In regem Briefwechsel wurden mögliche
technische Ursachen hoch- und runterdekliniert,
mit jeweiligen Zusagen, bis zu
welchem Zeitpunkt das Problem erledigt
sein soll. Im Sommer 1999 organisierten
Bürger/innen eine Unterschriftensammlung
in der betroffenen Straße. Die
500 Unterschriften der Anwohner/innen,
viele selbst Kunden bei der BVG, wurden
mit Vorschlägen zur Reduzierung der
Lärmemission der BVG übersandt. Nachdem
lediglich mit vielversprechenden Beteuerungen
seitens der BVG reagiert
wurde, fand ein Bürgerforum mit verantwortlichen
Mitarbeitern der BVG am
17. Februar 2000 statt.
Da den Anwohnern und dem Bezirksamt
sowohl die Bemühungen und die
schon erfolgten Maßnahmen zur Beseitigung
der lärmverursachenden Technik bekannt
waren, wurden meines Erachtens
keine unrealistischen Forderungen an das
Unternehmen formuliert. Die Forderung
der Bürger und des Bezirksamtes, bis zu
einer endgültigen Lösung der technischen
Probleme das Tempo auf 30 km/h in der
Zeit von 22 bis 6 Uhr zu reduzieren, ohne
damit in den bestehenden Fahrplan einzugreifen,
wurde u.a. mit der Begründung
abgelehnt, daß die Straßenbahn nicht
dazu da wäre, langsam zu fahren.
Eine intensive Überprüfung der Fahrzeiten
der Nachtlinie 55 auf dem Streckenabschnitt
zwischen Hauptstraße und Weißenseer
Weg hat aber ergeben, daß mehrfach
die dem Fahrplan entsprechende
Fahrzeit um zwei Minuten bzw. 28 Prozent
unterschritten worden ist.
Die dritte Forderung bei der Bürgerveranstaltung
nach Einflußnahme des Unternehmens
auf die Fahrweise der Fahrer/innen
verhallte leider fast in den Geräuschen
einer vorbeifahrenden Straßenbahn.
Obwohl einerseits von der BVG durchaus
zugegeben wurde, daß es Fahrer bzw.
Fahrerinnen gäbe, die mit unangemessener
Fahrweise vermeidbaren Lärm verursachen,
wird andererseits aber weiterhin
nur mit Dienstanweisungen auf verhaltensbedingte
Lärmbelästigungen (schnelles
Anfahren und starkes Abbremsen) reagiert,
eine Kontrolle findet nicht statt. Dies
ist insofern unverständlich, als auch durch
das Unternehmen zugestanden wurde,
daß unangemessene Geschwindigkeiten
zu erhöhtem Verschleiß und zusätzlichen
Wartungskosten an den Fahrzeugen und
dem Gleisbett führen. Im gleichen Zusammenhang
wurden die Anwesenden informiert,
daß es bei Straßenbahnen nur eine
vorgegebene automatische Beschleunigungsstufe
habe, die ein gemäßigteres
Anfahren nicht ermögliche.
Auch hier liegen aus vielfachen Beobachtungen
andere Erfahrungen vor,
denn einige Fahrer/innen sind durchweg
in der Lage, schonend und rücksichtsvoll
ihr Arbeitsgerät - die Straßenbahn - zu
bedienen. An dieser Stelle möchte ich
diesen Fahrer/innen meinen besonderen
Dank für ihre wahrscheinlich selbstverständliche
Rücksichtnahme aussprechen.
Neben Falschaussagen gibt es seitens
der BVG offensichtlich nicht einmal ansatzweise
die Bereitschaft, den Versuch
einer vorübergehenden Reduzierung der
Lärmbelästigungen durch angepaßtes
Fahrverhalten zu erreichen.
Das Verhalten der BVG ist auch deshalb
äußerst problematisch, weil der von den
Straßenbahnen nachts verursachte Lärm
nicht nur eine Ruhestörung darstellt oder
mit hinzunehmenden Befindlichkeitsstörungen
abzutun ist. Lärmbelastungen, die
nachts in der Konrad-Wolf-Straße anzutreffen
sind, können zu Krankheiten
führen. Dies ist offenbar den Vertreter/innen
der BVG nicht bewußt. Denn anders
ist es nicht zu erklären, daß die BVG den
völlig unüblich starken Lärm der dortigen
Straßenbahn billigend in Kauf nimmt und
so auch das damit verbundene Gesundheitsrisiko
akzeptiert.
Berliner Wissenschaftler haben den Zusammenhang
zwischen Straßenlärm und
Krankheit beschrieben. Straßenlärm kann
zu einer ständigen Streßsituation der
schlafenden Bevölkerung führen und das
Herzkreislaufsystem so stark in den Ruhephasen
strapazieren, daß Herzinfarkte hervorgerufen
werden können. An Straßen
mit nachts mehr als 55 Dezibel, so Prof.
Ising aus Berlin, besteht ein um 20 Prozent
erhöhtes Herzinfarktrisiko. Auf ganz Berlin
umgerechnet ist jährlich mit der erschrekkend
hohen zusätzlichen Zahl von nahezu
200 Todesfällen in Folge des Straßenlärms
zu rechnen. Dies ist etwa das doppelte
Risiko als an Verkehrsunfällen in Berlin zu
sterben. Das schleichende Gift des Lärms,
das meist während des Schlafes nicht
erkannt wird, wird von Experten als
größte Umweltgefahr für unsere Gesundheit
in der Stadt angesehen. Auch wenn
diese Erkenntnis erst in den späten achtziger
Jahren bekannt wurde und bisher
noch nicht zu gesetzlichen Regelungen für
den Straßenverkehr geführt hat, so kann
die BVG nicht darüber hinwegsehen. Und
wenn in der Konrad-Wolf-Straße nur so
geringe Änderungen, wie eine Geschwindigkeitsreduzierung
auf 30 km/h eine
Lärmminderung bewirken können, dann
ist hier der Gesundheit zu Liebe ein
rasches Einlenken der BVG zu erwarten.
Den Verantwortlichen muß klar sein,
daß Straßenbahnplanung auch eine Gesundheitsplanung
ist und in dem vorliegenden
Fall bisher eine Krankheitsplanung
bedeutet. Ein Dienstleistungsunternehmen
sollte seine Akzeptanz in der Bevölkerung
nicht durch Ignoranz und Arroganz
verspielen. Bezirksamt Hohenschönhausen von Berlin
Stadtrat für Stadtentwicklung, Umwelt und Bauwesen
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