Planung und Bauten

Neu-/Ausbaustrecke Nürnberg - Ebensfeld - Erfurt gestoppt

Am 7. Juli 1999 gab das Bundesverkehrsministerium seine Entscheidung bekannt, die Arbeiten an der 192 Kilometer langen Neu-/Ausbaustrecke Nürnberg - Ebensfeld - Erfurt (Verkehrsprojekt Deutsche Einheit -VDE- Nr. 8.1) im Zuge der Relation Berlin - München einzustellen.

Für das Projekt waren Investitionen von 7,2 Milliarden DM vorgesehen. Weitergebaut wird lediglich das Teilstück Erfurt-Arnstadt, das nach Fertigstellung nun dem Regionalverkehr mit Dieseltriebwagen dienen wird. Die Arbeiten an der Ausbaustrecke Berlin - Halle/Leipzig und (in Ergänzung zum VDE-Projekt Nr. 8) an der Neu-/Ausbaustrecke Nürnberg - Ingolstadt - München werden ebenfalls fortgeführt.

Auch die Neu-/Ausbaustrecke Erfurt - Leipzig/Halle (Projekt 8.2, Investitionsvolumen rd. 4,5 Mrd. DM) ist von Sparmaßnahmen betroffen und wird lediglich im Abschnitt Gröbers (bei Halle) - Leipzig weitergebaut, um den Anschluß des Flughafens zu gewährleisten.

Wenngleich die Wirtschaftlichkeit des Neubaustrecken-Abschnittes Ebensfeld - Erfurt bereits seit Jahren fraglich war, so ergibt sich jetzt die Situation, daß einmal mehr Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der Bahn geschaffen werden. Während sich die IC-Züge Berlin - Nürnberg - München zum Teil nur mit 70 bis 80 km/h durch Frankenwald und Saaletal quälen (Gesamtfahrzeit Berlin Zoologischer Garten - München Hbf: knapp 8 Stunden) wird die Autobahn A9 weiterhin großzügig auf sechs Fahrspuren inklusive einiger Streckenbegradigungen ausgebaut. Von Sparzwang und Haushaltsproblemen ist in letzterem Fall nur wenig zu spüren. Die Bundesregierung muß sich angesichts dieser Situation fragen lassen, wie ernst es ihr mit dem Ziel einer Verkehrsverlagerung auf die Schiene eigentlich ist. Unhaltbar ist der Zustand, daß von „Wirtschaftlichkeit" stets in Zusammenhang mit Schienenverkehrsprojekten die Rede ist, bei Projekten des Straßenverkehrs diesbezüglich aber nur wenig zu hören ist.

Fernzug
In nicht einmal vier Stunden mit der Bahn von Berlin nach München? Nach der Entscheidung des Bundesverkehrsministeriums zum VDE-Projekt Nummer 8 wird daraus nichts. Im Bild: IC 817 bei der Ausfahrt aus Berlin-Schönefeld. Foto: Christian Schulz, August 1999

Nicht zufriedenstellen kann auch die Tatsache, daß keine Alternativen erarbeitet bzw. realisiert werden, um die bestehenden Infrastrukturmängel in der Relation Berlin - München zu beseitigen.

Ziel darf aus Fahrgastsicht auch nicht das Festhalten an den teuren ICE-Umwegfahrten über Braunschweig und Kassel - Wilhelmshöhe sein, um attraktive Fahrzeiten zu ermöglichen (mit ICE-Umsteigeverbindungen ergeben sich zwischen Berlin Zoologischer Garten und München Hbf über Nürnberg Fahrzeiten von knapp 6,5 Stunden).

IGEB-Vorschläge

Als Ersatzmaßnahme für die NeuVAusbaustrecke Nürnberg - Erfurt wird daher die zügige Realisierung folgender Maßnahmen vorgeschlagen:

  • Ausbau der bestehenden Frankenwald-/Saaletalbahn im Abschnitt Lichtenfels - Saalfeld für bis 160 km/h (beim Einsatz von Neigetechnik-Zügen). Hierbei kommt speziell dem Ausbau des kritischen Abschnittes Pressig-Rothenkirchen - Probstzella mit Rampen bis zu 28 Promille und Geschwindigkeitseinbrüchen bis auf 70 km/h besondere Bedeutung zu (nicht zuletzt auch in Anbetracht des Güterverkehrs).
  • Vorgesehen ist von der DB AG bereits der Einsatz von Neigetechnikzügen ICE-T der Baureihe 411 in der Relation Berlin-München ab Mai 2000. Mit dieser Maßnahme wird eine Fahrzeitreduzierung von ca. 30 Minuten ermöglicht.
  • Elektrifizierung der bisher völlig vernachlässigten Strecke Reichenbach - Hof-Regensburg und Herrichtung der gesamten Strecke Leipzig -Regensburg - München für den Einsatz von Neigetechnik-Zügen. Nach Realisierung würde diese Relation für den Fahrgast deutlich attraktiver werden; außerdem entsteht mit dieser Ausbaumaßnahme eine günstige Umleitmöglichkeit im Falle von Betriebsstörungen.

Vorgeschlagen wird auch der überfällige Ausbau/die Attraktivitätssteigerung folgender Relationen, die insbesondere für den internationalen Verkehr in Nord/Süd-Richtung von Bedeutung sind :

  • Streckenertüchtigung Berlin - Pasewalk - Greifswald - Stralsund für 160 km/h.
  • Ertüchtigung der Strecke Berlin - Neustrelitz - Rostock für 160 km/h. Gerade bei dieser Strecke besteht erhebliche Konkurrenz durch die Autobahn. Die Fahrzeiten der IR-Züge sind mit 2:45 h (Berlin Zoologischer Garten - Rostock Hbf) zu unattraktiv.

IGEB, Abteilung Fernverkehr

aus SIGNAL 6/1999 (September 1999), Seite 14

 

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