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Die Bahnhöfe Witzleben und Eichkamp sollen
in „Messe Nord/ICC" und „Messe Süd"
umbenannt werden. Verwirrung statt Information
ist vorprogrammiert. Zudem ist zu
befürchten, dass die dann nur noch im
Kleingedruckten genannten Stadtteilnamen
mehr und mehr aus Stadtplänen, Briefpapier
sowie Werbung verschwinden und vergessen
werden.
„Unsere Besucher müssen sofort wissen,
dass sie richtig sind," begründet die Messegesellschaft
ihre Initiative. Ob sie das dann
wirklich wissen, ist zweifelhaft. Denn abgesehen
von großen Messen - wie Grüne Woche
oder Funkausstellung - finden viel mehr
kleinere Messen nur in abgegrenzten Teilen
des Messegeländes statt, die abseits der
„Messebahnhöfe" liegen. So beispielsweise
die Messe „Rund um's Pferd, Hippologica",
die regelmäßig in den Hallen 21 bis 26 im
westlichen Teil des Geländes stattfindet. Der
von hier nächste Bahnhof ist ein ganz anderer:
U-Bahnhof Theodor-Heuss-Platz! Darauf
wurde in der Veranstaltungswerbung
leider bisher nicht hingewiesen, dennoch -
die Besucher wussten trotzdem „das sie" -
nicht an einem dieser Messebahnhöfe -
„richtig sind!" Dass die rund 40.000 Euro
teure Umbenennung eher desorientiert als
hilft, ist an einem weiteren Grund festzumachen.
Busfahrgäste aus Richtung Zoo erhalten
dann am heutigen S-Bahnhof Witzleben
die Haltestelleninformation „S-Bahnhof
Messe Nord ICC". Warnt der Busfahrer
nicht, das man zwei Haltestellen weiter an
der „Halle 19" unmittelbar das Messegelände
erreicht, sind ab Witzleben Wandergruppen
fehlgeleiteter Ausstellungsbesucher
freilich zu erwarten.
Noch 1998 weigerte sich die Deutsche
Bahn AG, den Bahnhof Eichkamp in „Messe
Berlin - Eichkamp" zu taufen, wo bis
heute der neue Messe-Haupteingang geplant
ist. Schließlich ist es Aufgabe der Veranstalter,
auf die Verkehrsverbindungen
hinzuweisen, die jedoch meist nur Parkmöglichkeiten
anpreisen. Von den Verkehrsunternehmen
wird mit Wegweisern, die
aber nicht Namensbestandteil sind, auf
wichtige vom Bahnhof aus erreichbaren
Einrichtungen hingewiesen. Und vor Fahrtantritt
orientieren sich Ortsfremde in Stadt- und
Schnellbahn-Netzplänen - die das Messegelände
verzeichnen - oder der Fahrtweg
wird einfach erfragt. Dafür braucht kein
Bahnhof mit seinem Namen „konvertieren."
Bei den Fahrgastverbänden werden für die
Bahnhofsnamen grundsätzlich Ortsteilbezeichnungen
bevorzugt.
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Bahnhof Witzleben in den 1980er Jahren. Foto: Archiv Berliner S-Bahn Museum |
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Im Fall der beiden Bahnhöfe werden
Wegweiser zu Bahnhofsnamen, obwohl
nicht in jedem Fall die Ausstellung direkt
erreicht wird. Ergebnis ist dabei
auch die doppelte Nennung
von Bahnhöfen im
Netz, die nur per Himmelsrichtung
unterschieden werden.
Dabei gab es genau aus
diesem Grunde, der Ähnlichkeit
von Namen, bereits 1992
unter anderem die Änderung
des S-Bahnhofes Mariendorf
in Attilastraße, um
ihn nicht mit der U-Bahnstation
Alt-Mariendorf zu verwechseln.
Sind Bahnhofsnamen
„Schall und Rauch?"
Bahnhofsnamen sind in der
Regel Ortsbezeichnungen,
geschichtlich gewachsene
und in der Bevölkerung verwurzelte
Hinweise auf Siedlungen
und Stadtteile, Straßen
und Plätze. Verkehrsfunktionen
spielen auch eine
große Rolle: Ostbahnhof,
Westkreuz und so weiter.
Anerkannt ist, das die Menschen
mit ihrer Umgebung
zuerst ihre Identität formulieren.
Vergleichbar der Architektur
wurden Bezeichnungen
aber auch schon in
der Vergangenheit zum Ausdruck von
Macht geändert: Diktaturen brauchten die
Stalinallee und den Adolf-Hitler-Platz, aber
auch Demokraten verewigten Franz-Neumann(-Platz)
statt sich mit dem Schäfersee
zu begnügen.
Natürlich wollen auch Unternehmen ihr
Image mit Bahnhofsnamen verbessern -
nur das sollten sie durch Engagement tatsächlich
verdienen. Job-Wilhelm von Witzleben,
der mit der Entwicklung des Gebietes
am gleichnamigen Bahnhof verbunden ist,
wurde 1827 wegen seines wohltätigen Wirkens
Ehrenbürger der damaligen Stadt
Charlottenburg. Dagegen hat die Finanzierung
neuer Stationsschilder durch die Messegesellschaft
eher etwas von eigennützigen
Marketingmaßnahmen, denn die wirklichen
Mängel werden nicht beseitigt. Einige
Ortsbezeichnungen, die schon bei der
Bildung der Groß-Gemeinde Berlin 1920 im
„Einheitsbrei" der Zentralverwaltung verschwunden
sind, wurden bisher wenigstens
durch Bahnhofs- oder auch Kirchengemeindenamen
im Bewusstsein gehalten. Soll
demnächst auch „Bellevue" verschwinden,
damit jeder merkt, dass sich in Berlin das
Bundesinnenministerium befindet? Und der
Bahnhof Jungfernheide heisst alsbald „Flughafen
Tegel"?
Alleingang des Senats
Wie fast alle schlechten Meldungen in der
Stadt, kam auch die Entscheidung zur Umbenennung
vom Berliner Senat. Bereits vor
dem Beschluss des Dringlichkeitsantrages
der Bezirksverordnetenversammlung (BW)
Charlottenburg-Wilmersdorf, der Bezirk
möge sich beim Senat für den Erhalt der
heutigen Bezeichnungen einsetzen, hatte
der Verkehrssenator entschieden. Kaltschnäuzig
kommentierte seine Pressesprecherin:
„Mit der Entscheidung der BW sind
keine Argumente aufgeführt, die nicht bereits
debattiert worden sind." Basta, der
den Antrag begründende Widerstand der
ortsansässigen Bevölkerung gegen die Namensänderung
interessiert nicht. Dabei verschwanden
vor 35 Jahren beim benachbarten
U-Bahnhof Adenauerdamm wieder die
ungeliebten Schilder, nachdem die Anwohner
protestierten: „Wir wohnen am Kaiserdamm!"
Die besseren Alternativen - Bewahrung
der Ortsnamen und Hinweis - findet man
aber nur beim Blick über den Berliner Gartenzaun:
das neue Messegelände in Leipzig
erreicht der Zugreisende am Bahnhof „Neuwiederitzsch
Leipziger Messe". Nach gleichem
Schema heißt es „Berlin-Schönefeld
Flughafen". Warum also nicht „Witzleben/Messe"
und „Eichkamp/Messe " in gleich
großen Lettern auf einem Schild? Auf einem
Zusatzschild bleibt das ICC, genauso wie der
ZOB. Und Busfahrer können sich hier mit
dem Ansagen der Ortsnamen begnügen.
Auf der Fahrinfo-CD-ROM des Verkehrsverbundes
werden ähnliche Haltestellenbezeichnungen
schon länger verwendet.
Wünschenswert ist, dass sich die Beteiligten
mit den wirklichen Fahrgastärgernissen beschäftigen:
endlich den Ubergang zwischen
U-Bahnhof Kaiserdamm und S-Bahnhof
Witzleben auf der Straße auszuschildern,
das Empfangsgebäude der S-Bahn zu beleuchten
sowie jahrelang fehlende Fahrtreppen
einzubauen. Übrigens: hier wäre unternehmerisches
Engagement eine Wohltat. DBV Berlin
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