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Für Rumänien besteht Visaplicht und für
derzeit 75,- DM erhält man schnell den
hübschen Schmuck im Reisepaß. Ziel der
Reise war Viseu de Sus im Nordwesten des
Landes; mitten in den Karpaten. Die Anreise
mit der Bahn ist schon abenteuerlich.
Nicht weniger als 46 Stunden dauerte
diese und führte durch Polen; die
Slowakei, Ungarn und weite Teile Rumäniens
schließlich zum Ziel.
Der rumänische Bahnverkehr ist gewöhnungsbedürftig,
präsentiert in vielerlei
Hinsicht noch die „gute alte Eisenbahn".
Selten fahren lange, oft ziemlich volle
Züge, die in gemächlichem Tempo das
weite Land erschließen. Die edmonsonsche
Fahrkarte, die Fahrkarte schlechthin,
ist allgegenwärtig.
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Personenzug mit Schwerkraftantrieb. Foto: Thomas Kabisch |
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Valea Scradei, erster Halt nach Abfahrt in Viseu de Sus. Hier ist die Zivilisation zu Ende, die letzten Straßen auch. Aber erst mal haben die Hühner Vorfahrt, bevor es weiter geht. Foto: Thomas Kabisch |
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Viseu de Sus, hat 23.000 Einwohner,
das war der CFR (der Rumänischen
Staatsbahn) doch zu wenig, um die
dorthin führende Bahnstrecke am Leben
zu halten. Der Bahnverkehr wurde 1997
eingestellt. Nun fährt der Bus; so alle
Stunde zum Nachbarort mit Bahnhof.
Fahrpläne? Fehlanzeige. Man setze sich an
eine Haltestelle und warte: Und irgend wann
kommt auch was. Viel Zeit braucht
man, um sich diesem Land zu nähern, das
zeigte sich schon auf der Anreise. Die
deutsche Hektik ist schnell vergessen,
Minuten werden unwichtig, hier wird
allenfalls in Stunden gerechnet.
Als wir um 10 Uhr am Bahnhof eine
Zugauskunft einholten, wurde uns freundlich
offenbart, daß der nächste Zug schon
um 17 Uhr führe, wir könnten uns ja derweil
die Stadt ansehen. Der Fremde wird
sehr gastfreundlich und herzlich aufgenommen,
eine unkomplizierte, offene
Umgangsform ist selbstverständlich.
Wenn oft auch nur mit Armen und Beinen,
ein Gespräch ist schnell entstanden.
Und erst die Landschaft. Natur pur. Bis
zu 2300 Meter ragen die Karpatengipfel in
die Höhe, schroffe Felsen, einsame Täler,
Wasserfälle; für den Naturfreak gibt es
alles. Wer allerdings eine touristische
Infrastruktur mit Gaststätten, Wegweisern
und ausgebauten Wegen sucht, sollte
lieber zu Hause bleiben. Einige Täler sind
besiedelt. In hübschen Holzhäuschen
leben hier w hrhaft naturverbundene
Menschen, oft komplette Selbstversorger.
Straßen sucht man im Gebirge vergebens.
Man geht zu Fuß oder zu Pferd oder aber,
wie im Wassertal (Valea Vaser): man nimmt
die Waldbahn. Und tatsächlich, jeden
Werktag „In der Früh" dampft der Schmalspurzug
in den Wald, bis heute das einzige
Verkehrsmittel hier.
Und es werden nicht etwa zahlungskräftige
Touristen befördert, nein, die
Waldbahn dient bis heute einem Holzwerk
zur Heranschaffung des Rohstoffes
aus den riesigen, einsamen Gebirgswäldern.
Der Wald ist Existenzgrundlage vieler,
hier herrscht Betrieb: Holz wird gefällt,
Bären gejagt oder untertage Erz abgebaut.
Auf den Almen hausen den Sommer
über Schäfer mit ihren Herden. Größere
Ortschaften sucht man allerdings im
oberen Wassertal vergebens. Die Ansiedlungen
bestehen meist aus Waldarbeiterquartieren
und sind montags bis freitags
bewohnt, nur übers Wochenende fahren
ihre Bewohner, natürlich mit der Waldbahn,
zu ihren Familien ins Tal. Dies ist nur
zu verständlich, braucht der Zug doch für
die 40 Kilometer bis zu sechs Stunden;
zumindest bergwärts, zurück schaft er es
in vier Stunden. So ist er den ganzen Tag
unterwegs. Talwärts erreichen die Holzzüge
eine beachtliche Länge von über 100
Meter, sie fahren dann mit „Holzantrieb".
Die Mitfahrt ist auch ein unvergeßliches
Erlebnis. Auf offenen Güterwagen bietet
sich wirklich ein traumhafter Rundumblick.
Und sollte einmal kein passender
Wagen dabeisein, dann ist auch eine
Lokmitfahrt inclusive. Thomas Kabisch,
Berlin-Lichtenberg
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