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Schon die Bibel rät, das eigene Licht nicht
unter den Scheffel zu stellen. Und auch Ihr
solltet nicht so bescheiden mit einem kleinen,
aber feinen Erfolg lokaler Verkehrspolitik
umgehen.
Da begab es sich vor mehr als dreißig
Jahren, daß der Senat in Steglitz nicht nur
eine U-Bahn bauen wollte, sondern am
„vorläufigen" Endpunkt am Rathaus auch
einen großen Busbahnhof. Busse, so meinte
man damals, sollten künftig nur noch als
Zubringer zu den Schnellbahnen dienen,
denn jeder Umsteigevorgang erhöht die
Attraktivität der OPNV-Benutzung bekanntlich
ungemein. Überhaupt wurde
Steglitz seinerzeit mit allem beglückt, was
in den sechziger und siebziger Jahren als
Gipfel von Urbanität und moderner Stadt- und
Verkehrsplanung galt: Mit einer Autobahn
und Straßen, die man quer durch die
Wohngebiete schlug, geschlossenen Einmündungen
zwecks „Beschleunigung" der
Schloßstraße, dem Forum Steglitz als einem
der allerersten Einkaufszentren, einem
neuen Warenhaus mit Waschbetonfassade,
für das mal eben einige großbürgerliche
Wohnhäuser abgerissen wurden,
und der Tiburtiusbrücke quer über die
Schloßstraße mitsamt dem noch tolleren
„Bierpinsel", so elegant und filigran wie die
damals so beliebten Plateausohlen. Nur
eine Fußgängerzone blieb dem Bezirk erspart.
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Provisorische Endhaltestelle seit zwei Jahren mit langen Fußwegen. Foto: Alexander Frenzel |
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Da wundert es, daß das berühmteste
Bauwerk in Steglitz gegen den Willen der
Politik entstand: der Kreisel. Sigrid Kressmann-Zschach -
hochbegabt zwar weniger
als Architektin, dafür aber als Immobilienspekulantin
und Organisatorin lukrativer
Kungeleien - hatte rechtzeitig von den
Senatsplänen für U- und Busbahnhof Wind
bekommen und sich Schlüsselgrundstücke
gesichert. So mußte der Riesenkomplex aus
Einkaufszentrum, Büro- und Parkhaus, der
sich nach Kressmann-Zschachs Vorstellungen
über dem ÖPNV-Knotenpunkt erheben
sollte, wohl oder übel genehmigt werden.
Irgendwann wurde der Kreisel doch fertiggestellt
und funktioniert irgendwie. In zwischen
ist er zu einem erstklassigen
Denkmal für die Verirrungen und die Umbrüche
der nicht nur in ästhetischer Hinsicht
unsäglichen siebziger Jahre avanciert.
Das galt auch für den Busbahnhof, der
mit seinen klobigen Formen, dem Sichtbeton
mit Verschalungsspuren und dem
Farbmix aus Knallorange und Gelb, Grün
und Dunkelbraun eine exemplarische
Scheußlichkeit, angesiedelt ist zwischen
Toffifee, Pril-Blumen und Tschibo-Ramsch.
Bis zum Herbst sollte die Aktion dauern.
Herbst 1998! Doch bis heute liegt der Busbahnhof
still. Für Fahrgäste von und nach
Lichterfelde, Lankwitz oder Mariendorf bedeutet
das seit zwei Jahren lange Wege,
zumal beispielsweise die Haltestelle in der
Albrechtstraße extrem ungünstig zu den
verbliebenen U-Bahn-Zugängen liegt. Das
fiel sogar der BVG auf und sie beantragte
die Einrichtung einer Ausstiegshaltestelle
kurz bevor die Schloß- auf die Albrechtstraße
trifft. Die Busse stehen hier meist
ohnehin in der Rechtsabbiegespur im Stau,
ein U-Bahn-Eingang befindet sich direkt
daneben, und so würde eine Erleichterung
wenigstens für die Fahrgäste des 283ers
und der am Rathaus endenden Wagen des
185ers geschaffen, die sonst von der eigentlichen
Haltestelle zu diesem Eingang
zurücklaufen. Und seitdem der Ausstiegshalt
endlich am Jahresanfang eingerichtet
wurde, kann man interessante Studien
über das Verhältnis zwischen Berliner Busfahrern
und ihren Opfern, pardon: Fahrgästen,
anstellen. Die Haltestelle wird zu weilen
ignoriert. Und sollten die Ausstiegswilligen
meutern, wird ihnen schon mal
mitgeteilt: „Ob hier 'ne Haltestelle is oder
nich, entscheide ick! Ick bin der 283er, die
Haltestelle is nich für mich, und Sie steijen
hier nich aus!" - Ja, so geht es zu in Berlin:
Wenn wirklich mal fahrgastfreundliche
Maßnahmen ergriffen werden, dann stellt
das letzte Glied in der Kette sicher, daß die
Attraktivität des ÖPNV nicht zu sehr
wächst und die Beförderungsfälle wieder
auf ihr Normalmaß als Zuwendungsempfänger
zurechtgestutzt werden.
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Die ehemalige Zufahrt zum Busbahnhof im Kreisel von der Schloßstraße: Betreten verboten. Foto: Alexander Frenzel |
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Wann wird der Busbahnhof wiedereröffnet?
Inzwischen hat man herausgefunden,
daß es mit seiner Asbestsanierung nicht getan
ist. Er muß auch umgebaut werden,
genauer: verkleinert. Aus gut der Hälfte des
Areals ließen sich doch prima Einzelhandelsflächen
machen, finden nicht nur die
Eigentümer, sondern auch der CDU-Baustadtrat.
Ganz überflüssig ist auch die Zufahrt
von der Schloßstraße. Diese „Kleinigkeit"
wird zur Folge haben, daß künftig nur
noch Busse nach, nicht mehr aber von
Lichterfelde den Busbahnhof benutzen
können - es sei denn, man wollte sie über
die Kuhligkshofstraße zuführen, die in ihrem
Südabschnitt eine Einbahnstraße ist,
weil sie sich dort mit der Stadtautobahnabfahrt
vereinigt. Außerdem müßte die Kreuzung
vor dem Schloßpark-Theater umgebaut
werden. Folglich werden mit der
Schließung der Schloßstraßen-Zufahrt die
langen Umsteigewege zementiert, ebenso
wie das Warten in Wind und Wetter, sowie
der Zeitverlust an der Kreuzung vorm Rathaus,
wo der Stau insbesondere der
Rechtsabbieger nicht mehr via Busbahnhof
umfahren werden kann.
Doch dafür macht der Immobiliengigant
ein bißchen mehr Profit, worum Ihr, liebe
Steglitzer Bezirkspolitiker, Euch natürlich
viel mehr zu sorgen habt als um einen attraktiven
ÖPNV. Auch zeigt Ihr mit diesem
Vorgehen perspektivisches Denken, denn
der Busbahnhof, aus dem im Laufe der Jahre
ohnehin immer mehr Linien abgezogen
worden sind, verliert durch die Verkleinerung
noch weiter an Bedeutung - eine
gute Voraussetzung, um sich seiner eines
Tages „mangels Auslastung" ganz zu entledigen,
wovon einige Forsche im Bezirksamt
schon jetzt geträumt haben sollen.
So verschwindet scheibchenweise jene
dem Gemeinwohl dienende Anlage, derentwegen
der monströse Kreisel überhaupt
nur genehmigt wurde (die U-Bahnhöfe
hätte man auch in der Schloß- und in
der Albrechtstraße anlegen können), und
die Kasse der Immobilienbesitzer kann endlich
noch lauter klingeln. Wenn das Sigrid
Kressmann-Zschach noch erlebt hätte!
Ihr Jan Gympel Jan Gympel
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