Das Jahr 2012 stand ganz im Zeichen der
Jubiläen. Die Gründung des Münchner Verkehrs-
und Tarifverbunds (MVV) und die
Inbetriebnahme der Münchner S-Bahn waren
vor 40 Jahren wirkliche Meilensteine
im Linienverkehr. Man kann es sich heute
gar nicht mehr vorstellen, wie es war, als
für die Vorortzüge der Bundesbahn und die
städtischen Verkehrsmittel jeweils eigene
Fahrscheine erworben werden mussten.
Die beteiligten Verkehrsunternehmen und
der MVV überzeugten die Fahrgäste
mit einer einheitlichen Fahrgastinformation
und mit einem einheitlichen
Abfertigungsverfahren. An allen Stationen
fand der Fahrgast die gleichen
Fahrscheinautomaten, die gleichen
Entwerter und die gleichen Informationstafeln
vor. Von der einheitlichen
Bedienoberfläche sind wir heute,
nach 40 Jahren, wieder weit entfernt.
Die Politik hat den Egoismus der Verkehrsunternehmen
zugelassen, ja sogar
teilweise bewusst gefördert.
Das jahrelange Bemühen der Aktion
Münchner Fahrgäste um mehr Sicherheit
in den U-Bahnhöfen war im März
2012 von Erfolg gekrönt. Der damalige
Betriebsleiter der Münchner Verkehrsgesellschaft
(MVG), Michael Richarz,
gab bekannt, dass Bahnhöfe mit einer
Gleisbettüberwachung ausgestattet
werden sollen. Dies dient zum Test
der bereits verfügbaren Systeme. Leider
geraten immer wieder Fahrgäste in den
Gleisbereich, was zu schweren Verletzungen
oder gar zum Tod führt.
Am 9. Mai 2012 gab die Bayerische Staatsregierung
ein Sofortprogramm für die
S-Bahn München bekannt. Mit 15 Maßnahmen
soll die Zuverlässigkeit des gesamten
S-Bahn-Systems erhöht werden. Zwar sind
die angestrebten Inbetriebnahmetermine
in schmerzlich ferner Zukunft, aber ein
Anfang ist gemacht. Die Verspätungen der
S-Bahn werden durch vielerlei Störungen
und Engpässe auf den Außenstrecken verursacht,
Beispiele sind Weichen- und Bahnübergangsstörungen.
Statt mit einer ökologisch sinnvollen
Maßnahme die Fahrgäste zu versöhnen, verschenkte
die MVG 100 000 rote Rosen. Ein
Anlass dazu war das Chaos bei der U-Bahn,
die durch einen Serienschaden auf viele
Fahrzeuge verzichten musste. Die Fahrgäste
mussten sich in weniger Züge quetschen, es
war sogar zusätzliches Personal notwendig,
um die Abfahrt der Züge zu ermöglichen.
Der Bayerische Ministerpräsident, Horst
Seehofer, hat sich mit Vertretern der Aktion
Münchner Fahrgäste zum Gedankenaustausch
getroffen. Dabei stand der Ausbau
der Münchner S-Bahn im Mittelpunkt des
Gesprächs. Seehofer spürte ein an den Flughafen
München gegebenes Darlehen auf,
das die Finanzierungslücke für den zweiten
Stammstreckentunnel schließen soll. Mit
dem Darlehen von Stadt, Land und Bund
versprach der Bayerische Verkehrsminister,
Martin Zeil, die Inbetriebnahme des Tunnels
bis zum Ende des Jahres 2019.
Die derzeitige S-Bahn-Stammstrecke
musste an sieben Wochenenden gesperrt
werden. Die Fahrgäste wichen auf U-Bahn,
Trambahn und die Busse des Schienenersatzverkehrs
aus. Nachdem es am ersten
Wochenende Schwierigkeiten mit der Beschilderung
der Ersatzhaltestellen gab, ließ
die S-Bahn-Geschäftsleitung nachbessern,
was den gewünschten Erfolg brachte.
Das für den Jahresfahrplan 2013 vorgesehene
MVG-Leistungsprogramm entsprach
wieder nicht den Erwartungen der Fahrgäste
und der Bürger. Kein einziger Vorschlag
der 25 Münchner Bezirksausschüsse wurde
umgesetzt. Dabei nehmen Verkehrsthemen
immer einen breiten Raum in den lokalen
Diskussionen ein. Die gewählten Bürgervertreter
stecken jedes Jahr viel Zeit und Energie
in die Erarbeitung von Vorschlägen – leider
wieder einmal vergeblich.
Zwei wichtige Entscheidungen für die
Münchner Trambahn wurden getroffen:
Eine neue Strecke nach Zamdorf wird geplant,
und neue Trambahnzüge wurden
bei Siemens bestellt. Die Trambahnstrecke
verbindet den Max-Weber-Platz mit dem
S-Bahnhof Berg am Laim und erschließt ein
neues Stadtquartier am Vogelweideplatz.
Die Züge vom Typ “Avenio” werden bereits
ab 2013 geliefert, sechs Stück von insgesamt
acht sollen zum Fahrplanwechsel den
Fahrgastbetrieb aufnehmen. Diese Aufgabe
stellt eine wirkliche Herausforderung für
den Lieferanten, die Aufsichtsbehörde und
den Verkehrsbetrieb dar.
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Sorgenkind S-Bahn. Am 9. Mai 2012 hat die Bayerische Staatsregierung ein Sofortprogramm Qualität im Münchner S-Bahn-System beschlossen, um die Qualität des Nahverkehrs in der Metropolregion München nachhaltig zu verbessern. Foto: Johann Hartl S-Bahnhof Hackerbrücke auf der Stammstrecke |
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Auf eine 20-jährige Amtszeit konnte der
MVG-Chef, Herbert König, zurückblicken
(siehe SIGNAL 5/2012 ). Er wurde als Hoffnungsträger
nach München geholt. Ernüchtert
muss man heute feststellen, dass
es nicht gelungen ist, die vom Stadtrat beschlossenen
Trambahn-Tangenten im Westen
und im Norden zu realisieren, dass wichtige
Streckenabschnitte stillgelegt wurden
und sogar ein ganzer Trambahnbetriebshof
der Spitzhacke zum Opfer fiel. Schneefälle
legten in dieser Zeit den Trambahnbetrieb
tagelang lahm und unerklärliche Schienenbrüche
erforderten monatelange Umleitungen.
Alles Ereignisse, die erstmalig
in der Geschichte der Münchner
Trambahn auftraten.
Mit dem Bayerischen ÖPNV-Preis
2012 würdigte der Bayerische Verkehrsminister
das Wirken des Polizeipräsidiums
München, der Bundespolizeiinspektion
München und der
Aktion Münchner Fahrgäste zur Stärkung
der Sicherheit in den Linienverkehrsmitteln.
Seit 2010 veranstalten
die Partner ein Verhaltenstraining
für Fahrgäste, das nicht nur zeigt, wie
man gefährliche Situationen vermeidet,
sondern auch konkrete Handlungsanleitungen
gibt. Dabei wird
den Fahrgästen beispielsweise der
Umgang mit Defibrillatoren gezeigt,
denn diese sind in vielen U-Bahnhöfen
bereits vorhanden. Aber auch die
wertvollen Tricks zur Selbstbehauptung
stoßen auf viel Interesse.
Zum Fahrplanwechsel nahmen zwei
„neue“ Trambahnlinien den Verkehr auf.
Die Tram 22 zur Hochschule München
führte zugleich aber zu einer Angebotskürzung
der Tram 21 und verschlechterte die
Situation für die Fahrgäste aus dem Bereich
Westfriedhof und Leonrodplatz. Die Tram 28
ist eine längst überfällige Verdichtung der
Tram 27 in Richtung Schwabing, wobei auch
hier nun ein Teil der Fahrgäste im Abschnitt
zum Petuelring länger auf die Züge warten
muss. Einmalig dürfte auch sein, dass ein im
Fahrplanbuch versprochener 6-Minuten-
Takt auf der Tram 27 das ganze Fahrplanjahr
über nicht realisiert werden konnte. Die Ursache
war Wagenmangel.
Der MVV-Tarif wurde auch 2012 erhöht.
Dabei gab es diesmal sogar zwei Durchschnittszahlen,
3,8 Prozent im Zonentarif
und 3,7 Prozent bei den Zeitkarten. Zwei
erfreuliche Ankündigungen sollen den
Schmerz der Fahrgäste lindern: Die Wochen-
und Monatskarten werden mit einer
flexiblen Gültigkeit versehen – und für die
Studenten soll das Semesterticket kommen.
Damit könnten zwei Themen nach jahrzehntelangen
Diskussionen positiv abgeschlossen
werden. (Andreas Nagel) Aktion Münchner Fahrgäste
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