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Nicht immer leichte Alltags-Aufgaben

"Der 13. November 1993 war ein denkwürdiger Tag für die BVG, der mit Sicherheit als großartiger Erfolg in die Geschichte unseres Betriebes eingehen wird. Die Geschäftsleitung möchte an dieser Stelle allen BVGern ein herzliches Dankeschön sagen, die sowohl in der baulichen, verkehrlichen und öffentlichkeitswirksamen Vorbereitung als auch am Tage der Eröffnung selbst mit großartigem Engagement zu diesem schönen Erfolg beigetragen haben. Wir würden uns wünschen, daß Begeisterung und Schwung dieses Tages ausstrahlen auf die Bewältigung der nicht immer leichten Alltags-Aufgaben." Die BVG-Geschäftsleitung im BVG-Signal 20/93

Der Erste Geschäftsleiter der BVG, Harro Sachße, hat zur Stabilisierung des Zugverkehrs auf der U-Bahn-Linie 2 (Vinetastraße - Ruhleben) umgehend Sofortmaßnahmen angeordnet. Diese Maßnahmen treten mit Betriebsbeginn am kommenden Montag - 29. November 1993 - in Kraft. Kern der angeordneten Umstrukturierung des Fahrzeugeinsatzes auf den Kleinprofil-Linien U1, U15, U2 und U4 ist eine drastische Reduzierung der außerordentlich störanfälligen GI-Züge auf der stark frequentierten Citylinie U2.

  1. Während seit Eröffnung der Linie U2 am 13. November 1993 im Berufsverkehr von 36 erforderlichen Zügen 24 GI-Züge eingesetzt wurden, werden auf der U2 ab Montag nur noch fünf GI-Züge fahren. Die restlichen 31 Züge werden mit dem Typ A3 bestückt. Allerdings können diese Züge aufgrund der von der BVG nicht zu verantwortenden Fahrzeuglücke auf der U2 nur noch als 6-Wagen-Züge eingesetzt werden.
  2. Auch auf der U-Bahn-Linie 1 (Schlesisches Tor - Krumme Lanke) muß bis auf weiteres die Zuglänge um jeweils 2 Wagen verkürzt werden. Die in der Hauptverkehrszeit eingesetzten 14 Züge verkehren mit 6 Wagen.
  3. Die U-Bahn-Linie U15 (Schlesisches Tor - Uhlandstraße) wird nicht eingestellt. Wegen der bisher schwachen Auslastung fahren dort künftig aber nur noch 4-Wagen-Züge.
  4. Ein Teil der GI-Züge wird dagegen ab Montag auf der U-Bahn-Linie 4 zwischen Nollendorfplatz und Innsbrucker Platz eingesetzt.
  5. Die BVG ist sich bewußt, daß es aufgrund der angeordneten Umstrukturierung des Fahrzeugparks im U-Bahn-Kleinprofil auf einzelnen Streckenabschnitten während des Berufsverkehrs zu geringfügigen Engpässen kommen kann. Derartige Engpässe werden mit der Lieferung der überfälligen A3-Züge schrittweise abgebaut.

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U-Bahn
Foto: Marc Heller
U-Bahn-stadion
Bevor die U2 für Negativ-Schlagzeilen sorgte, gab es am 13. November ein gelungenes Volksfest. Der Eröffnungszug fürs Volk fuhr mittags am Bahnhof Vinetastraße, bisher Pankow (Vinetastraße), nach Ruhleben. Auf vielen Bahnhöfen der neuen U2 wurde ein Programm geboten. Zu den am besten besuchten Stationen gehörte Klosterstraße (dieses Bild). Der breite Bahnsteig erlaubte die Aufstellung von Ständen. Auch der Berliner Fahrgastverband IGEB war mit einem Informations- und Verkaufsstand vertreten. Foto: I. Schmidt

[IGEB] Ein Ausstrahlen des Eröffnungsfestes "auf die Bewältigung der nicht immer leichten Alltags-Aufgaben" hatte sich die BVG-Geschäftsleitung gewünscht. Vergeblich. Zu schlecht war der Betrieb auf den veränderten Alltag vorbereitet, teils durch Verschulden des Senates, teils durch eigenes Verschulden. Doch weil menschliches Versagen nicht zugegeben werden durfte, wurden die GI-Züge zur einzigen Ursache für das Chaos der letzten Wochen erklärt. Daß diese Züge nach jahrelangem erfolgreichem Einsatz von einem Tag auf den anderen allein durch technisches Versagen weitgehend unbrauchbar werden, ist so unwahrscheinlich wie das Auftreten eines Schneesturmes im Juli. Deshalb ist, unabhängig von den tatsächlichen Ursachen, mit Sicherheit falsch, daß die Fahrzeuglücke auf der U2 nicht auch von der BVG zu verantworten ist. Und noch etwas ist in der BVG-Presseerklärung falsch. Angesichts von nicht nur im Berufsverkehr überfüllten U-Bahn-Zügen kommt es keineswegs nur zu "geringfügigen" Engpässen. Diese Einschätzung ist aber typisch für die schon oft kritisierte "Kartoffelsack-Ideologie" der BVG. Doch was will man von einem Betrieb erwarten, der in seinen Statistiken noch immer "Unternehmensbeförderungsfälle" statt Fahrgäste verbucht?

Kritisch hinterfragt werden muß auch der Hinweis auf die "überfällige" Lieferung neuer A3-Züge. Offensichtlich ist die Industrie hier im Rückstand. Andererseits dauert es nach Einschätzung der Industrie viel zu lange, bis die BVG die ausgelieferten Züge einsetzt. Auch hier scheint es also mehrere Ursachen zu geben, die im Zusammenspiel mit den vielen anderen Pannen und Versäumnissen das Chaos im Kleinprofil-Betrieb herbeigeführt haben. Doch das schlimmste an der ganzen Sache sind nicht all diese mehr oder weniger vermeidbaren Startschwierigkeiten, sondern der unerträgliche Versuch der BVG, von mitentscheidenden Ursachen abzulenken, zugleich eigene Versäumnisse zu vertuschen und obendrein die erheblichen Belastungen für die Fahrgäste herunterzuspielen.

Was ist nun zu tun? Jetzt ist der Senat gefordert! Er muß umgehend die notwendigen Mittel zur technischen "Ertüchtigung" der GI-Fahrzeuge bereitstellen. Denn inzwischen hat man bei der BVG Konzepte entwickelt, wie die GI-Züge weiterhin eingesetzt werden können, nur fehlt das Geld dafür. Berlin kann und darf es sich aber nicht leisten, daß erst wenige Jahre alte, erprobte U-Bahn-Wagen abgestellt werden, während sich die Fahrgäste in überfüllten Zügen drängeln. Der in der Öffentlichkeit entstandene Schaden für das Ansehen Berlins und der BVG ist, weit über die Stadtgrenzen hinaus, schon groß genug. Er kann nur noch durch sofortige Bewilligung der Gelder und sofortigen Arbeitsbeginn an den GI-Zügen eingedämmt werden.

BVG

aus SIGNAL 9-10/1993 (Dezember 1993), Seite 11-12

 

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