Nach Einschätzung der IGEB kann dies mittelfristig
zur Gefährdung zahlreicher Eisenbahnstrecken
führen. Wir nehmen dies zum
Anlass, die Regionalnetze zu dokumentieren,
die Trassenpreiserhöhung mit einem
Beispiel aus dem Land Brandenburg zu erläutern
und Alternativen zur offiziellen
Bahnpolitik zu skizzieren.
Seit 1996: Bestellerprinzip im SPNV
Seit dem Inkrafttreten des (Eisenbahn-) Regionalisierungsgesetzes
im Jahre 1996 erhalten
die Bundesländer vom Bund zweckgebundene
Zuweisungen, mit denen sie
vorrangig (aber nicht nur) schienengebundenen
Personennahverkehr bestellen sowie
Investitionen in den ÖPNV finanzieren. Im
Jahr 2000 bestellten die Länder bei DB Regio
SPNV-Leistungen im Umfang von etwa
4,3 Milliarden Euro (Geschäftsbericht 2000
der DB AG, Seite 48). Bei der Bestellung von
Zugleistungen im SPNV entfällt ein bestimmter
Anteil des Entgelts auf den sogenarnnten
Trassenpreis, mit dem die Aufwendungen
des Eigentümers der Strecke (hier
der DB Netz AG) für den laufenden Betrieb
sowie die Bestandspflege der Strecke abgegolten
werden sollen. Der jeweilige Trassenpreis
richtet sich nach Streckenkategorie
und Auslastung sowie der Art des Verkehrs
(Trassenprodukt; für Taktverkehr werden 65
Prozent mehr berechnet). Dies wird ergänzt
durch Zuschläge (zum Beispiel Neigezüge)
und Abschläge (für neue Angebote). Derzeit
bewegen sich die Trassenpreise für Taktverkehre
zwischen 2,44 Euro (S-Bahn-Strecken)
und 6,70 Euro (hochbelastete Fernstrecke,
die mit mehr als 200 km/h befahrbar ist) je
Kilometer.
Trassenpreiserhöhungen
ab 2003
Die DB Netz AG wird das Trassenpreissystem
(TPS) ab dem 1. Januar 2003 um sogenannte
Regionalfaktoren ergänzen. Der bisher
gültige Trassenpreis wird mit dem Regionalfaktor
multipliziert, damit sich ein höherer
Trassenpreis ergibt.
„Mit der Einführung der Regionalfaktoren
wirken wir der Kostenunterdeckung der regionalen
Strecken entgegen und können
deren Bestand langfristig sichern" (Dagmar
Haase, Vorstand Marketing, Vertrieb der DB
Netz AG in einer Presse-Information vom
9. April 2002). Das finanzielle Defizit in den
Regionalnetzen resultiere zum „... einen
aus der geringen Zugfrequenz und den damit
verbundenen niedrigen Trasseneinnahmen,
zum anderen aus den hohen Betriebsführungs-
und Instandhaltungskosten -
etwa aufgrund alter Tunnel- und Brückenbauwerke
sowie in Teilen überdimensionierter
Gleisanlagen. Die in den letzten Jahrzehnten
knappen Finanzmittel für die Bahn
ließen oft nur eine punktuelle Modernisierung
der Infrastruktur in der Fläche zu. Dies
soll sich nun mit Hilfe der zusätzlichen Einnahmen
ändern. Die mit den Regionalfaktoren
generierten „... Gelder kommen den Regionalnetzen
zugute ..." (a.a.O.) so lautet
die offizielle Begründung der Bahn.
Die Regionalfaktoren sollen bei Trasseneriösen
von rund 3,1 Milliarden Euro im Jahr
2000 (DB-Geschäftsbericht 2000, Seite 61)
bundesweit zu Mehreinnahmen von rund
153 Millionen Euro führen; das Defizit zwischen
den Trassenpreiseinnahmen und den
Aufwendungen für Betrieb und Unterhaltung
der „Regionalnetze" beträgt laut DB
Netz AG derzeit etwa 255 Millionen Euro im
Jahr (Bahn-Report 3/2002, Seite 6).
Eisenbahnbetrieb wird auf
14 000 Kilometern teurer
|
Bahnhof Königs Wusterhausen: Hier beginnt die Strecke nach Frankfurt/Oder über Beeskow. Foto: Alexander Frenzel |
|
Abgesehen von den sieben „Regionalnetzen",
in denen die Trassenpreise nicht erhöht
werden, sind den Angaben der DB
Netz AG zufolge bundesweit etwa 14.000
Kilometer Bahnstrecken von dieser Preisrunde
betroffen. Der Regionalfaktor reicht von
1,10 (entspricht einer Trassenpreiserhöhung
von zehn Prozent gilt für sieben von 47 Regionalnetzen;
in denen Preiserhöhungen
vorgesehen sind) über Werte von 1,21 bis
1,46 (16 Netze) bis zu einem Regionalfaktor
von 2,45 - dies entspricht einer Verteuerung
von 145 Prozent (Erzgebirgsbahn, zum Beispiel
Chemnitz - Aue).
21 von insgesamt 47 betroffenen Netzen
liegen im Osten. Von 14 Regionalnetzen mit
extrem hohen Verteuerungen (60 und mehr
Prozent) liegen 13 ebenfalls im Osten.
Allein für den unveränderten Betrieb der
RB 36 ergeben sich nach der Berechnung im
obigen Beispiel Mehrkosten von über 2,4
Millionen Euro. Durch die Regionalfaktoren
werden sich den Berechnungen der IGEB
zufolge die Trassenpreise auf den betreffenden
Brandenburger Strecken von etwa
30 Millionen auf mehr als 41 Millionen Euro
pro Jahr erhöhen.
Die Regionalfaktoren sind
kaum transparent
Warum erhält das im Flachland gelegene
„Südmecklenburg-Netz" mit 2,37 einen der bundesweit
höchsten Regionalfaktoren überhaupt? Wegen der zahlreichen
Tunnel- und Brückenbauwerke? In einem
Gutachten des Landes Schleswig-Holstein wurde Ende
2001 nachgewiesen, daß für
stark rationalisierte Regionalverkehrsstrecken
schon die jetzt gültigen Trassenpreise
überhöht sind. Weshalb beträgt
der Regionalfaktor im „Nord-Ostsee-Netz" mit 1,10
trotzdem sogar noch mehr als 1,00?
Defizite nur in den
Regionalnetzen?
Der Verkehrswissenschaftler
Hans-Jürgen Ewers untersuchte
im letzten Jahr die
betriebswirtschaftliche Kostendeckung
einer ICE-Neubaustrecke
(zum Beispiel Hanover
- Würzburg), die mit
rei ICE-Linien pro Stunde
belegt ist und kam zu dem Ergebnis,
daß der Trassenpreis
hier rund 130 Euro pro Zugkilometer
betragen müßte, um
die Gesamtkosten (insbesondere
die Baukostenfinanzierung)
zu tragen. Nach dem
aktuell geltenden TPS zahlt
der ICE hier aber lediglich
rund 5,50 Euro/km, dass
heisst, ein „Regionalfaktor"
müßte hier bei gerechter
Kostenanrechnung 23,63 (!)
betragen" (Bahn-Report 3/02).
Die Weitergabe dieses
astronomischen Trassenpreises
an die Fernverkehrsreisenden
würde auf diesen Strecken
mindestens eine Einnahmesteigerung
von 20 Cent je
Personenkilometer erfordern
- nicht wenig bei Durchschnittseriösen
von rund 10 Cent je Personenkilometer im Fernverkehr.
Doch solche Fahrpreiserhöhungen
sind im nicht subventionierten Fernverkehr
am Markt nicht durchsetzbar - also bedient
sich der DB-Konzern eben dort, wo staatliche
Regionalisierungsmittel zur Verfügung
stehen.
Sind Streckeneinstellungen
die Konsequenz
der Regionalfaktoren?
Ergebnis dieser DB-Politik sind Trassenpreise,
die wegen unterbliebener Investitionen
in den Nebenstrecken in keinem vertretbaren
Verhältnis zur Qualität der Leistung stehen.
Wenn eine Leistung dem Kunden (in
diesem Falle den Ländern als Besteller der
Nahverkehrsleistung) zu teuer ist, wird abbestellt
und stillgelegt.
Bei einer Stilliegung werden die Zugleistungen
in der Regel nicht ersatzlos gestrichen,
sondern auf andere Strecken verlagert.
Eine so erzielte Konzentration von
mehr Zugleistungen auf weniger Strecken
liegt durchaus im wirtschaftlichen Interesse
des DB-Konzerns: Die Kosten für die eingestellten
Strecken fallen weg, während die
Erlöse erhalten bleiben. Die sozial- und umweltpolitischen
Folgen dieser Politik sind für
die DB AG betriebswirtschaftlich irrelevant.
Die Fahrwegkosten
an sich sind das Problem
Die Einführung der Regionalfaktoren kann
nicht als „normale" Preiserhöhung bewertet
werden. Sie ist Ausdruck der falschen institutionellen
und finanziellen Organisation
des deutschen Schienennetzes. Hohe
Instandhaltungsrückstände, aufwendiger
Infrastrukturbetrieb, monopolartige und
nicht nachvollziehbare Preisbildung ohne
wirksame Kontrolle sind das Resultat.
Die wirklichen Probleme der DB AG mit
ihrem Netz liegen nicht in den Defiziten der
Regionalnetze, sondern in dem - auf lange
Sicht zum Scheitern verurteilten - Zwang,
als einziges Verkehrsmittel in Deutschland
die Infrastrukturkosten selbst erwirtschaften
zu müssen.
Der DB-Konzern hat in den wenigen Jahren
seiner Existenz Darlehensverbindlichkeiten
in Höhe von 5,463 Milliarden Euro aufgehäuft
(DB-Geschäftsbericht 2000, Seite
107). Wenn sich diese Entwicklung in dem
Tempo der letzten Jahre fortsetzt, dann
wird die DB AG nach einigen Jahrzehnten
wie ihr Vorgänger Deutsche Bundesbahn
ein Sanierungsfall sein.
Mehr Informationen!
Vom DB-Konzern ist eine breite Information
der Öffentlichkeit zu fordern. Dazu gehört
zum Beispiel, daß die DB Netz AG ihren Jahresabschluß
vorlegt.
|
Der Wettbewerb darf sich nicht nur auf Sonderzüge und Sonderfahrten beziehen. Wenn die Deutsche Bahn tatsächlich Wettbewerb zulassen will, darf sie Wettbewerber nicht diskriminieren. Foto: Rheingold-Sonderzug in Bonn Hbf, DBV-Archiv |
|
Die Tatsache, dass die Umsätze der für
den Regional- und Stadtverkehr zuständigen
DB Regio AG zu etwa 2/3 (nämlich 4,3
Milliarden Umsatz von 6,5 Milliarden Euro;
DB-Geschäftsbericht 2000, Seite 48) auf
SPNV-Bestellungen der Länder entfallen, begründet
das Interesse an der Offenlegung
dieser Zahlen.
Auch die Jahresabschlüsse der Regionalnetze
müssen öffentlich gemacht werden.
Dadurch würden auch die Regionalfaktoren
nachvollziehbar und das vielleicht unbegründete
Mißtrauen gegenüber dem
DB-Konzern würde schwinden.
Handlungsmöglichkeiten
der Länder
Die Länder müssen mehr als bisher für
„ihre" Bahnstrecken engagieren - und sie
haben mit den Regionalisierungsmitteln ein
wirksames Instrument, ihren Interessen Geltung
zu verschaffen.
Das Land Brandenburg muß sich im Rahmen
der Ausschreibungen von SPNV-Leistungen
weitgehende Informations- und
Gestaltungsrechte sichern. Weil nach einer
Auskunft der DB Netz AG Langsamfahrstellen
„betriebsinterne Produktionsdaten" sind
(Antwort der niedersächsischen Landesregierung
vom 3. Juli 2000 auf eine Kleine Anfrage
des Abgeordneten Dinkla/CDU vom
8. Mai 2000), muß eine Berichtspflicht über
Langsamfahrstellen vertraglich gesichert
werden, die mit Anreizen für ihre rasche
Beseitigung zu koppeln ist.
Durch die landesweite Vernetzung von
Bussen und Bahnen im Rahmen eines
Schritt um Schritt zu verwirklichenden integralen
Taktfahrplans kann der ÖPNV von
einer nur linienbezogenen zur flächendekkenden
Alternative zum eigenen Pkw fortentwickelt
werden. Deshalb sind auch Reisezeiten
und Anschlüsse unverzichtbare
Bestandteile von Ausschreibungen und Verkehrsverträgen
im ÖPNV.
Neben den mindestens stündlich auf der
Grundlage eines landesweiten integralen
Taktfahrplans zu bedienenden Bahnen wären
stündlich oder zweistündlich zu bedienende
Hauptachsen im Busverkehr sowie
rasch verfügbare Rufbusse im Haustürservice
einige ihrer Elemente.
Transparenz seitens
der DB AG tut not
Immer wieder fühlt sich die Deutsche Bahn
AG durch die Öffentlichkeit und die Medien
angegriffen und Unterstellungen ausgesetzt.
Andererseits tut sie aber häufig auch
alles, um solchen Vermutungen neue Nahrung
zu geben.
Ein Beispiel sind diese Regionalfaktoren.
Nach deren Bekanntwerden war, etwa im
Februar/März für kurze Zeit eine ausführliche
Liste mit einer Übersicht im Internet
veröffentlicht. Doch plötzlich verschwanden
diese Daten und alleine die nichtssagende
Presseerklärung war zu diesem Thema im
Internet zu finden.
Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe
waren diese Informationen ausschliesslich
für denjenigen abrufbar, der die genaue
Adresse kannte:
www.bahn.de/extrahtml/pdf/
streckenkarten_regionalfaktoren.pdf
Vielleicht ist diese Adresse bei Erscheinen
des Heftes auch schon nicht mehr aktuell?! IGEB
|