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Viel Geld wurde
dafür investiert. So mussten beispielsweise ausnahmslos alle Straßenbahnen als
hundertprozentige Niederflurfahrzeuge beschafft werden. Und bis 2020 sollen alle
Berliner U-Bahnhöfe stufenfrei erreichbar sein.
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Besonders Ältere, Personen mit Beinverletzungen und Fahrgäste mit Kinderwagen oder Gepäck sind auf sie angewiesen: Barrierefreiheit im Öffentlichen Nahverkehr. Unser Themenschwerpunkt ab Seite 4. Fotos und Montage: Holger Mertens |
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Dem entgegen steht
eine bedenkliche Entwicklung
beim Bus.
Denn genau das BVG-Verkehrsmittel,
das als erstes die komplette
Niederflurigkeit hergestellt hatte, macht
jetzt einen Schritt zurück. Bisher wurden
die BVG-Busse an jeder Haltestelle automatisch
abgesenkt, um den Fahrgästen ein
bequemes stufenarmes Ein- und Aussteigen
zu ermöglichen. Diese Technik wird
„Kneeling“ genannt. Für viele Ältere, Personen
mit Bein-, Knie- oder Fußverletzungen
oder auch nur Kunden mit Gepäck eine
unverzichtbare Hilfe zum Ein- und Aussteigen
und ein angenehmer Service für alle
Kunden. Von diesem bewährten System
möchte die BVG sich nun lösen zugunsten
eines Kneelings, das nur noch bei Bedarf
Einsatz finden soll. Dazu werden alle Busse
mit einer zusätzlichen blauen Taste außen
neben der ersten Tür ausgestattet.
Warum? Diese Frage stellen sich nicht
nur Behindertenvertreter. Als BVG-Chefin
Sigrid Evelyn Nikutta 2012 erwähnte, mit
der Maßnahme jährlich zwei Millionen
Euro einsparen zu wollen, sorgte sie damit
für Erstaunen bei den Fachleuten. Denn
zum einen ist der Knopfeinbau auch nicht
gratis zu bekommen und zum anderen
erscheint der Geldbetrag bei Betrachtung
der Technik doch stark überhöht.
Die Technik
Moderne Busse und auch Lkw sind mit
einer elektronischen Luftfederung ausgestattet.
Diese ermöglicht es, ein Fahrzeug
unabhängig vom Zustand der Beladung
auf einem bestimmten Niveau zu halten.
Ein Bus wird beispielsweise durch Fahrgäste
beim Ein- und Aussteigen einseitig
belastet. Hier wird mit jeder Person, die
das Fahrzeug betritt oder verlässt, die
Luftfederung automatisch nachreguliert.
Das passiert immer, egal, ob „gekneelt“
wird, oder nicht.
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Dieser Schritt fällt nicht jedem leicht. Eine Operation oder Sportverletzung sieht man dem Menschen nicht an, macht aber für den Betroffenen häufig jede Stufe zur Qual. Foto: Raul Stoll |
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Das Kneeling selbst ist ein angenehmer
Nebeneffekt. Die Entwickler dachten sich,
wenn man das Fahrzeug ohnehin ständig
nachreguliert, kann man die Technik auch
dazu nutzen, das Fahrzeug im Stand halbseitig
abzusenken, um den Komfort beim
Betreten und Verlassen zu verbessern.
Verzichtet man auf das automatische
Absenken, so kann man auf das automatische
Nachregeln je nach Beladungszustand
jedoch nicht verzichten. Die empfindlichen
Sensoren und Ventile werden also weiterhin
mehrmals beim Fahrgastwechsel belastet –
wenn auch nicht mehr ganz so stark.
Der Berliner Fahrgastverband teilt daher
die kritische Haltung von Behindertenvertretern
zum Vorgehen und zu den Gründen,
die für diesen Schritt rückwärts seitens der
BVG angeführt werden. Nichtsdestotrotz
wäre ein Bedarfskneeling akzeptabel, falls
damit tatsächlich das anvisierte Sparziel
erreicht wird und wenn es so umgesetzt
wird, wie es in der BVG-Öffentlichkeitsarbeit
dargestellt wird:
Zitat aus dem Kundenmagazin BVG_
plus vom Sommer 2012:
“[…] Da sich ein Großteil der Busse nicht
mehr automatisch an jeder Haltestelle absenkt,
hat die BVG den Komfortknopf eingeführt,
der allen Fahrgästen ein bequemes Einund
Aussteigen ermöglicht. Sobald der blaugelbe
Knopf, von innen oder außen betätigt
wird, neigt sich der Bus um 7 Zentimeter und
reduziert so die Einstiegshöhe auf ein Minimum.
Wer also schweres Gepäck oder einen
Kinderwagen dabei hat oder einfach gerne
gemütlicher ein- und aussteigen möchte,
braucht dafür nur den neuen Komfortknopf
zu drücken. […]”
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Soll sich der Bus beim Einstieg absenken, muss diese extra neu eingebaute Taste links neben der ersten Tür gedrückt werden. Der Fahrer soll dann eigentlich den Bus absenken. Jedoch leuchtet beim Fahrer lediglich eine Lampe auf dem Armaturenbrett auf … Foto: Holger Mertens |
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… übrigens die gleiche, wie beim Druck auf den Kinderwagen- und Rollstuhlknopf an der zweiten Tür. Falls der Fahrer diese Lampe beim Kontrollieren der Fahrscheine überhaupt bemerkt, wird es schwierig, herauszufinden, welcher Fahrgast welchen Service möchte. Will ein Rollstuhlfahrer an der zweiten Tür ein- oder aussteigen? Oder ein Kunde mit Kinderwagen? Benötigt jemand das Absenken für sich oder ein Gepäckstück? Die Reaktion des Fahrpersonals: Lampe solange ignorieren, bis einer meckert. Die logische Konsequenz für den Test der Praxistauglichkeit des Bedarfskneelings kann daher nur lauten: Test gescheitert, Zwangskneeling wiederherstellen! Foto: Holger Mertens |
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Auf dem Fahrgastsprechtag Omnibus
im Rahmen der Schienenverkehrswochen
2012 hatten Fahrgäste, Vertreter von Behindertenverbänden
und nicht zuletzt der
Berliner Fahrgastverband selbst die Leiter
des BVG-Unternehmensbereichs Bus darauf
hingewiesen, dass dies bisher vom Fahrpersonal
komplett ignoriert wird. Immer, wenn
jemand ausprobierte, ob der Druck auf den
sogenannten “Komfortknopf” dazu führt,
dass der Fahrer den Bus absenkt, musste
festgestellt werden, dass in allen Fällen gar
nichts passierte. Drängte man beim Fahrer
auf das Kneeling, so war der Erfolg nicht
ohne langes Streitgespräch zu bekommen.
Busdirektor Martin Koller und Betriebsmanager
Helmut Grätz antworteten auf der Veranstaltung
am 18. September 2012, es müsse
sich dabei um bedauernswerte Einzelfälle
handeln, und sie bestätigten noch einmal,
dass die Komfortfunktion JEDEM Fahrgast zusteht,
der auf den „Komfortknopf“ drückt. Die
Bedürftigkeit müsse gegenüber dem Fahrer
nicht nachgewiesen werden. Das Fahrpersonal
sollte darauf erneut hingewiesen werden.
Da sich aber bei vereinzelten Stichproben
keine Besserung einstellte, begann die
IGEB drei Monate später, den Komfortknopf
einem ausgiebigen Test zu unterziehen. Fairerweise
wurden Herr Koller und Herr Grätz
vorab informiert.
Der Test
Das Ergebnis ist erschütternd. Von den
vielfältigen Ein- und Ausstiegen wurde
nicht ein einziges Mal auf die Anforderung
über die „Servicetaste“ reagiert.
So haben wir getestet
Da noch nicht alle Busse auf die neue Verfahrensweise
umgestellt wurden, haben
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Kneelingtest Quelle: Erhebung der IGEB |
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wir uns auf die Fahrzeuge konzentriert,
die offensichtlich bereits umgerüstet wurden.
Das betrifft die Doppeldecker und
die sogenannten „Low-Entry-Busse“ (12
Meter, einstöckig), angesichts der Problematik
ein durchaus ironischer Name. Die
Gelenkbusse und die Busse der privaten
Subunternehmer senken sich hingegen
noch an jeder Haltestelle automatisch ab.
Daher haben wir uns beim Testen auf
die Berliner Gebiete konzentriert, wo vornehmlich
eine große Anzahl umgebauter
Fahrzeuge zum Einsatz kommen. Vor
jedem Einstieg- und Ausstiegvorgang hat
der Tester den blau-gelben Komfortknopf
gedrückt und dann abgewartet, ob der Bus
während dieses Haltestellenaufenthalts
abgesenkt wird. Linie, Wagennummer und
Haltestelle wurden notiert und liegen vollständig
intern vor. (hm)
Wie sehen Ihre Erfahrungen mit dem neuen
Komfortknopf aus? Senden Sie uns Ihre Erlebnisse
per Chat oder E-Mail an
kneeling@igeb.de
Wir werden diese sammeln, an die Verantwortlichen
weiterleiten und einige Erlebnisse
hier im nächsten Heft veröffentlichen. IGEB Stadtverkehr
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