschaftsverkehr etablieren
will, betont, Busspuren nicht mit den Bedürfnissen
des Lieferverkehrs begründen zu dürfen. Man
argumentiert halt, wie es gerade paßt...
Zumindest für die Gestaltung von Straßenbahnhaltestellen
schließt die Verkehrsverwaltung nicht
alle Lösungen von vornherein aus. Die "Zeitinsel",
in anderen Städten längst bewährt, wird allerdings
wieder mit dem Hinweis auf Wartezeiten für den
Autoverkehr abgelehnt. Fußgängerüberwege
haben gegenüber Ampeln den Vorteil, daß sie
billig und schnell einzurichten sind. Zudem haben
dort immer die Fußgänger Vorrang. Aber genau
aus diesem Grund lehnt die Autoverwaltung die
Zebrastreifen ab. Falsch ist auch die Behauptung,
Zebrastreifen in Straßen mit zwei Fahrspuren je
Richtung seien unzulässig. Auch hier legt die
Verkehrsverwaltung ihren Ermessensspielraum
wieder ausschließlich zugunsten des motorisierten
Individualverkehrs aus.
Als Krönung ihrer autodominierten Stellungnahme
kündigt die Verkehrsverwaltung an, die Lage
der Bushaltestellen von den Rahmensetzungen
für einen flüssigen Autoverkehr, also z.B. "Grüne
Welle" und Rechtsabbieger, abhängig machen
zu wollen. Während andernorts Ampeln mit
Grün-Anforderungsschaltungen für den ÖPNV realisiert
(und nicht nur angekündigt) werden, soll sich der
ÖPNV in Berlin also nun nach dem Autoverkehr
richten.
Das traurige Fazit aus dieser Stellungnahme:
Vom "Vorrang für den ÖPNV" ist Berlin unter
Verkehrsstaatssekretär Ingo Schmitt und seinem
Senator Herwig Haase weiter als je zuvor entfernt! Senatsverwaltung für Verkehr und Betriebe
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