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Als BVG-Benutzer hat man sich daran gewöhnt,
daß Fahrpläne vor allem zur Irreführung
der Beförderungsfälle dienen, und
auch DAISY besitzt ja einen hohen Unterhaltungswert:
Haben doch die Angaben, die
das „Dynamische Auskunfts- und Informationssystem"
macht, oft nur bedingt mit
dem tatsächlichen U-Bahn-Verkehr zu tun.
Doch im Sommer kann man über den Sinn
einer weiteren Neuanschaffung der doch
finanziell stets so klammen BVG rätseln: Klimaanlagen
in manchen Bussen. Nicht, daß
die Luftkühler keine gute Idee wären. Aber
dafür müßten sie funktionieren. Ein auf
zwanzig Grad heruntergekühlter Bus ist mir
in den letzten Wochen jedoch nicht begegnet.
Im Gegenteil: Klimaanlage heißt natürlich
auch, daß sich kein Fenster öffnen läßt.
Und weil die Kühlsysteme nicht funktionieren
(oder aus Kostengründen nicht eingeschaltet werden?),
sind BVG-Busse nach wie
vor ein sicherer Ort für all jene, denen es im
Sommer in Berlin nicht heiß genug ist. Sie,
lieber Leser, fühlen sich am wohlsten um die
35 Grad? Dann nichts wie ab in den nächsten
Bus, vor allem einen mit Klimaanlage!
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Die Fenster in den Coladosen lassen sich nur anklappen. Foto: Alexander Frenzel, Juni 2001 |
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Wahre Brutkästen sind auch viele S-Bahn-Züge,
vor allem die „Coladosen". Zwar kann
man hier die Fenster öffnen, doch das hilft
nicht viel - nicht nur wegen jener panischen
Furcht vor dem kleinsten bißchen Zugluft,
die ein untrügliches Zeichen dafür ist, daß
man alt wird (was steht unserer vergreisenden
Gesellschaft da noch bevor?). Selbst
wenn mal niemand im Wagen sitzt, der
gleich nach dem Einsteigen möglichst alle
Klappen geschlossen hat (Protest wird mindestens
mit Gejammere pariert) - den kleinen
Öffnungen gelingt es weder, den überhitzten
Raum registrierbar mit kühlerer Luft
zu versorgen, noch den Passagieren wenigstens
durch den Fahrtwind Erleichterung zu
verschaffen. Früher einmal konnte man die
Fenster bis zur Hälfte öffnen. Aber das war
ja noch zu einer Zeit, als man noch nicht der
Meinung war, Deppen, die ihren Kopf aus
dem fahrenden Zug stecken, unbedingt von
ihrem idiotischen Tun abhalten zu müssen.
Sollten demnächst einige doofe Teenies auf
die Idee kommen, die Arme durch die Lüftungsklappen
zu quetschen und dann die
eine oder andere Gliedmaße an einem Signalmast
verlieren, wird unsere sicherheitsbesessene
Gesellschaft wohl eine vollständige
Versiegelung der Fenster anordnen.
Apropos S-Bahn: Die nächste Runde des
Spiels „Wirwirbeln die Linien durcheinander"
hat die S-Bahn GmbH für den Spätsommer
angekündigt, wenn wieder Züge
von Gesundbrunnen nach Schönhauser Allee
und Pankow fahren können. Aber warum
bloß hat es in diesem Jahr noch keine
Bahnhofsumbenennungen gegeben? Ein
Wunsch der Messegesellschaft weckt Hoffnung:
Könnte man nicht aus Witzleben
„Messe Nord" und aus Eichkamp „Messe
Süd" machen? Eine gute Idee, die man
schon längst hätte ausbauen sollen, und die
nun, angesichts der gähnend leeren Senatskassen,
nach Umsetzung ruft: Sollen doch
S-Bahn und BVG die Namen ihrer Haltestellen
verkaufen! Das könnte uns die Stadt
und ihre Umgebung auf ganz neue Weise
erleben lassen, ja, U- und S-Bahn würden zu
einem eigenen Universum. Wo schon aus
Drewitz „Medienstadt Babelsberg" wurde
und aus Wildpark „Park Sanssouci", da sollte
man nicht bei „Messe-Nord/Süd/Ostnordost"
(auch die Stationen Kaiserdamm und
Theodor-Heuss-Platz rufen nach neuen Namen)
und „Gropius-Passagen" stehen bleiben!
Statt Wittenberg platz heißt es künftig
vielleicht „KaDeWe", statt Rathaus Steglitz
„Der neue Kreisel", statt Friedrichstraße
„Dussmann" und statt Kurfürstenstraße
„Dolly Buster international". Auch überkommene
Ansprüche gehören auf den
Prüfstand: Der Zoo will nicht dafür zahlen,
daß er seit Jahrzehnten kostenlos auf den
Stationsschildern genannt wird und somit
eine enorme Publicity erzielt? Mal sehen,
wer mehr für den Bahnhofsnamen bietet:
„Das neue Kranzler-Eck" oder „Beate Uhses
Erotikmuseum". So verschwände auch endlich
der belastete Name „Bahnhof Zoo" -
man kennt sowas ja, etwa vom „Sozialpalast",
der nicht mehr so genannt werden
will. Und warum heißt die Station Treptower
Park eigentlich noch nicht „An den
Treptowers, wo die Allianz residiert", wo
man doch auch schon das angrenzende
Straßenstück nach Investorengusto umbenannt
hat? Bald halten Züge vielleicht auch
auf den - weniger zentral gelegenen und
daher billigeren - Bahnhöfen „Inges Imbißbude"
und „Kallis Kneipeneck". Nur die
Umbenennung der Station Alexanderplatz
in „Bankgesellschaft Berlin" werden wir nun
wohl nicht erleben dürfen.
Ganz begeistert von dieser Idee dürfte die
FDP sein, die ja gerne privatisieren möchte,
was immer sich verscherbeln läßt. Im einem
gewissen Gegensatz zu dem modernen
Anstrich, den sich die einstige Pünktchen-Partei
verpaßt hat, stehen jedoch ihre verkehrspolitischen
Vorstellungen. Oder hat
man da aus Versehen die Forderungen zur
Abgeordnetenhauswahl 1963 abgeschrieben?
Das aktuelle „18-Punkte-Programm"
der Partei ist zwar recht dünn, aber dreimal
ist darin von Autobahnbau die Rede, unter
anderem heißt es: „Umweltschutz muss
dem Bürger zugute kommen. Er kann nicht
als Vorwand dafür dienen, städtisches Leben
zu unterbinden. Das beginnt mit dem
Autobahnbau und endet beim Biergarten."
Und habe ich nicht auch schon vom Spitzenkandidaten,
Ex-Senator, Ex-Bundesminister
Rexrodt gehört, daß endlich die „Behinderung
des Autoverkehrs durch die Straßenbahn"
ein Ende haben müßte? Prima!
Aber warum auf halbem Wege stehenbleiben?
Warum die Tram nicht ganz stillegen?
Oder dieses blöde Brandenburger Tor, das
immer mehr Risse aufweist, endlich an einen
Ort versetzen, wo es den Autoverkehr
weniger stört? Etwa in den Grunewald?
Und wie ist es zu verstehen, wenn im „18-Punkte-Programm"
steht: „die innerstädtischen
Autobahnlücken [müssen] geschlossen
werden"? Wird jetzt endlich mit den
West-Berliner Sentimentalitäten Schluß gemacht
und die Südtangente doch noch
durch Kreuzberg gebaut, die Osttangente
durch die Hasenheide geschlagen? Auf das
Autobahnkreuz auf dem Oranienplatz
möchte ich nicht verzichten! Und mindestens
fünfzig Kilometer neue U-Bahn in den
nächsten zehn Jahren!
Angesichts ihrer putzigen verkehrspolitischen
Vorstellungen sollte man die FDP
unter Denkmalschutz stellen. Sparen kann
man sich dies hingegen bei vielen Bahnhöfen.
Denn die Exekution eines eingetragenen
Baudenkmals, wie sie in den letzten
Monaten mit dem U-Bahnhof Gesundbrunnen
geschehen ist, verhindert dies offenkundig
nicht. Zwar steht das Empfangsgebäude
noch, das seit Jahren wechselweise
renoviert oder abgerissen werden soll. Doch
in der Bahnsteighalle hat die BVG mal wieder
zu- bzw. abgeschlagen: Die lindgrüne
Fliesenverkleidung der späten zwanziger
Jahre wurde durch eine Imitation ersetzt,
die - wie üblich - nur vage mit dem Original
zu tun hat. Statt feiner Farbspiele innerhalb
der einzelnen Fliese zeigen die neuen
Keramikplatten jeweils nur einen einzigen
Farbton (wenn auch nicht immer den gleichen).
Ähnlich wie am Nollendorfplatz ist so
aus einer sanft changierenden Fläche ein
unruhiger Flickenteppich geworden. Doch
man zeigt sich auch lernfähig: Zum Beispiel
wurde endlich begriffen, daß die Fugen
zwischen den Fliesen nicht schwarz (wie am
Hermannplatz als Teil der Verpfuschung dieses
Baudenkmals ausgeführt), sondern weiß
sein müssen. Freilich gilt dies nicht für den
anthrazitfarben gefliesten Sockelbereich
hinter den Stromschienen. Wie auf den
noch original erhaltenen Bahnhöfen der U8
(wie Voltastraße oder Rosenthaler Platz) zu
sehen, sind die Plättchen dort dereinst so
eng verlegt worden, daß gar keine nennenswerten
Fugen entstanden. Am Gesundbrunnen
hingegen korrespondiert das
weiße Gitternetz, das sich nun über den
Sockelbereich zieht, konsequent mit dem
Flickenteppich darüber.
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U-Bahnhof Gesundbrunnen: Wenig ist vom alten Charakter der Fliesen übrig geblieben. Foto: Alexander Frenzel, Juli 2001 |
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Aber auch eine andere Sanierung hatten
wir uns anders vorgestellt: Jaja, der bisherige
BVG-Chef Rüdiger vorm Walde, dem
jetzt als „großer Sanierer" die Österreichischen
Bundesbahnen anvertraut wurden,
hat Personal und Defizit abgebaut. Doch
leider war es bekanntermaßen vor allem das
Fahrpersonal, das den „Goldenen Handschlag"
erhielt, und zwar in solcher Zahl,
daß im letzten Sommer rund 350 Angestellte
fehlten und der normale Betrieb kaum
mehr aufrecht erhalten werden konnte. In
diesem Sinne ein noch größerer Sanierungserfolg
wäre es wohl gewesen, man hätte
gleich alle Mitarbeiter gegen Abfindung
entlassen, den Betrieb eingestellt und die
BVG abgewickelt - was das Defizit auf Null
gebracht hätte. Der bürokratische Wasserkopf
hingegen ist unter vorm Walde kaum
geschrumpft. Dafür sind die jährlichen Fahrgastzahlen
um rund 150 Millionen gesunken,
und nach dem Debakel mit den Fahrern
wurde ein weiterer Notstand bei den
Bussen heraufbeschworen, dessentwegen
seit Monaten Fahrgastmassen, die einen
Doppeldecker gut füllen würden, in Eindecker
gequetscht werden. Dafür wurden unter
vorm Walde ungezählte Millionen für
unsinnige Modernisierungs- und Verhübschungsmaßnahmen
verjubelt, vom klapprigen,
informationsarmen DAISY über einen
Austausch sämtlicher Haltestellenschilder,
-mästen und Fahrplankästen bis hin zu
schnell verdreckten Natursteinböden, die
man meinte, in historische U-Bahnhöfe klatschen
zu müssen. Die Liste ließe sich verlängern.
Also, liebe Österreicher, diesen Sanierer
könnt Ihr gerne haben! Wollt Ihr vielleicht
auch noch ein paar gescheiterte Verkehrssenatoren?
Oder Ingo Schmitt? Jan Gympel
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