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VBB in (Irr)Fahrt

Obwohl fast alle großen der im VBB zusammengeschlossenen Verkehrsunternehmen eigene (und zumeist sehr informative) Kundenzeitungen herausgeben, erscheint zusätzlich vierteljährlich die Kundenzeitung des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg VBB in Fahrt.

Mit etwas Glück kann man „VBB in Fahrt" in Brandenburg auf einem Bahnhof der DB AG oder in der Bussen der regionalen Verkehrsunternehmen erwischen. Unter den Berliner Fahrgästen dürfte sie trotz ihres nunmehr dreijährigen Bestehens und trotz der Auflage von 1,2 Millionen (!) Exemplaren weitgehend unbekannt sein. Denn hier wird sie fast ausschließlich als Beilage eines Anzeigenblättchens verteilt.

Da wir meinen, daß es auch die Berliner Fahrgäste (und Politiker?) interessieren dürfte, was der VBB mit den immerhin sechs Millionen DM, die er allein aus dem Berliner Landeshaushalt in 2001 erhält, in Sachen Öffentlichkeitsarbeit so leistet, haben wir uns die Ausgabe 13 (September bis November 2001) genauer angeguckt.

VBB Kundenzeitschrift

Immerhin 16 farbige Seiten mit ca. 50 verschiedenen Beiträgen weist die im Auftrag des VBB nunmehr von der Hamburger Wellhausen & Marquardt Mediengesellschaft erstellte Zeitung auf. Und so erfährt man eine Menge zum Beispiel über die neue Stiefelmode, über die touristischen Höhepunkte Roms, den Streit zwischen dem Brandenburger Landesumweltamt und einem Ratzdorfer Grundeigentümer über den Wert dessen Ackerboden, oder über die Anforderungen von Ausbildungsbetrieben an Schulabgänger. Auch Kochrezepte („Das Fahrgast-Rezept: Rosenkohltorte!") - ergänzt um eine Tabelle der Vitamine, Mineralstoffe und Kalorienzahl der zehn bekanntesten Kohlsorten - fehlen nicht. Und schließlich findet man auch ein Kreuzworträtsel und ein Gewinnspiel in der „VBB in Fahrt".

Relevanter für Fahrgäste könnten da schon die Beiträge sein, in denen touristische und kulturelle Einrichtungen in Berlin und Brandenburg mit zumeist blumigen Texten vorgestellt werden. Aber leider fehlen ihnen ganz überwiegend jegliche Hinweise, wie man diese Einrichtungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen kann. Sicher können auch die Leser und Fahrgäste aus Brandenburg ahnen, daß man die am Wochenende zugunsten der Skater gesperrte General-Pape-Straße am besten erreicht, wenn man den S-Bahnhof Papestraße benutzt. Aber wie man mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu dem angepriesenen Teilstück der Skaterstrecke in Teltow-Fläming kommt, wäre für den nicht Ortskundigen schon interessant. Und wenn man die größte freitragende Halle der Welt, die für die Produktion des Cargo-Lifters in Briesen-Brand errichtet wurde, in einem fünfspaltigen Artikel mit Öffnungszeiten und Eintrittspreisen bewirbt, dann wäre der Hinweis auf die ÖPNV-Anbindung in einer Fahrgastzeitschrift wohl nicht zu viel verlangt.

Interessant ist durchaus auch die Liste der brandenburgischen Spaßbäder: Auch hier mit allen Öffnungszeiten und Eintrittspreisen - aber leider ohne jeden Hinweis auf die ÖPNV-Verbindungen.

VBB Kundenzeitschrift Webeschaltung
Auch übrigens die VBB Werbemaßnahmen sind diskussionswürdig!

Offenbar wichtigstes Thema für den VBB und daher „Aufmacher" der aktuellen Ausgabe der VBB-Kundenzeitung aber ist die Einführung des Euro. Titelseite und Seite 2 sind fast vollständig dem Euro gewidmet. Unter der Rubrik „Menschen & Meinungen" geben nicht weniger als sieben Mitmenschen ausführlich ihre Position zum Euro kund und helfen dem Fahrgast bei der eigenen Meinungsbildung. Bei so viel Platz für den Euro erstaunt es allerdings, daß kein Wort dazu verloren wird, welche Auswirkungen die Einführung des Euro auf die Benutzer öffentlicher Verkehrsmittel haben wird. Und gerade dies wäre nicht unwichtig, sind doch von einzelnen Verkehrsunternehmen des VBB milde gesagt sehr ungewöhnliche Modalitäten hinsichtlich des Fahrscheinerwerbs und der Bezahlung zur Jahreswende vorgesehen: Zum Beispiel müssen (!) die Fahrgäste in den Bussen der BVG bereits ab 6. Januar 2002 in Euro zahlen. Und wann die Automaten der DB AG auf Euro umgestellt wären, sollte man als Fahrgast sicher auch wissen, weil sonst bestimmt wieder drakonische „Nachlösegebühren" kassiert werden. Aber auch dazu kein Wort in der VBB-Kundenzeitung.

Sogar Nahverkehrsthemen kommen in der VBB-Kundenzeitschrift vor

Immerhin gut ein Zehntel (!) der Seiten werden in der aktuellen Ausgabe mit Themen des Nahverkehrs gefüllt. Dazu zählt zum Beispiel auch der vierspaltige Artikel über das Engagement der VBB-Azubis auf der internationalen Funkausstellung. Viel wenig Zeilen blieben dagegen übrig für durchaus interessante neue OPNV-Angebote, wie zum Beispiel die zusätzlichen Züge auf der RB 27 (wann fahren die denn nun?) oder die Linienänderungen bei der BVG. Und offenbar fand sich gar kein Platz mehr, um die VBB-Fahrgäste auf die Verlängerung der S-Bahn bis Gesundbrunnen und die damit verbundenen gravierenden Veränderungen im S-Bahn-Liniennetz hinzuweisen.

Aber für Fahrgäste, denen die Verkehrsinformationen in der „VBB in Fahrt" bisher zu dürftig ausfielen, lohnt sich ein Weiterlesen bis zur Seite 12: In einem halbseitigen Beitrag (Keine Anzeige!) werden einige neue Pkw-Typen vorgestellt! Sorgfältig werden die Motorleistungen, Verbrauchswerte und Preise der Typen gegenübergestellt und verglichen. Und was für das öffentliche Verkehrsangebot im Bereich des VBB vielleicht nicht überall gilt, bieten die gepriesenen Autos natürlich allemal: Egal, ob in der Ausstattungsversion Basis, Selection oder Ambiente - alle gewährleisten „überzeugende Leistung und Fahrkomfort".

Sparen, wo's nicht weh tut

Spätestens an dieser Stelle hört der Spaß dann aber doch auf: Schlimm genug, daß der Informationsgehalt der „VBB in Fahrt" für Fahrgäste gegen Null tendiert, aber daß mit ÖPNV-Geldern in der Zeitung des Verkehrsverbundes nun auch noch Autotests abgedruckt werden, ist den durch regelmäßige Tariferhöhungen leidgeprüften Fahrgästen nun wirklich nicht zuzumuten. Nicht weniger als 1,6 Millionen DM bekam der VBB im letzten Jahr als Zuschuß allein für Werbemaßnahmen, wozu auch die vierteljährliche Herausgabe der Kundenzeitschrift gehört.

Falls also mal wieder beim ÖPNV gespart werden muß, haben wir einen Vorschlag: Der ersatzlose Wegfall der „VBB in Fahrt". Er würde wohl keinem Fahrgast wehtun, käme der Umwelt zugute und spart etliches Geld.

IGEB

aus SIGNAL 8/2001 (Dezember 2001), Seite 4

 

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