Nahverkehr

Straßenbahn-Sperrung in der Innenstadt: Größter Anzunehmender Unfug

Am Wasserrohrbruch unter der Kreuzung Mollstraße/Prenzlauer Allee/Karl-Liebknecht-Straße zeigte sich, daß sich die Umgestaltung des benachbarten Mollknotens zum Super-GAU für die BVG entwickelt. Für die Zukunft sind bei Störungen nach Meinung des Berliner Fahrgastverbandes ähnliche chaotische Zustände zu erwarten.

Nach Meinung der BVG-Verantwortlichen wird die Zahl von Störeinflüssen (Baustellen, Unfälle, Demonstrationen, Sperrungen bei Staatsempfängen ...) zurückgehen. Anders ist es nicht zu erklären, daß der vom Berliner Fahrgastverband im Zusammenhang mit der Realisierung der Alex-Straßenbahn geforderte Ausbau der Kreuzung Mollstraße/Otto-Braun-Straße zum Vollknoten (= Fahrmöglichkeit für die Straßenbahn aus allen Richtungen in alle Richtungen) unterblieben ist.

Unter der Kreuzung Mollstraße/Prenzlauer-Allee brach eine Druckwasserleitung. Für die zur Zeit über diese Kreuzung verkehrenden Linien 1, 2, 3, 4 und 8 zum Hackeschen Markt bzw. zur Friedrichstraße bedeutete dies SEV oder Umleitung. Weil für die Linie 1 zumindest in den ersten Tagen keine Wahl bestand, mußte sie im SEV betrieben werden. Die Linie 8 konnte dem derzeitigen Verlauf der Linie 6 folgen und fuhr via Alexanderplatz — Oranienburger Straße zur Schwartzkopffstraße.

Daß auch die Linien 2 bis 4 auf unattraktiven SEV umgestellt werden mußten, hat sich die BVG selbst zuzuschreiben: die Fahrmöglichkeit aus der Otto-Braun-Straße geradlinig über den Alex existiert noch nicht. 15 Monate Bauzeit reichten offensichtlich nicht, den Knoten endlich fertigzustellen (hier waren übrigens keine mittelalterlichen Badehäuser im Untergrund verborgen - wo also liegt das Problem?).

Entgegen der Warnungen des Fahrgastverbandes wurde am Mollknoten die Gleisverbindung aus der Greifswalder Straße in die Landsberger Allee entfernt. Somit stand auch diese Fahrmöglichkeit nicht mehr zur Verfügung: die Linien 2, 3 und 4 mußten (von Weißensee kommend) bereits an der Danziger Straße abdrehen, um an der Kniprodestraße enden. Die Folge: kilometerlanger SEV in der Greifswalder Straße ab der Danziger Straße zum Hackeschen Markt. Würde dagegen diese Verbindung noch existieren, so hätten die Fahrgäste wenigstens bis zum Mollknoten mit der Straßenbahn fahren können. Das bedeutet im Berufsverkehr eine Zeitersparnis von 15 Minuten. Vor dieser Fehlentscheidung war es immerhin möglich, die Linien der Greifswalder Straße mit Linien aus der Landsberger Allee zu verknüpfen (ideal wäre für derartige Anlässe eine Nutzbarmachung der Schleife Langenbeckstraße für aus der Innenstadt kommende Züge).

Für den von der Linie 8 normalerweise befahrenen Streckenabschnitt vom Mollknoten bis zur Invalidenstraße (über Torstraße/Brunnenstraße) hielt es die BVG gar nicht erst für nötig, einen SEV einzurichten. Da alle Haltestellen auch anderweitig zu erreichen seien, sei der Einsatz von Bussen „nicht nötig". Pech für Fahrgäste, die vom Rosa-Luxemburg-Platz zur Invalidenstraße wollten.

Ein besonderes „Bonbon" verabreichte die BVG ihren Kunden erneut in Form der nicht stattfindender Fahrgastinformation. Weder konnte man an den nicht bedienten Haltestellen lesen, daß vermutlich mehrere Tage keine Straßenbahn fährt, noch wurde an den Haltestellen der Alex-Strecke über die Fahrtroute der überraschenderweise dort verkehrenden Linie 8 aufgeklärt.

Über die Unzulänglichkeiten der millionenschweren Fehlinvestition „Rollbandanzeiger" wurde bereits berichtet - unnötig, daraufhinzuweisen, daß auf diesen Kästen erneut entweder gar nichts (Blindfeld) oder Falschinformationen (geplanter Linienverlauf) zu lesen waren.

Da die BVG bislang auch nicht dem Vorschlag des Berliner Fahrgastverbandes gefolgt ist, die Fahrzeuge mit einer großen Hinweistafel "LINIENÄNDERUNG" auszurüsten, die im Bedsarfsfall hinter die Windschutzscheibe gestellt werden kann (üblich in Potsdam, Dresden, Magdeburg, Kasssel, ...), tappten die Fahrgäste wie üblich im Dunkeln.

Sicherlich kann die BVG darauf verweisen, nicht an dem Bruch der Wasserleitung Schuld zu sein - das stimmt. Verwerflich wird diese Haltung aber, wenn sich die Verantwortlichen mit verschränkten Armen zurücklehnen und nichts tun. Wann werden im Unternehmensbereich endlich Leute gefunden, die in der Lage sind, am PC einen Informationstext zu verfassen, diesen zu vervielfältigen und dann an den Haltestellen auszuhängen? Wann beendet die BVG ihre verfehlte Strategie, an allen möglichen und unmöglichen Stellen Weichen und Gleisverbindungen zu entfernen?! Wann wird in die Züge ein Informationssystem eingebaut, das diesen Namen auch verdient? Wer mit anderen Verkehrsmitteln, vor allem aber mit dem MIV konkurriert, sollte etwas kreativer denken&handeln.

IGEB, Abteilung Stadtverkehr

aus SIGNAL 1/1999 (März 1999), Seite 8

 

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