Überregional

Streckenausbau Lüneburg - Hamburg ohne Konzept

Schlicht und ergreifend am Rande der Kapazität ist die Bahnstrecke Hannover - Hamburg (Kursbuchstrecke 110).

Hier verkehren je Richtung halbstündlich ICE-Züge zwischen Hamburg und Frankfurt bzw. München, stündlich Interregio-Züge, dazu stündlich Regionalexpress-Züge und zwischen Lüneburg und Hamburg weitere Regionalzüge. Hinzu gesellen sich noch Nacht- und Autoreisezüge und „Umleitungszüge" zwischen Hamburg und Berlin, die wegen der langanhaltenden Bauarbeiten an der Strecke über Wittenberge jetzt über Lüneburg - Uelzen - Stendal geführt werden.

Vor allem aber sind es die Güterzüge, die die Strecke zusätzlich beanspruchen: Containerzüge zum Hamburger Hafen, die schweren Erzzüge zwischen Hamburg und Peine/Salzgitter, Güterzüge zum Rangierbahnhof Maschen und Durchgangszüge nach Skandinavien die wegen fehlenden Elbquerungen über Hamburg fahren.

Allein im stärkst beanspruchten Abschnitt verkehren auf den beiden Gleisen zwischen Lüneburg und Hamburg ca. 340 Züge, dass heisst durchschnittlich ca. zehn Züge je Stunde und Richtung.

Die hohe Auslastung der Strecke in Nord-Ost-Niedersachsen macht es nicht nur Drittunternehmen schwer, auf die Schiene weitere Züge für die Güter der Straße zu bringen. Die hohe Auslastung führt immer wieder zu Verspätungen, wie fast jeder Bahnkunde vor Ort missmutig feststellen muss.

Zaghaft sind die Verantwortlichen bei Bahn und Politik aufgewacht und haben beschlossen, den 27,3 km langen Abschnitt zwischen Stelle und Lüneburg mit eine dritten Gleis auszustatten werden. Die dichte Belegung der beiden vorhandenen Gleisen wird etwas entlastet. In Hamburg verspricht man sich neben höherer Pünktlichkeit im ICE-Verkehr Richtung Frankfurt und München sowie vor allem weitere Fahrplantrassen für die Güterzüge zwischen Süddeutschland und dem Hamburger Hafen.

In Lüneburg hofft man zudem, damit auch die Voraussetzung einen dichten S-Bahn-artigen Nahverkehr nach Hamburg zu schaffen, denn das derzeitige Angebot an Regionalzügen ist für die vorhandenen und zukünftigen Bahnkunden in Spitzenzeiten bekanntermaßen nicht ausreichend.

Mit Hochdruck arbeitet das Land Niedersachsen an der Planung des dritten Gleises zwischen Stelle und Lüneburg. Rund acht Millionen Euro wird dem Land allein das Planfeststellungsverfahren kosten. Frühestens 2004, wenn der Planfeststellungsbeschluss vorliegt, kann mit dem Bauarbeiten begonnen werder Wann die Arbeiten abgeschlossen werden und der Betrieb auf dem dritten Gleis aufgenommen werden kann, ist noch nicht verbindlich.

Verbindlicher als die Termine sind die zu erwartenden Kostensteigeruingen. Ging man vor kurzem noch von ca. 200 Mio. Euro Baukosten aus, so werden nach dem Stand der derzeitigen Planung jetzt die Kosten für den Ausbau auf 230 Millionen € geschätzt, das ist eine eine Steigerung von 30 Millionen € bzw. 15 % - und erfahrungsgemäß nicht die letzte. Finanziert wird es mit Mitteln aus den Bundeswegeausbauprogramm und den UMTS-Mitteln.

Problematish wird es, während der Bauarbeiten den derzeitigen Verkehr auf den vorhandenen beiden Gleisen abzuwickeln. Nur im beschränkten Umfang und mit deutlichen Fahrzeitverlängerungen werden Fern- und Güterzüge zwischen Hannover und Hamburg über Rotenburg (Wümme) umgeleiztet werden können.

Zeichnung
Unmaßstäblich Zeichnung der auf Hamburg aus dem Südbereich zulaufenden Strecken. Zeichnung: GVE

Die Interregio-, Regional- und Regionalexpresszüge müssen allein wegen der regionalen Nachfrage weiterhin zwischen Lüneburg und Hamburg verkehren. Ein Bahnexperte aus Bad Bevensen meinte dazu lakonisch, die Züge könnten ausfallen und die betroffenenn Fahrgäste, ca. 8000 täglich, können monatelang mit Bussen im Schienenersatzverkehr an der Baustelle vorbei befördert werden.

Völlig unverständlich ist darum, warum die Planer eine kostengünstigere Variante ausgeschlagen haben, nämlich die ehemals KBS 161 Lüneburg mit einer Schleife in Marxen auf die dortige Güterverkehrstrecke nach Maschen,herzurichten und die vielen Güterzüge auf dieser umzuleiten, die Fahrzeitverlängerungen dürften gering sein, da die gegenseitigen Behinderungen mit dem Personenverkehr wentfallen würden. Diese Strecke wäre fü ca 40 Millionen € zu realisieren. Der Vorschlag ist nicht aus der Luft gegriffen, denn die Studie „CargoRailNet" von Professor Voß, Uni Hannover, hat dies bereits vorgesehen.

Versäumt wurde es bisher, die Kapazitäten benachbarter Strecken zu erweitern, zum Beispiel auf der Strecke Lüneburg - Buchen - Lübeck, damit Güterzüge zwischen Skandinavien und Süddeutschland nicht durch das Nadelöhr Lüneburg Hamburg geführt werden müssen. Gerade mal bis zur Anmeldung in den Bundesverkehrswegeplan gelangt ist der Wiederaufbau der Dömitzer Brücke elbaufwärts zwischen Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern, die bis zur 1989 allein wegen der innerdeutschen Grenze nicht passierbarwar.

Die weitere Netzplanungen der Bahnplaner beschränken sich auf einen Neubau einer Hochgeschwindigkeitsstrecke durch die Lüneburger Heide zwischen Hamburg, Bremen und Hannover, der sog. Y-Trasse. Sie stößt vor Ort auf wenig Gegenliebe. Falls sie jemals kommt, werden die Bauarbeiten nicht vor 2010 beginnen können. Den Fern- und Nahverkehrszüge nützt sie wenig, denn die Strecke führt an den Kreisstädten wie Winsen/Luhe, Lüneburg und Uelzen vorbei. Dem Güterverkehr Richtung Hamburger Hafen und Skandinavien nützt sie gar nichts, obwohl es gerade sie es sind, die die Strecke KBS 110 zwischen Lüneburg und Stelle bis an die Grenze der Kapazität belasten.

DBV Niedersachsen

aus SIGNAL 2/2002 (April/Mai 2002), Seite 25

 

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