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Straßenbahn zum Hermannplatz

Auf Einladung der Lokalen Agenda 21 Neukölln fand am 21. Februar eine Podiumsdiskussion zu diesem Thema statt. Es diskutierten die verkehrspolitischen Sprecher Kaczmarek (CDU), Gaebler (SPD), Matuschek (PDS) und Cramer (Grüne). Die Strecke wurde von Tilo Schütz (AG Straßenbahn) in einem Eingangsreferat vorgestellt.

Die neue Strecke soll in gerader Linie von der Oberbaumbrücke über Falckensteinstraße - Görlitzer Park - Glogauer Straße - Pannierstraße - Sonnenallee zum Hermannplatz führen, wo sie vor dem Kaufhaus Karstadt stumpf enden soll. Es sind sechs neue Haltestellen geplant: Falckensteinstraße/Schlesisches Tor, Görlitzer Park, Glogauer-Straße, Pflügerstraße, Sonnenallee/Pannierstraße und Hermannplatz. Nach Eröffnung der Straßenbahnstrecke könnte die Buslinie 129 nach Treptow statt zum Hermannplatz verkehren.

Die Neubaustrecke wäre ca. 2,9 Kilometer lang, die Fahrzeit soll zehn Minuten betragen. Bei errechneten 30.000 bis 40.000 Fahrgästen soll ein 5-Minuten-Takt (Linien 20, 23) angeboten werden. Die Baukosten wurden von den Podiumsteilnehmern auf 100 Millionen DM, die Eröffnung auf 2008 geschätzt. Die BVG möchte darüber hinaus in nicht zu ferner Zukunft noch die Verbindungen Baumschulenweg - Sonnenallee - Hermannplatz und Hermannplatz - Hallesches Tor - Potsdamer Platz - Lehrter Bahnhof auf Straßenbahnbetrieb umstellen.

Die Strecke verbindet U- und S-Bahnhof Warschauer Straße bzw. den Bezirk Friedrichshain und hat damit eine übergeordnete Bedeutung als Ergänzung des Schnellbahnnetzes. Darüber hinaus werden aber auch lokale Verkehrsbedürfnisse bedient und Erschließungsdefizite, insbesondere im Wrangelkiez, behoben.

Überraschend für die verkehrspolitisch Interessierten war, daß die Strecke in seltener Einigkeit - von CDU bis PDS - von allen anwesenden Fachpolitikern befürwortet wird. Auch die Trassenführung wird mit Ausnahme der Grünen von allen unterstützt. Die Grünen waren noch hinund hergerissen zwischen ihrem grundsätzlichen Engagement für die Straßenbahn und lokalem, offenbar nicht zu unterschätzenden Vorbehalten gegen die Durchquerung des Görlitzer Parks. Die Konfliktpunkte der Trasse seien im folgenden dargestellt und bewertet:

Durchquerung des Görlitzer Parks

Die Strecke durchquert den Park auf einer Länge von ca. 150 Meter. Die Vorbehalte basieren auf der Furcht vor einer Zerschneidung des Parks und einer Gefährdung durch die Straßenbahn. Gefordert wird daher eine Umfahrung des Parks. Folgende Alternativstrecken wurden genannt:

  • a) Westumfahrung (über Skalitzer Straße, Spreewaldplatz) Die Strecke ist 3,5 Kilometer lang. Mit zehn zusätzlichen Kurven ergibt sich eine Fahrzeit von 15 Minuten.
  • b) Ostumfahrung (über Görlitzer Ufer, Taborstraße) Die Strecke ist 3,4 Kilometer lang. Mit sechs zusätzlichen Kurven ergibt sich eine Fahrzeit von 14 Minuten.
Park
Zukünftige Haltestelle Görlitzer Park. Um dieser Haltestelle ihr sensibles Umfeld einzufügen, sollte ein Wettbewerb ausgeschrieben werden. Foto: Alexander Frenzel

Gegen beide Varianten sprechen die wesentlich längeren Fahrtzeiten und damit eine schlechtere Wirtschaftlichkeit (höherer Aufwand für weniger Fahrgäste), die schlechtere Erschließungswirkung der Variante a) (Wrangelkiez nicht, Wiener und Skalitzer Straße doppelt erschlössen und mehr Lärm durch Kurven, was die Akzeptanz der Bahn verschlechtert. Beide Varianten sind daher ungeeignet, die gestellten Anforderungen zu erfüllen. Dies entspricht im wesentlichen auch der Position von CDU, SPD und PDS.

Die befürchtete, trennende Wirkung sowie Gefährdungen durch die geplante Straßenbahnstrecke sind durch geeignete Maßnahmen zu minimieren. Überbrückungs- und Untertunnelungsvarianten, die diskutiert wurden, scheiden wegen der Länge der Rampen, die ja nur innerhalb des Parks liegen könnten, aus.

Der langgestreckte Park wird von einer Promenade geteilt. Die südliche Hälfte des Parks ist aufgrund umzäunter Einrichtungen (Kinderbauernhof, Sportfeld) ohnehin zerschnitten, die Trasse würde hier keinen Eingriff bedeuten. Für die Straßenbahn sollte Tempo 30 gelten.

Die Nordhälfte ist mit einer Wasserrinne ausgestattet, die aus Kostengründen in den letzten Jahren nicht betrieben wurde. Dort soll nach der Planung die Haltestelle errichtet werden. Somit werden in diesem Bereich geringe Geschwindigkeiten gefahren und die Plattform kann leicht überquert werden. Die IGEB fordert, die Haltestelle nicht nach BVG-Standard zu errichten, sondern einen Gartenarchitekten-Wettbewerb für eine grüne Park-Haltestelle durchzuführen.

Bei der Diskussion sollte nicht außer acht gelassen werden, daß durch die Maueröffnung ein Grünzug vom Görlitzer Park bis nach Treptow zum Schlesischen Busch entstanden ist, der die Grünversorgung der Bevölkerung deutlich verbessert.

Um das Sportfeld möglichst unangetastet zu lassen, wurde auf etwa 70 Meter eine Gleisverschlingung und somit eine eingleisige Führung vorgeschlagen. Die IGEB lehnt dieses ab, da damit ohne Not Zwangspunkte für den Betrieb geschaffen werden. Im Rahmen des für das Vorhaben geplanten Budgets ist die Verlegung einer 100-Meter-Bahn und eines Sandfeldes unerheblich.

Bedienung Hermannplatz.

Karte
Straßenbahn von der Oberbaumbrücke zum Hermannplatz. Die direkte und kürzeste Strecke führt durch den Görlitzer Park (*) ...

Der Vorschlag sieht die Endstelle der Straßenbahn an historischer Stelle an der Westseite des Hermannplatzes vor. Dieser Punkt wurde umfangreich diskutiert, insbesondere argumentierte Herr Kaczmarek gegen eine Haltestelle dort („Bitte keine Astellanlage auf dem Hermannplatz").

Bei der alternativ vorgeschlagenen Lage in der Urbanstraße würde Umsteigern von der U7 und U8 Umsteigewege von 200 Meter mit Überquerung zweier großer Straßen zugemutet, was eine Umsteigezeit von ca. vier Minuten ergibt. Die Verschlechterung entspricht damit in etwa der der Umwegvarianten.

Die IGEB fordert, die Strecke nicht kurz vor dem Ziel enden zu lassen und bis auf den Platz zu führen. Die im Entwurf zum Nahverkehrsplan verankerte Verbesserung der Umsteigewege in Berlin muß gerade bei Neubauten beachtet werden.

Der Vorschlag aus dem Publikum, die Strecke bis zum Columbiadamm zu führen, wo nicht nur Deutschlands größte Moschee entsteht, sondern wo nach Schließung des Flughafens Tempelhof auch neue Baugebiete erschlossen werden müssen und gleichzeitig ausreichend Fläche für wartende Bahnen vorhanden wäre, kann wohl wegen den damit erforderlichen zusätzlichen Streckenkilometern erst für eine spätere Ausbaustufe in Betracht kommen.

Der große Rest der Strecke ist unumstritten. In der Glogauer Straße und Pannierstraße können die Gleise einfach in der Fahrbahn verlegt werden, nur vor Ampeln muß eine Aufstellfläche abmarkiert werden, um die Vorfahrtschaltung nutzen zu können. In der Falckensteinstraße, die derzeit Verkehrsberuhigter Bereich ist, ist besondere Sensibilität angebracht. Dort ist eine besondere Gestaltung und Tempo 30 für die Bahnen angemessen.

In der Sonnenallee soll der Mittelstreifen für die Trasse genutzt werden. Aus Sicht der IGEB ist hier die Einrichtung einer ÖPNV-Spur sinnvoll, damit auch der Bus auf der stark befahrenen Straße beschleunigt werden kann.

Zuversichtlich stimmt die Einigkeit der Politik in bezug auf die Straßenbahn zum Hermannplatz. Auch das sollte Anlaß sein, die Termin kette und Baukosten zügig zu konkretisieren. Die geschätzte Inbetriebnahme 2008 ist viel zu spät. Die Strecke ist sicher mit deutlich weniger als den angegebenen 100 Millionen DM (=34 Millionen DM pro Kilometer, etwa das Doppelte der normalen Baukosten) zu realisieren.

Ein erneutes Gutachten ist nur sinnvoll, wenn damit unmittelbar die Planungsgrundlagen für das Planfeststellungsverfahren geschaffen werden, das Anfang 2003 abgeschlossen sein könnte.

IGEB, Abteilung Stadtverkehr

aus SIGNAL 3/2001 (Mai-Juni 2001), Seite 4-5

 

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