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Das hat eine Mehrheit der Potsdamer
Stadtverordneten aus SPD, CDU und
Bündnis90/Grüne beschlossen. Viel haben
Politiker dieser Fraktionen dabei den Potsdamern
versprochen: Mehr und bessere
Verbindungen und zugleich mehrere Millionen
Mark Einsparungen im Jahr beim
Verkehrsbetrieb. Inzwischen liegt das neue
Konzept unter dem Titel „Takt 2000" vor
und soll hier kritisch beleuchtet werden.
Es kann nur funktionieren, wenn zuvor eine Reihe
von Voraussetzungen geschaffen werden.
Jeder Fahrgast sieht heute schon, daß Busse
und Bahnen auch im Potsdamer Stadtverkehr
trotz RBL (Rechnergestütztes Betriebsleitsystem)
längst nicht überall Vorfahrt
haben, Das ist aber die entscheidende
Voraussetzung für ein reibungsloses
Funktionieren des Konzeptes - für die versprochenen
kürzeren Fahrzeiten und sicheren
Anschlüsse. Ohne Frage sind solche
Verbesserungen zu begrüßen, nur fehlen
dafür vielerorts einfach noch die Voraussetzungen:
bedingungslose Vorfahrt für
den ÖPNV, kein Stau, befahrbare Straßen.
Beispiel: Die Havelbus Verkehrsgesellschaft
(HVG) hat wegen zu geringer Straßenbreite
ihre einstige Einrichtungs-Linienführung
durch die Erich-Weinert-Straße in der
Waldstadt aufgegeben. Nach dem neuen
Linienplan soll hier nun sogar Zweirichtungsverkehr
funktionieren; es frage
sich nur wie! Beim Fahrplanstart am
25. Juni dürfte es also erhebliche Probleme
mit den alltäglichen Widrigkeiten eines
ganz normalen städtischen Oberflächenverkehrs
geben!
Es weist nicht nur Verbesserungen für die
Fahrgäste auf, sondern bringt in Teilen
massive Verschlechterungen.
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Der neue Bahnhofsvorplatz in Potsdam mit Regionalbus und Straßenbahn. Foto: Marc Heller, Juni 2000 |
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Einem Teil der Fahrgäste, besonders der
Straßenbahn, bietet das Konzept neue Direktverbindungen
und kürzere Fahrzeiten.
Bei genauem Hinsehen wird aber deutlich,
daß diese Vorzüge an einer Stellt mit erheblichen
Nachteilen an anderer Stelle erkauft
wurden. So wird bei der Straßenbahn
das Verästelungsnetz wieder eingeführt,
das vor wenigen Jahren aus gutem
Grund, vor allem wegen mangelnder
Fahrgastsicherheit, zugunsten des Achsennetzes
aufgegeben worden war.
Als besonderen Vorzug preisen die Verfechter
des neuen Netzes die nunmehr an
vielen Punkten vorgesehenen Umsteigemöglichkeiten
zwischen den Linien. Damit
würde angeblich die Attraktivität des
ÖPNV erhöht. Als Vorbild dafür hat sich
der „geistige Vater" der Potsdamer Fahrplanoptimierung,
der aus Hamburg stammende
Nahverkehrsberater Dieter Doege,
den integralen Taktverkehr der Bahn ausgeguckt,
der zum Beispiel in der Schweiz
hervorragend funktioniert. Unter den Bedingungen
eines Stadtverkehrs ist solches
Herangehen allerdings nicht nur eine störanfällige
Angelegenheit (siehe oben) - es
führt durch mehrmaliges Warten auch auf
vielen Linien zu deutlichen Fahrzeitverlängerungen,
die bei den insgesamt
kurzen Reisezeiten im Stadtverkehr doch
erheblich ins Gewicht fallen und so die Attraktivität
einschränken. Und für Mobilitätsbehinderte
bringt das künftig notwendig
werdende mehrmalige Umsteigen zusätzliche
erhebliche Probleme und ebenfalls
Fahrzeitverlängerungen, da sie wegen
fehlender Voraussetzungen nicht an jedem
„Rendezvous-Punkt" auch tatsächlich
umsteigen können, wie zum Beispiel an
der Haltestelle Rathaus (Stadtverwaltung
in der Friedrich-Ebert-Straße) zwischen Bus
und Tram vorgesehen. Sinn des Ganzen
sollte sein, Parallelverkehr abzuschaffen
und so Leistungen einzusparen. In Potsdam
führt dieses im Prinzip richtige Vorgehen
allerdings insbesondere beim Busnetz
zu gravierenden Verschlechterungen, da
eine Vielzahl nicht nur bewährter, sondern
von den Fahrgästen ausgesprochen gern
genutzter Verbindungen einfach gestrichen
worden sind.
Innenstadt wird "busfrei"
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Straßenbahn an der Endhaltestelle Bornstedt, Kirschallee. Wird sich Takt 2000 bewähren? Foto: Marc Heller, Juni 2000 |
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Mit Ausnahme der „Touristen"-Linie 695
quert keine einzige Buslinie mehr die Innenstadt,
der Bus ist nur noch mehr oder
weniger Zubringer zur Tram. Das erschwert
den Touristen das Fortkommen,
von denen Potsdam zu einem erheblichen
Teil lebt. Hier dürfte sich aber auch der
meiste Widerstand der Potsdamer Fahrgäste
regen, denn schon allein die mit Inbetriebnahme
der Tram ins Bornstedter Feld
vorgenommene Splittung der Buslinie 692
hatte zu erheblichen Fahrgastbeschwerden
geführt. Ein weiteres Beispiel: Das
Sozialdorf Lerchensteig, das heute im 20-Minuten-Takt
bedient wird, muß künftig
mit einem 60-Minuten-Takt auskommen.
Hier hat garantiert niemand die Chance,
aufs Auto auszuweichen! Und ein letztes
Beispiel: In der jahrzehntelang sogar von
der Straßenbahn erschlossenen Friedrich-Engels-Straße
rollt künftig nicht einmal
mehr ein Stadtbus, hier muß die HVG mit
ihrem grobmaschigen Takt das Schlimmste
verhindern. Mit derartigen „Verbesserungen"
ist man offensichtlich erheblich
übers Ziel hinausgeschossen.
Das gilt auch für die neu eingeführten,
sogenannten „Express-Linien" der Tram.
Im Berufsverkehr sollen Fahrgäste aus den
großen Neubaugebieten Kirchsteigfeld,
Drewitz, Stern, Schlaatz und Waldstadt bei
ihrer Fahrt in die Innenstadt vier bis sechs
Minuten Fahrzeit einsparen können. Dafür
werden die Fahrgäste an einem beträchtlichen
Teil der Trasse deutlich schlechter gestellt:
überall dort, wo diese Bahnen ohne
Halt durchfahren.
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Die Straßenbahn in Potsdam wird der Hauptträger des ÖPNV in der Potsdamer Innenstadt. Geht das Konzept so auf? Foto: Marc Heller, Mai 2000 |
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Da zugleich alle Linien wegen der Anschlußgewährung
künftig gebündelt in
die Stadt rollen, wird zum Beispiel für die
Einwohner der Teltower Vorstadt und für
Besucher wichtiger Einrichtungen in der
Heinrich-Mann-Allee (Arbeitsamt, Gymnasium,
BfA) aus dem heutigen Fünf- ein
Zehn-Minuten-Takt, und das selbst in der
Hauptverkehrszeit. Bedingung für die Einführung
des neuen Fahrplans war neben
der zu erreichenden Kosteneinsparung in
Millionenhöhe die Beibehaltung heutiger
Standards, d.h. der gegenwärtigen Attraktivität
des Potsdamer ÖPNV. Wie die
wenigen genannten Beispiele schon zeigen,
kann davon keine Rede sein!
War bisher alles schlecht?
Aus Fahrgastsicht bestehen also ganz erhebliche
Bedenken gegen die Einführung
des Konzeptes. Sind denn aber die Fahrgäste
so unzufrieden mit dem ViP-Angebot,
daß in kürzester Frist eine neue Lösung her
muß? Bei weitem nicht! In mittlerweile
vier wissenschaftlichen Untersuchungen
zur Zufriedenheit der Fahrgäste in den
letzten beiden Jahren wurde überzeugend
nachgewiesen, daß sich die ViP-Angebote
- übrigens ganz anders als in den meisten
Medien widergespiegelt - steigender Beliebtheit
erfreuen. Auch deshalb muß man
fragen, weshalb die Optimierung überstürzt
und ohne Beachtung der fachlichen
Kritiken vieler Experten des Potsdamer
Nahverkehrsbeirates, darunter des Deutschen
Bahnkunden-Verbandes Potsdam-Mittelmark,
durchgezogen werden soll.
Und zu fragen ist auch, wieviel von den
anfangs versprochenen fünf Millionen
Mark an jährlichen Einsparungen am Ende
tatsächlich realisiert werden können. Die
Antwort: Gerade mal eine Million Mark
bringt das neue Konzept unterm Strich -
und das noch ohne Berücksichtigung der
zu tätigenden Investitionen in sechsstelliger
Höhe, um es erst einmal zum Laufen
zu bringen! Ein Kompromißkonzept des
Nahverkehrsbeirates hätte ohne massive
Eingriffe in das vorhandene Angebot und
ohne zusätzliche Kosten 1,5 Mio. Mark
Einsparungen gebracht. Es wurde jedoch
von den Politikern der Rathauskoalition
aus SPD, CDU und Bündnisgrünen kurzerhand
verworfen.
Der DBV Potsdam-Mittelmark wird die
Einführung des neuen Fahrplans kritisch
begleiten und im Falle der erwarteten Probleme
auf die Verantwortlichkeitenhin weisen.
Der „optimierte Fahrgast" darf
nicht das Ziel wie auch immer gearteter
Veränderungen im ÖPNV sein! Deutscher Bahnkunden-Verband,
Potsdam-Mittelmark
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