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Mit der Wiederinbetriebnahme des
S-Bahn-Südringes zwischen den Stationen
Westend und Baumschulenweg ist
der 17. Dezember in mehrfacher
Hinsicht ein besonderer Tag für
Berlin. Die neue - alte - S-Bahn-Strecke
schafft eine wichtige Querverbindung
im Süden Berlins. Zugleich ist sie
aber auch ein politisches Symbol für
das weitere Zusammenwachsen der
beiden Stadthälften nach fast drei
Jahrzehnten der Teilung. Schließlich
ist dieser Tag auch ein großer Erfolg
für alle, die sich aktiv für eine Verbesserung
des Öffentlichen Nahverkehrs in Berlin
einsetzen, denn lange
Zeit gab es erheblichen Widerstand aus
Politik und Verwaltung, bevor endlich
im September 1989 mit den Bauarbeiten
begonnen wurde. Bei aller
Freude über die Wiederinbetriebnahme
kann aber nicht unerwähnt bleiben,
daß mit der eigentlichen Ring-Schließung
zwischen Neukölln und
Treptower Park sowie mit der
Wiederherstellung des Nordringes noch immer
nicht begonnen wurde, so daß auch im
Jahr 2000, also zehn Jahre
nach dem Fall der Mauer, noch keine
Vollring-Züge verkehren können.
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Foto: Fotograf |
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Wenn es technisch oder politisch erforderlich war, konnten auf dem Südring auch nach einer Stillegung im September 1980 noch S-Bahn-Züge fahren, allerdings nur zwischen Stadtbahn und Papestraße und auch dies nur mit Hilfe einer Diesellok. Das Bild oben zeigt eine Überführungsfahrt zum Bw Papestraße, fotografiert im Mai 1988 auf dem S-Bf. Innsbrucker Platz. Auf diesem Bild sind (von links nach rechts) Verkehrssenator Edmund Wronski (CDU) und der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) mit ihrem Besuch auch Bonn, dem Verkehrsminister Wamke (CSU), zu sehen. Am 22.1.89, eine Woche vor den Wahlen zum (West-)Berliner Abgeordnetenhaus, starteten die auf dem Bf. Charlottenburg zu einer Wahlkampffahrt auf dem S-Bahn-Südring. Foto: Fotograf |
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Die Ringbahn hat vielfältige Bedeutung für den
Verkehr, die Stadtentwicklung und die Politik
in dieser Stadt.
Die Verkehrsfunktion
Anders als die anderen Eisenbahnstrecken
Berlins hat die Ringbahn weder Anfang noch
Ende. Sie verbindet all die übrigen Strecken, die
radial auf das Zentrum Berlins zulaufen und in
den 30er, 50er und 60er Jahren des vorigen
Jahrhunderts separat entstanden waren. So trug
(und trägt zukünftig) die Ringbahn zum Kreislauf
des Berliner Verkehrs bei.
Die Bedeutung für die Stadtentwicklung
Die Trasse der Ringbahn, beim Bau in den 70er
Jahren des 19. Jahrhunderts weit außerhalb des
damaligen Stadtgebiets gelegen, war eine der
Voraussetzungen für das großzügige räumliche
Wachstum Berlins im Industriezeitalter. Die
Ringbahn mit ihrem unmittelbaren Umfeld bietet
der Stadt aber auch Potentiale für die aktuelle
und für die künftige Entwicklung, z.B. am Messegelände
oder am ehemaligen Zentral Viehhof.
Unverträgliche Überkonzentrationen an anderer
Stelle im Zentrum Berlins ließen sich dadurch
verhindern.
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Foto: Landesbildstelle |
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Kalter Krieg im Herbst 1961. Im Rahmen von Erneuerungsarbeiten am Wasserturm Gesundbrunnen wurde von der Deutschen Reichsbahn die Aufschrift DDR aufgemalt. Aber auf Geheiß der West-Alliierten mußte das erste D überstrichen werden. Foto: Lsndesbildstelle |
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Ein Mikrokosmos Berlins
Eine Fahrt mit der Ringbahn zeigt die Vielfalt
Berlins: Mietskasernen und bürgerliche Wohnquartiere,
Fabriken und Verwaltungsbauten,
Kraftwerke und Gasanstalten, Zentralviehhof
und Fruchthof, Hafen, Flughafen und Messegelände
sowie eine ganze Reihe von Ortsteilzentren.
Kurz: Sämtliche Elemente, die zusammen
die Metropole Berlin ausmachen, huschen
am S-Bahn-Fenster vorbei!
Nachkriegsgeschichte
Die Ringbahn dokumentiert die Berliner Nachkriegsgeschichte
auf drastische Weise: Noch im
Früjahr 1945 wurde aus einer "Verteidigungslinie"
des untergehenden NS-Staates wieder
eine S-Bahn-Strecke. Sie gab den Menschen in
der Stadt Rückhalt in schwieriger Zeit - mit
Zügen, die fortan alle vier Sektoren Berlins
durchfuhren. In dieser Zeit wandelte sich die S-Bahn
zunehmend vom verkehrlichem zum politischen
Vehikel im Kalten Krieg zwischen Ost
und West. Der Streit um den Einsatz von Ost- oder
West-Polizei auf Reichsbahn-Flächen, das zeigen der
DDR-Flagge im Westteil Berlins
der Polit-Parolen an Zügen und auf Bahnsteigen
sorgten immer wieder für Schlagzeilen.
Abrupt endete die Klammerfunktion zwischen
Ost und West am 13. August 1961. Mit der
Abriegelung des Ostsektors wurde auch der S-Bahn-Ring zerbrochen.
Ring(auto)bahn
Parallel zur Ringbahn wurde im Westteil der
Stadt seit den 50er Jahren eine Stadtautobahn
gebaut, deren dichter Autoverkehr heute Unmengen
an Abgasen produziert, die auch die S-Bahn-Fahrgäste
belasten werden. Nichts dokumentiert
deutlicher die Irrfahrt der Inselstadt in
Richtung auf die autogerechte Stadt. Ein aktueller
"Erfolg" dieser Politik ist die Verhinderung
einer raschen Wiederherstellung der so wichtigen
S-Bahn-Verbindung Neukölln - Treptower
Park: Wegen Unklarheiten beim geplanten Stadtautobahnbau
in diesem Bereich ist der Lückenschluß
der S-Bahn nicht vor 1997 möglich.
Ostring und Westring
Im Ostteil Berlins blieb die Ringbahn auch nach
1961 eine sehr bedeutende Strecke des Nahverkehrs,
wenn auch mit veränderter Funktion: Als
Tangente zwischen Schönhauser Allee und
Treptower Park und als Radiale ins Zentrum,
unter Nutzung der Gleisverbindungen am Ostkreuz.
Die Verbindungen zum Westen wurden
jedoch versperrt, abgebaut, mit Stacheldraht
und Wachtürmen besetzt.
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Foto: Marc Heller |
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Arbeitsgemeinschaft Abbruch, der Name war Programm. Am 1. Oktober 1989, also eine Woche nach Baubeginn, war das abgebildete Bahnsteigdach des S-Bahnhofes Westend bereits weitgehend abgebrochen. Warum dieser Bahnsteig vollständig beseitigt werden mußte, während der zweite, östlich gelegene sorgfältig restauriert werden konnte, wurde bis heute nicht befriedigend beantwortet. Auch bei anderen Bahnsteigen wurde voreilig auf Abbruch entschieden, obwohl dies nach Ansicht des Bundesbahn-Experten Prof. Karl Endmann nicht erforderlich gewesen wäre, z.B. beim S-Bf. Hohenzollerndamm. Foto: Heinz-Peter Schwarz |
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Im Westteil Berlins führten der Verlust der
Vorortstrecken durch den Mauerbau und der S-Bahn-Boykott
nach dem Mauerbau zu einem
massiven Rückgang der S-Bahn-Fahrgäste.
Schrittweise Einschränkungen des Verkehrsangebots,
ein fehlender Verbund mit der BVG
und mangelhafte Instandhaltung von Bahnhöfen
und Fahrzeugen machten die S-Bahn zunehmend
weniger attraktiv. Schließlich - nach dem
Streik der West-Berliner Eisenbahner im September
1980 - kam mit der Stillegung das (vorläufige)
"Aus" für den westlichen Halbring. Es
folgten Verfall und Vandalismus, glücklicherweise
aber auch ein zunehmender Bürgerdruck.
Senat und BVG wurden aufgefordert, das
umweltfreundliche Verkehrsmittel S-Bahn nicht
länger zu ignorieren, sondern wiederherzustellen
und in das West-Berliner Nahverkehrsnetz
zu integrieren.
Mit dem Fall der Mauer am 9. November 1989
boten sich neue Perspektiven für den S-Bahn-Ring.
Unter West-Berliner Bedingungen war
zunächst eine Teilinbetriebnahme zwischen
Westend und Schöneberg Für 1992 geplant.
Dieses Konzept wurde korrigiert zugunsten einer
um ein Jahr verzögerten Wiederinbetriebnahme
"über die Grenze" bis Baumschulenweg.
Betrachtet man die Verzögerungen bei den Bauarbeiten
an den S-Bahn-Strecken nach Tegel
und Lichterfelde Ost sowie den U-Bahn-Linien
2 und 8, so kann man beim Südring durchaus
zufrieden sein. Getrübt wird diese Freude allerdings
beim Blick in die Zukunft. Zwar besteht
die Hoffnung, daß die Verlängerung von
Westend bis Jungfernheide "schon" 1995 fertig
wird, aber für alle anderen stilliegenden
Ringbahnabschnitte gibt es noch keine glaubwürdigen
Wiederinbetriebnahmedaten.
Bürger für die S-Bahn
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S-Bf. Witzleben, Baustelle im Sommer 1992 für den Ausgang zur Südseite der Neuen Kantstraße und zu ICC und Messegelände. Fertiggestellt wurden dieser und andere Ausgänge jedoch nicht. Weil das Geld knapp wurde, suchten die Senatsverwaltungen nicht nach preiswerteren Lösungen, sondern stellten die Arbeiten ein. Foto: Fotograf |
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Die Wiederinbetriebnahme der Südringes ist
ein wichtiger Erfolg für eine umweltfreundliche
Verkehrspolitik. Sie steht beispielhaft dafür,
was Bürger gegenüber den etablierten Politikern
durchsetzen können. So gelang es 1988
durch vielfältige Aktivitäten, deren Höhepunkt
ein erfolgreiches Bürgerbegehren im Bezirk
Charlottenburg war, die S-Bahn insgesamt und
die Ringbahn im besonderen zu einem wichtigen
Wahlkampfthema für die Abgeordnetenhaus-Wahlen
im Januar 1989 zu machen. Die
Politiker der damaligen CDU/F.D.P.-Koalition
sahen sich unter zunehmendem Druck von Bürgern,
Presse und schließlich auch Teilen der
Verwaltung. Vollmundig wurde der Beginn der
Baumaßnahmen für 1990 versprochen. Doch
nach der Wahl wurde in der letzten Sitzung des
abgewählten (!) Senats beschlossen, das
Versprechen zurückzunehmen und die insgeheim
stets favorisierte U-Bahn-Linie 9 vorzuziehen.
Erst der SPD/AL-Senat setzte dann den
Bürgerwillen und die verkehrlich richtige Entscheidung
zur Wiederinbetriebnahme des
Südringes um. Nur so war nach dem Fall der
Mauer die gemeinsam von Senat und Deutscher
Reichsbahn getroffene Entscheidung zur Verlängerung
der Strecke bis zum S-Bahnhof
Baumschulenweg möglich.
Zukunftsmusik
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Die BVG-Sonderfahrkarte zur Wiedereröffnung der U-Bahn zwischen Wittenbergplatz und Mohrenstraße kostete 3,50 DM, die Ersttageskarte der Deutschen Reichsbahn kostete 3,00 DM, gilt aber nur auf den Südring-Linien. Dennoch werden unwillkürlich Erinnerungen an alte Zeiten geweckt, als die DR auf ihren West-Berliner S-Bahn-Strecken einen politischen Tarif hatte: Ihre Fahrpreise lagen stets etwas unter denen der BVG. |
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Reise in die Vergangenheit. Auf dem S-Bf. Innsbrucker Platz hingen noch Anfang Dezember 1993 S-Bahn-Fahrplan und Netzspinne der DR von 1980. Foto: IGEB |
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Foto: Landesbildstelle Berlin |
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Zukunftsmusik. Lange, viel zu lange, müssen die Fahrgäste noch warten, bis die Züge vom Südring wieder nach Ostkreuz durchfahren können (Bild oben: Blick vom Wasserturm auf die Ringbahn in Ostkreuz, fotografiert 1993). Und erst im nächsten Jahrhundert, so sehen es jedenfalls die Senats- und Reichsbahnplanungen vor, kann man in Berlin wieder Vollring fahren. (Bild hier: Einfahrt in den S-Bf. Westend, fotografiert 1955). Foto: IGEB |
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Wenn nach der Jahrhundertwende endlich wieder
der Vollring befahren wird, soll die Ringbahn
nicht nur ihre Nahverkehrsfunktion für Berlin
und seine wichtigen Siedlungs- und Wirtschaftszentren
zurückerhalten, sondern sie soll auch
neue Aufgaben im Regional- und Fernverkehr
übernehmen. An den Bahnhöfen Gesundbrunnen,
Papestraße und Ostkreuz sind wichtige
Umsteigebahnhöfe vom Reiseverkehr zum
S-Bahn-Nahverkehr geplant. Weitere Stationen
für den Regionalverkehr sollen z.B. in
Hermannstraße und Jungfernheide entstehen.
Doch das ist noch Zukunftsmusik.
Sehr viel schneller (und doch
längst nicht schnell genug) werden
beide Bahnhöfe neue Umsteigemöglichkeiten
zwischen S- und U-Bahn
bieten: in Jungfernheide 1995 nach der
S-Bahn-Verlängerung, in Hermannstraße
1995 oder 96 nach der U-Bahn-Verlängerung.
IGEB
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