Berlin

Rücksichtslose Sparpolitik am Beispiel der Buslinie 182

Bus 181/182: montags bis freitags (durchgehend zwischen 6 und 20 Uhr) ergänzen sich diese beiden Linien zwischen Friedrich-Wilhelm-Platz und Lankwitz Kirche auf einen 5-Minuten-Takt, lautete eine Meldung im BVG Plus vom März 2000. Das klingt gut - ist es aber nicht.

Dem ab 30. Mai 1999 gültigen Fahrplan ist zu entnehmen, daß die gegenseitige Ergänzung der Buslinien 181 und 182 zum 5-Minuten-Takt keine Neuigkeit ist, sondern dem bisherigen Angebot entspricht (dies übrigens seit Jahren). Wer nun vermutet, daß die eine am durchgehenden 5-Minuten-Takt bis 20 Uhr noch fehlende Fahrt auf der Linie 182 (diese müßte um 19.51 Uhr am U-Bahnhof Friedrich-Wilhelm-Platz beginnen) ergänzt wurde, dem sei ein Blick auf den zum 26. März 2000 geänderten Fahrplan dieser Linie empfohlen: Die fehlende Fahrt wurde nicht ergänzt.

In Wirklichkeit hat die BVG entgegen der von ihr suggerierten Angebotsverbesserung Busfahrten gestrichen. Von den zuletzt noch verbliebenen 26 am U-Bahnhof Friedrich-Wilhelm-Platz beginnenden Verstärkerfahrten auf dem 182er, die meist nur noch bis Siemensstraße/Halskestraße verkehrten, sind genau 25 Fahrten entfallen!

Rückblick: Linie 182

Erinnern wir uns: Die Linie 182 wurde früher zu den Hauptverkehrszeiten alle sieben bis acht Minuten (noch früher sogar alle fünf Minuten) auf der gesamten Strecke bis nach Marienfelde, Waldsassener Straße bedient.

Zum Fahrplanwechsel vom 23. Mai 1993 wurde dieses dem Fahrgastbedarf entsprechende Angebot auf einen 10-Minuten-Takt reduziert. Unmittelbare Folge dieser Verschlechterung waren chaotische Zustände im 182er: Dutzendweise im Oberdeck (!) stehende Fahrgäste waren nicht selten.

Angesichts der Zumutungen der BVG suchten sich manche Fahrgäste andere Wege (der Autor dieses Artikels „flüchtete" in die damals noch am U-Bahnhof Friedrich-Wilhelm-Platz beginnenden Fahrten der Linien 185E oder 186E und stieg dann in die Linie 111 um).

Doppeldeckerbus
Bus 182 an der Haltestelle U-Bahnhof Walter-Schreiber-Platz. Foto: Alexander Frenzel, Juni 2000

Obwohl für jeden unbefangenen Beobachter klar erkennbar war, daß der 10-Minuten-Takt auf der Linie 182 nicht ausreichte, hielt die BVG dennoch am einmal beschrittenen Sparkurs ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Fahrgastzahlen fest.

Die nun benötigten und bald durch die BVG eingeführten Einsetzfahrten bis Lankwitz Kirche waren nie ein vollwertiger Ersatz für das dem Bedarf und der tatsächlichen Nachfrage nicht angemessene Angebot mit der reduzierten Stammlinie nach Marienfelde (wie denn auch, wenn ein sehr großer Teil von Fahrgästen auf dem 182er sein Fahrtziel in der Gallwitzallee oder in Marienfelde hat).

Konsequenterweise beschränkte die BVG diese Einsetzfahrten bald darauf überwiegend auf den Abschnitt bis Siemensstraße/Halskestraße. Die hier nunmehr über die Albrechtstraße als Betriebsfahrten (!) zum Friedrich-Wilhelm-Platz zurückgeführten Busse hielten anfangs zumeist erst an der Haltestelle der Linie 180, 183 und 283 in der Albrechtstraße - je nach Informationsstand des Fahrpersonals, das entschied, welche Haltestelle die „richtige" sei.

So wurde die einzige gemeinsame Haltestelle der Linie 182E mit den bis nach Marienfelde durchfahrenden Bussen der Linien 182 , 187 oft „überfahren" - Pech für die Fahrgäste, die hier einfach „nur" in den nächsten Bus nach Marienfelde umsteigen wollten. Unter diesen Rahmenbedingungen ist es nunmehr geschafft: Endlich konnten die ja auch eigentlich gar nicht eingeplanten Verstärkerfahrten mangels Nutzung gestrichen werden!

Falls die BVG eine Strategie für die Buslinie 182 entwickelt hat, durch ein fortlaufend verschlechtertes Angebot einen möglichst großen Anteil ihrer Fahrgäste aus den Bussen zu scheuchen, so kann diese inzwischen als erfolgreich angesehen werden.

Jetzt fragt sich der geneigte Leser möglicherweise, wo denn nun das Konstruktive bleibt ... Bitte sehr:

IGEB - Vorschlag

Anknüpfend an entsprechende Überlegungen im „Busnetz 90" schlagen wir die Einrichtung einer Buslinie 282 vor, die sich vom Streckenverlauf der Linie 182 nur durch die Führung über das „Thüringer Viertel" (Brotteroder Straße - Apoldaer Straße - Sondershauser Straße - Hildburghauser Straße) unterscheidet. Diese neue Linie würde alle noch verbliebenen Fahrten der Linie 181 von Lankwitz nach Marienfelde übernehmen, deren Bedienung in diesem Abschnitt aufgegeben würde. Sie würde, wie schon bisher die Linie 187, während der gesamten Bedienungszeit (montags bis freitags von 6 bis 19 Uhr; sonnabends von 8 bis 15 Uhr) alle 20 Minuten verkehren.

Durch einen entsprechenden Fahrplanaufbau wäre sicherzustellen, daß der gemeinsame Abschnitt mit der Linie 182 annähernd alle sechs bis sieben Minuten bedient wird und sich darüber hinaus ab Lankwitz Kirche sinnvolle Überlagerungen mit der Linie 181 ergeben.

Nun hören wir schon wieder die Bedenkenträger äußern, daß solche Verbesserungen zwar wünschenswert sein mögen, aber - leider, leider - am angeblich nicht vorhandenen Geld scheitern würden.

Zunächst sei darauf hingewiesen, daß durch den abschnittsweisen Wegfall der Linie 187 die entstehenden Mehrkosten von vornherein begrenzt würden.

Angebotsverschlechterungen seit 1992 auf den BVG-Linien 181, 182 und 187

Die Aufzählung ist nicht vollständig:

  • Bedienungseinstellung der Linie 187 zwischen Lankwitz und Marienfelde am Sonnabendnachmittag und am Sonntag ganztägig durch den Fahrplanwechsel vom 31.05.92 (die zwischenzeitlich als Ersatz gepriesene „Haustürservicelinie" 582 (später 482) ist „natürlich" längst entfallen).
  • Taktausdünnung auf der Linie 187 an Wochentagen im Tagesverkehr von 15 auf 20 Minuten durch den Fahrplanwechsel vom 23. Mai 1993.
  • Taktausdünnung auf der Linie 182 von 10 auf 20 Minuten am Sonnabend nachmittag durch den Fahrplanwechsel vom 29. Mai 1994.
  • Bedienungseinstellung der Linie 181 zwischen U-Bahnhof Friedrich-Wilhelm-Platz und S-Bahnhof Lankwitz im Spätverkehr sowie an Sonntagen vor 10 Uhr durch den Fahrplanwechsel vom 15. Oktober 1995.
  • Wegfall der Verstärkerfahrten auf der Linie 181 zwischen Friedrich-Wilhelm-Platz und Alt-Mariendorf am Sonntag nachmittag durch den Fahrplanwechsel vom 27. September 1998.

Kurz: Unsere Bereitschaft, Geldmangel als „Standardbegründung" für jede noch so geringe Mehrausgabe zu akzeptieren, tendiert angesichts der vorangegangenen rücksichtslosen Angebotsreduzierungen gegen Null.

Wir wollen stattdessen hören, daß und warum wenigstens bescheidene Angebotsverbesserungen im BVG-Angebot möglich werden.

IGEB, Abteilung Stadtverkehr

aus SIGNAL 4-05/2000 (Juni/Juli 2000), Seite 14-15

 

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