Berlin

Unglaubliche Kletterpartien am U-Bahnhof Oskar-Helene-Heim

Liebe Senatsverkehrsverwaltung, Umsteiger sind auch Menschen! Am U-Bahnhof Oskar-Helene-Heim gab es kurze Umsteigewege zwischen U-Bahn und Bus. Leider ist das aber Vergangenheit. Denn durch einen Umbau der Ampelanlage durch die Senatsverkehrsverwaltung wurden die Umsteigemöglichkeiten deutlich verschlechtert. Neuerdings versperren auch noch sogenannte Schutzgitter den direkten Weg.

Ein wichtigster Umsteigepunkte im Berliner Südwesten ist der Bereich des U-Bahnhofs Oskar-Helene-Heim. Dort halten neben der U-Bahn-Linie 1 auch fünf Buslinien und der Expressbus X 10. Selbstverständlich, dass es dort viele Umsteiger zwischen Bus und U-Bahn gibt. Und sie hatten bis letztes Jahr auch kurze Umsteigewege, weil sich direkt vor dem U-Bahn-Ausgang eine Ampel befand, die den Fahrgästen den sicheren Übergang zu den Bushaltestellen in Richtung Norden ermöglichten. Nur schade, dass diese Ampel den rechtsabbiegenden Autofahrern aus der Garystraße nach 30 Metern Fahrt schon wieder das Rotlicht zeigte.

So hatte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung endlich einen Grund, die Umsteigebeziehungen für BVG-Fahrgäste zu verschlechtern und die Ampel zur Garystraße zu verlegen. Nach dem Motto, was kümmern einen 20 Meter mehr Fußweg, Hauptsache die Autos haben freie Fahrt, wurde direkt an der Garystraße die neue Ampelanlage gebaut. Begründet wurde dies von der Staatssekretärin für Verkehr, Frau Maria Krautzberger (SPD) in einem der IGEB vorliegenden Schreiben wie folgt: „Um die Sicherheit der Fußgänger zu erhöhen, wurde die Fußgängerfurt auf Vorschlag der Polizei zur einmündenden Garystraße verlegt. Dadurch wird die Zahl der Kraftfahrer verringert, die bisher beim Abbiegen aus der Garystraße die ca. 20 Meter entfernte Fußgängerfurt übersehen, das dortige Rotlicht missachtet und auf diese Art die Fußgänger gefährdet haben. Gleichzeitig entsteht eine signalisierte Einmündung, wie sie im gesamten Stadtgebiet als Regelausführung anzutreffen ist."

Zusammenfassend kann man also sagen: Weil Kraftfahrer (möglicherweise) nicht in der Lage sind, sich an die Straßenverkehrsordnung zu halten, werden Umsteigern längere Wege aufgezwungen. Liebe Senatsverkehrsverwaltung, Umsteiger sind auch Menschen, nicht nur Autofahrer. Diese Ausgrenzung hat schon Züge von bewusster Diskriminierung.

Im Konfliktfall grundsätzlich gegen den ÖPNV-Benutzer

Abspergitter an der Kreuzung
Der ehemalige Überweg ist an den hellen Pflastersteinen gut zu erkennen. Sicherlihc wird hier bald gehandelt: die Absperrung wird höher ...! Foto: Alexander Frenzel

Leider gehört eine Ampel vor dem einzigen Ausgang dieses U-Bahnhofs wohl nicht zur Regelausführung. Vielmehr ist der lange Umsteigeweg eine Berliner Regelausführung, der von Polizei und Verkehrsverwaltung in ihrem Regulierungseifer immer weiter verlängert wird. Und Autofahrer, die bisher das Rotlicht missachtet haben, sind den täglich hier umsteigenden Fahrgästen nicht bekannt. Vielmehr bestätigen sie, dass sie bisher sicher und schnell umsteigen konnten. Vielleicht ringt sich die Senatsverkehrsverwaltung auch einmal zu der Erkenntnis durch, dass das Bestreben nach „totaler" Verkehrssicherheit zu neuer Unsicherheit führt. Denn Regelungen und Einrichtungen, die die Menschen ohne erkennbaren Grund behindern, werden ignoriert, so sehr sich das Bürokraten und Polizeibehörden in dieser Stadt nicht vorstellen können. Menschen sind halt merkwürdige Wesen, sie gehen nach Möglichkeit immer den kürzesten Weg. Es gehört doch wohl zum Elemantarwissen eines Autofahrers, dass man nach dem Rechtsabbiegen einer unerwarteten Situation gegenüberstehen kann. Dieses Unerwartete kann nach 20 Metern auch eine rote Ampel sein. Ein Autofahrer, der eine rote Ampel nicht erkennt, sollte auf seine Eignung zur Teilnahme am Straßenverkehr geprüft werden.

Nun kann man ja vielleicht einwenden, 20 Meter mehr zur Ampel zu laufen (um auf der anderen Straßenseite zurückzulaufen), sei nicht so schlimm, das schafft sogar ein älterer Mitbürger. Wer diese Meinung vertritt, soll sich einmal ans Oskar-Helene-Heim stellen und die Fahrgäste befragen, denen ihr Bus wegen des längeren Umsteigewegs vor der Nase weggefahren ist und die nun zwanzig Minuten auf den nächsten warten dürfen. Diese überlegen sich sehr genau, ob sie bei der nächsten Fahrt hier wieder warten möchten oder diese lieber mit dem Auto zurücklegen wollen.

„Schutzgitter" ersetzen keine Verkehrspolitik

Die Verschiebung der Ampelanlage war aber noch nicht das Ende der Verschlechterungen. Denn die Senatsverwaltung kannte noch einen Trick, mit dem man den direkten Weg endgültig versperren konnte. Mit dem Aufstellen von sogenannten „Schutzgittern" - eine Maßnahme, die schon am S- und U-Bahnhof Pankow zu Verärgerungen führte - wurde der direkte Weg zum U-Bahnhof nun verbarrikadiert. Und im Gegensatz zum Bahnhof Pankow plant man am Oskar-Helene-Heim dies als dauerhafte Lösung. Dass jetzt sogar Senioren durch diese Gitter durchklettern und Jugendliche darüber springen, dies interessiert in den Verwaltungen niemand. Hauptsache, die Angelegenheit ist bürokratisch geregelt, nach dem Nutzen oder Schaden der Fahrgäste fragt niemand. Von der Kritik ausgenommen werden soll hier das Tiefbauamt Steglitz-Zehlendorf. Dort war man mit den Planungen von Senatsverwaltung und Polizei nicht einverstanden und stimmte gegen den durchgeführten Umbau.

Vollkommen unverständlich ist, dass man einen kostspieligen (und dazu noch schlechten) Ampelumbau bei größter Finanznot durchführt Ist das ein sorasamer Umgang in Zeiten leerer Kassen oder kann man dies nicht auch als Verschwendung von Steuergeldern bezeichnen? Und wozu hat dann die Senatsverwaltung eine von der IGEB initiierte Plattform zur Verbesserung der Umsteigebeziehungen einberufen, wenn man sie an anderer Stelle immer wieder verschlechtert? Und weshalb wird diese neue Ampel nicht gleich in das Programm zur Busbeschleunigung mit einbezogen?

Aus Sicht der Fahrgäste ist es jedenfalls dringend nötig, dass die vor dem Umbau bestehenden guten Umsteigemöglichkeiten wiederhergestellt werden. Die „Kletterpartien" am Oskar-Helene-Heim müssen ein Ende haben. Die IGEB bleibt dran.

IGEB, Abteilung Stadtverkehr

aus SIGNAL 2/2002 (April/Mai 2002), Seite 12-13

 

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